DIE FURCHE-HERAUSGEBER
Es war ein merkwürdiger Einsatz: Ehe die Welt am Mittwoch Abend den neuen Papst aus Lateinamerika begrüßte, hatten internationale TV-Teams auch in Wien Station gemacht, um mehr über Christoph Schönborn als "Papabile" zu erfahren. Auf der Jagd nach Informanten hatten sie auch mich gefunden - und mit einer seltsamen Aufgabe betraut: Nicht die Chancen des Wiener Kardinals im Konklave wollten sie erkunden, sondern seine Ziele als möglicherweise kommender Papst. Würde ein Anderer gekürt werden, so der Hinweis, dann wäre mein Interview sowieso uninteressant.
Ein enormer Medien-Aufwand: Um in der großen Stunde aktuell zu sein, mussten Filme über mindestens zehn Kardinäle vorbereitet werden.
Globale Faszination
Was, so habe ich mich dabei gefragt, macht diese enorme Faszination einer Papstwahl letztlich erklärbar - weit über den Kreis gläubiger Katholiken hinaus und tief in eine entchristlichte Welt hinein? Viel war zuletzt über die "Außenseite" dieses Konklaves geschrieben worden: über den Reiz seines uralten, sakralen Rituals, angereichert von einer Aura des Fremden und Hermetischen, die sich bewusst unserer transparenzsüchtigen Welt verweigert. Über den globalen Aufmarsch der Mitwirkenden - Kardinäle und Medien. Und über die Widersprüche von Wissenden (in der Sixtina) und Berichtenden (auf dem Petersplatz); von Gebeten und Gottesdiensten - und endlosen Spekulationen über Machtkonstellationen und Intrigen.
Aber erklärt das im Rückblick die ganze globale Spannung und Emotionalität? Erklärt es all die Versuche, dem Wesen und Weltbild der Papst-Kandidaten auf die Spur zu kommen?
Ich möchte zwei Vermutungen hinzufügen, die - jenseits aller "Inszenierung" - dieser globalen Erwartung eine tiefer gehende Sehnsucht unterlegen. Da war zunächst die Hoffnung, dass sich im neuen Papst eine Art "Generalvollmacht" für so vieles bündeln möge, die unseren Träumen von Frieden und Gerechtigkeit eine Stimme und ein Gewicht geben kann. Und da war - noch tiefer gegraben - auch eine vage Ahnung: dass dieser - zuletzt leere - "Heilige Stuhl" der einzige Platz ist, der zwar mitten in der Welt steht, zugleich aber für jede nur weltliche Herrschaft unerreichbar bleiben muss. Es ist allein der Papst, der - trotz mancher Finsternis der Kirchengeschichte - jeden irdischen Allmachtsanspruch (egal, ob aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft... ) im Namen eines Höheren abzuwehren hat. Ein Auftrag, der heute vielleicht größer ist als je zuvor.
Verwalter für einen ganz Anderen
Wem auch immer dieses Amt anvertraut würde - er hätte unsere Welt als etwas Vorletztes zu relativieren. Und er sollte uns Menschen (und auch die Kirche!) ermahnen, sich nie absolut zu setzen.
"Statthalter Jesu Christi" - Verwalter auf Zeit also für einen ganz Anderen, der jenseits all unserer Strukturen, Hierarchien und Normen steht. Vielleicht ist es gerade dieser Schnittpunkt von "Welt" und "Entweltlichung", der jetzt Hunderte Millionen Menschen hoffen lässt, dass es mit dem neu gewählten Papst Franziskus I., dem 265. Nachfolger Petri, gut gehen möge.
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