7086849-1994_17_04.jpg
Digital In Arbeit

Die Schafe verstanden den Wink nicht mehr

Werbung
Werbung
Werbung

Den etablierten Parteien, den Sozialisten, vor allem aber den Christdemokraten, haben die Italiener eine deutliche Absage erteilt. Diese galt in gewisser Weise auch der Kirche, die über Jahrzehnte in den Christdemokraten (FURCHE 16/1994) ihren „natürlichen" Verbündeten sah. Nicht anders sind die Wahlempfehlungen der Bischofskonferenz zu verstehen.

Zwar äußerten sie sich nicht offen, sie warnten aber vor „machtgierigen Politikern" und empfahlen, „moralisch glaubhafte Personen" zu wählen. Ferner, so die Oberhirten, sollten die Italiener aus einer Glaubens- und Lebensentscheidung heraus entscheiden. Verstanden wurde die Erklärung der Bischöfe als ein zwar verschlüsselter, aber dennoch unmißverständUcher Hinweis für die nominell neue „Volkspartei", aber dennoch alte „Democrazia Cri-stiana".

Es kann nicht bestritten werden, daß sich die neuen Gruppierungen und Parteien um die Kirche und natürlich um das kirchliche Wählerpotential mühten. Doch die Vertreter der Kirche hielten sich vor der Wahl bedeckt. Weder der Generalvikar des Bistums Rom, Kardinal Ca-millo Ruini, noch die örtliche Caritas hatten einen Termin für den Chef der „Forza Italia", Silvio Berlusconi, frei. Nur der Alt-Kardinal Silvio Oddi fand für die neuen Pohtiker ein positives Wort.

Nach der Wahl scheinen italienische.Bischöfe, aber auch der Vatikan irritiert zu sein. Eine offizielle Stellungnahme seitens der Kirche gibt es bis heute nicht. Dies alleine mit dem Begriff „Diplomatie" abzutun, scheint zu wenig zu sein. Vielmehr deutet alles darauf hin, daß Vatikan und Bischöfe verunsichert sind.

Mußten sie doch bei dieser Wahl erleben, daß die Schafe den Wink der Hirten nicht mehr verstanden und eigenen Wege gingen.

Und so ist es nicht verwunderlich, daß sich bisher nur eine inoffizielle kirchUche Stimme zu Wort gemeldet hat. Die von Kardinal Ruini verantwortete Sonntagsbeilage „Roma sette" fand in ihrer Osterausgabe einige lobende Worte für Berlusconi und seine „Forza Italia". Das römische Ordinariat spielte den Kommentar herunter und meinte, es handle sich um die Meinung eines Journalisten und nicht um ein kirchliches Dogma.

Die Kirche Italiens tut sich mehr als schwer mit den neuen Verhältnissen zwischen Brenner und Syrakus. Da kann auch die neue Parlamentspräsidentin Irene Pivetti (31) von der Lega Nord, die sich offen zur Kirche bekennt, nichts ändern. Die Bischöfe selbst scheinen nach dieser Wahl eine deutsche Einrichtung gar nicht mehr so schlecht zu finden. Sie erwägen, ein „Katholisches Büro" zu errichten. Dieses soll direkte Kontakte zu Parlament und Regierung unterhalten.

Dies ist vielleicht derzeit eine weise Entscheidung. Letztlich bringt sie aber nicht weiter. Die Hirten dürfen nicht schweigen, sie müssen zu den „neuen Verhältnissen" Stellung beziehen. Schweigen kann Zustimmung heißten. Und so stellt sich die Frage, ob die italienischen Bischöfe den Christdemokraten und ihrer Korruption, die ja nachzuweisen ist, nachtrauern.

Schweigen kann auch bedeuten, „im Schmollwinkel zu sitzen", es kann eine Gefahr für die Hirten selbst bergen. Daher wäre es angeraten, den ausgestreckten Arm zumindest der Forza Italia und der Lega Nord, auch wienn es noch soviele Einwände geben sollte, zu ergreifen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung