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Die Theologie lebt

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GOTT IN WELT. Festrabe für Karl lihltr. 2 Bände. Verlag Herder, Freiburg Im Breisgau, 1864. 1. Band 84 + 668, 2. Band 8 + 964 Seiten. Preis 8 DM.

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GOTT IN WELT. Festrabe für Karl lihltr. 2 Bände. Verlag Herder, Freiburg Im Breisgau, 1864. 1. Band 84 + 668, 2. Band 8 + 964 Seiten. Preis 8 DM.

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Hatte es im 19. Jahrhundert noch für weite Kreise der Öffentlichkeit den Anschein, Theologie sei eine absterbende Wissenschaft und habe zugunsten der Geschichts- und Naturwissenschaften abzudanken so stehen wir in der Mitte unseres Jahrhunderts wieder vor überzeugenden Beweisen geistigen Lebens im kirchlichen Raum. Einer davon ist die monumentale Festschrift zum 60. Geburtstag des Konzilstheologen Karl Rahner SJ.

Hier wird der Leser nicht ins Abseits gelehrter oder frommer Belanglosigkeiten geschickt, in stille Buchten fern vom Wellenschlag der Zeit, wo mit künstlichen Problemen und ebenso künstlichen Lösungen gespielt wird. Den äußeren Erschütterungen zweier Weltkriege folgten innere Erschütterungen, die mit neuem Ernst nach Gott in dieser Welt fragen und eine Sinndeutung der menschlichen Existenz verlangen.

Karl Rahner hat nicht nur einem Internationalen Kreis von Hörern (Innsbruck-München) und Lesern, sondern auch vielen Konzilsvätern wertvolle Impulse gegeben. Die angesehenen Mitarbeiter der Festgabe zeigen mit ihren Beiträgen, daß seine Art, Theologie zu treiben, schöpferische Kräfte freimacht. Dies wird ihn mehr freuen als wortreiche Ehrungen, denen er immer aus dem Weg gegangen ist. Er hat nicht die Absicht, eine Schule im herkömmlichen akademischen Sinn zu bilden, aber es gelingt ihm mehr: in das theologische Denken unserer Tage wie eine Selbstverständlichkeit einzugehen.

Niemand wird von dieser Besprechung die Inhaltsangabe oder auch nur die Aufzählung der 45 Abhandlungen auf 1724 Seiten erwarten. Jede Auswahl setzt die anderen ins Unrecht, denn alles hat sein Gewicht. Sieht man die zwei ungleichen, klobigen Bände vor sich liegen, hat man sogar den Eindruck, der Verlag selber sei im Termindruck nicht mehr imstande gewesen, diese Massen in eine gefälliger proportionierte Form zu bringen.

Man wird sich aber eine zu näherem Studium verlockende Vorstellung des reichen Inhalts machen können, wenn man zunächst einmal von den behandelten Themenkreisen erfährt. Zehn Aufsätze sind philosophischen Grundfragen, sechs theologischen Grundfragen gewidmet. Mit weiteren zehn biblischen Themen ist der erste Band abgeschlossen. Der zweite Band enthält 13 Arbeiten zur Theologie von Christus und Kirche, elf Beiträge zum Problem der Religionen und Konfessionen. Die charakteristische Öffnung des theologischen Denkens zu den übrigen Wissenschaften dokumentiert sich in je zehn Aufsätzen über Grenzprobleme zu den Geistes- und Naturwissenschaften. Hugo Rahner SJ., leiblicher und geistlicher Bruder des Geehrten, hat seiner schweren Krankheit ein ergreifendes „Eucharisticon fraternitatis“ abgerungen.

Das Interesse an Festschriften erlahmt schnell, wenn sie innere Einheit vermissen lassen. In unserem Fall ist diese Gefahr glücklich vermieden worden: Es wurden keine rein historischen Arbeiten aufgenommen, sondern bewußt an das Denken Rahners anknüpfende Systematik. In den Beiträgen sollte sich die gegenwärtige theologische Situation so spiegeln, wie sie von seiner Frageschärfe und seinen Antworten mitbestimmt wurde. Der Akzent liegt überall auf der inneren Sachproblematik, auf den „Fragespitzen“ und den vorwärts weisenden Entwürfen. Sieht man von der hier und da recht spürbaren Belastung durch einen unnötig verkomplizierten Jargon ab, freut man sich an der (bei solidestem Rückhalt an ältester Tradition) frischen Kühnheit der Beiträge, an der offenkundigen geistigen Verwandtschaft fachlich so weit auseinanderliegender Spezialisten.

Gelegentliche Anfeindungen Rahners in den letzten Jahren haben sicher dazu beigetragen, die Tabula gratulatoria im ersten Band auf einen Umfang von 65 Seiten anwachsen zu lassen. In ihr ist eine weltweite Zustimmung und Freundschaft sichtbar geworden. Charakteristisch ist die Mischung der Gratulanten aus Hierarchie und Theologie einerseits und den Profanwissenschaften (besonders den Naturwissenschaften) anderseits, ferner die große Anteilnahme überseeischer Länder, die lange Liste namhafter evangelischer Theologen, bezeichnend schließlich auch (von Rom und einigen Ausnahmen abgesehen) das Fehlen italienischer und spanischer Kollegialität. Doch wäre es verfehlt, darin nur erklärte Gegnerschaft zu sehen. Auch diese gibt es; aber der größere Teil dieser Theologen ist einfach noch nicht ins Gespräch gekommen und wird erst durch das Konzil aus dem „dogmatischen Schlummer“ geweckt.

Noch erstaunlicher an Umfang als die Tabula gratulatoria ist das sorgfältig bis Anfang 1964 geführte Gesamtverzeichnis der Schriften Karl Rahners am Schluß des zweiten Bandes. Es beansprucht 36 Seiten und zählt 887 Nummern: Bücher, Aufsätze und Rezensionen aus rund 30 Jahren rastloser Arbeit. Es ist tröstlich, zu wissen, daß diese Saat bereits kräftig aufgeht.

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