Die Toten-Fragen hören

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Wolfgang Klaghofer-Treitler, Fundamentaltheologe in Wien, setzt sich mit den Literaten Elias Canetti, Jean Améry und Elie Wiesel auseinander.

Die Fragen der Toten sind leise, aber hartnäckig. Sie auszuhalten erfordert Mut. Wolfgang Klaghofer-Treitler, Fundamentaltheologe an der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät, beweist diesen Mut. Und legt mit "Die Fragen der Toten" sein bisher schönstes, eigenwilligstes und reifstes Buch vor.

Klaghofer-Treitler geht dem Leben dreier Literaten nach, die mit ihrem Werk die Theologie zum Durchatmen zwingen: Elias Canetti, Jean Améry, Elie Wiesel. Drei Menschen, durch ihre Mutter jüdisch geworden; im Umkreis der Donaumonarchie aufgewachsen; durch die politischen Ereignisse aus der Bahn geworfen - Wiesel und Améry KZ-Überlebende. Zwischen ihnen und den Lesern bringt Klaghofer-Treitler ein Gespräch in Gang, das um verschiedene Themen kreist: Judentum, die Frage nach Mensch und Gott angesichts der Schoa, Schuld und Tod, das Ringen um Erinnerung.

Der Moderator dieses Gesprächs gibt sich durchaus parteiisch: Sein Verhältnis zum Atheisten Améry ist geprägt von respektvoller Distanz. Elie Wiesel dagegen mit seinem biblisch-jüdischen Glauben ist ihm innerlich nahe, zieht ihn in seinen Bann. Canetti aber muss sich viel Kritik gefallen lassen: Eitle Überheblichkeit, gepaart mit einem guten Maß an Ignoranz gegenüber der Schoa und ihren Folgen, wirft Klaghofer ihm vor.

Ob dieser Vorwurf berechtigt ist, darüber mögen Berufenere urteilen. Wichtiger ist hier etwas anderes: Selten einmal hat ein Theologe in einer so kraftvoll-poetischen Sprache die Fragen der Toten der Schoa so in sein Denken eindringen lassen. Er tritt damit auf sehr persönliche Art und Weise das Erbe dieser Propheten an - wider das Vergessen, wider alle antijüdischen Tendenzen, die heute wieder salonfähig werden. Und auch wider alle theoretischen Konzepte in der Theologie, die Erklärungen anbieten, wo besser Schweigen und Hören angebracht wäre.

Damit beschreitet Klaghofer-Treitler neue Wege: Er setzt auf eine Theologie, die der systemischen Geschlossenheit den freien Atem essayistischer Formen vorzieht und nimmt bewusst in Kauf, dass dabei so manche Frage offen bleibt. Schließlich definiert sich "der Mensch durch seine Fragen, nicht durch seine Antworten" (Elie Wiesel).

Die Fragen der Toten

Elias Canetti, Jean Améry, Elie Wiesel Von Wolfgang Klaghofer-Treitler.

Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 2004. 212 Seiten, kt. e 20,40

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