Im Norden von Honduras gehen Großgrundbesitzer brutal gegen Kleinbauern vor. Die Regierung und die Justiz sehen tatenlos zu.
José Omar Pérez war am 11. Mai abends mit seiner Frau auf dem Heimweg von einem Besuch bei Verwandten, als drei bewaffnete Männer aus der Dunkelheit auftauchten und das Feuer eröffneten. Wenige Meter vor seinem Wohnhaus starb der 37jährige in den Armen seiner Frau. Pérez war Präsident der landwirtschaftlichen Kooperative Los Laureles und bereits der 99. Kleinbauer, der in den letzten vier Jahren in der Region Bajo Aguán im Norden von Honduras ermordet wurde.
Das Blei in der Luft am Unterlauf des Aguán Flusses, rund 600 Kilometer nördlich der Hauptstadt Tegucigalpa, ist mit Händen zu greifen und hat Spuren in mancher Häuserfassade hinterlassen. So am ehemaligen Verwaltungsgebäude des Agrarreforminstituts INA in der Nähe der regionalen Metropole Tocoa, wo in den letzten Jahren ein florierendes Agrarunternehmen entstanden ist, das mehreren hundert Familien eine solide Existenzgrundlage bietet. Von den Einschüssen in der Hauswand sind manche so tief und breit, dass man den Daumen darin versenken kann. Eine Frau wurde dort im Frühjahr 2011 lebensgefährlich verletzt.
Spuren der Gewalt
Die da auf wehrlose Frauen geschossen haben, waren die privaten Schutztruppen des Agrarindustriellen Miguel Facussé, die auf der anderen Straßenseite ihren Posten haben. Ins Visier nehmen sie nicht etwa wilde Landbesetzer, sondern Bauern, die vom Agrarreforminstitut (INA) eine Plantage bekommen haben. César Ham, dem Direktor des INA im Ministerrang, ist die Hilflosigkeit in seinen Gesten anzusehen. "Die Lage ist wirklich beklagenswert“, seufzt er. Erst wenn außer den staatlichen Sicherheitskräften niemand Waffen trage, könne die Agrarreform in geordnete Bahnen gelenkt werden. Die Bauern sollen nicht nur Zugang zu Land bekommen, sondern auch Kredite, Zugang zur Technologie und zum Markt. Eine allgemeine Entwaffnung wurde Anfang dieses Jahres von der Regierung verordnet. Trotzdem hat das Morden nicht aufgehört.
Alle Bauern, die im Bajo Aguán ermordet wurden, waren in einer der Bewegungen organisiert, die seit Jahren um Land kämpfen. Die MUCA, Vereinigte Bauernbewegung des Aguán, der auch José Omar Pérez angehörte, ist eine dieser Bewegungen, die sich seit 15 Jahren für ein Stück Land einsetzt, das längst an die Bauern überschrieben werden sollte. Das Aguán-Tal, so der ehemalige Bauernführer Marvin Ponce, der jetzt als 2. Präsident der Nationalversammlung fungiert, ist eigentlich Agrarreformland: "Anfangs ließ sich dort die Truxillo Banana Company aus den USA nieder. Das Land wurde Ziel einer neuen Kolonisierung. 10.000 Familien aus dem Süden wurden damals angesiedelt“. Tocoa galt in den 1970er und 1980er Jahren als die Hauptstadt der Agrarreform.
Agrarreformland durfte weder geteilt noch verkauft werden. Dann kam der neoliberale Umschwung Anfang der 1990er Jahre und Präsident Rafael Leonardo Callejas drückte ein sogenanntes Agrarmodernisierungsgesetz durch. Agrarreformland durfte jetzt verkauft werden. Viele Genossenschaften standen bei den Banken in der Kreide, weil ihre Produktion die Rückzahlung der Hypotheken noch nicht erlaubt hatte. Für Marvin Ponce war das der Sündenfall: "Dieses Gesetz machte Land zur Ware. Die Weltbank gab den Großgrundbesitzern Kredite, mit denen sie das Genossenschaftsland aufkauften. Die Spielregeln, dass die Generalversammlung der Genossenschaft geschlossen zustimmen und das INA grünes Licht geben musste, wurden meist nicht eingehalten. Außerdem zahlten die Agroindustriellen nicht einmal die 30 Prozent-Steuer an den Fiskus“.
In der MUCA organisierten sich zunächst jene Bauern, die den Verkauf verweigerten, später auch die Söhne und Töchter jener, die gutgläubig verkauft hatten und bald merkten, dass das Geld aus dem Erlös nicht lange reichte. Sie begannen Land, das von rechtswegen nie an Großindustrielle hätte verkauft werden dürfen, zu besetzen. Präsident Manuel Zelaya erließ schließlich ein Dekret, in dem er die Enteignung der Großgrundbesitzer im Aguán verfügte. Kurz bevor das Dekret in Kraft treten konnte, wurde Zelaya am 28. Juni 2009 weggeputscht. Nach den Wahlen vom November 2009 wurden Plantagen besetzt, vor allem Land des reichsten Mannes im Land: Miguel Facussé, einem der Drahtzieher des Putsches. Präsident Porfirio Lobo, musste verhandeln. Die Bauern bekamen 3000 Hektar Palmplantagen unter der Bedingung, dass sie 28 besetzte Kooperativen mit insgesamt 20.000 Hektar räumten. Nach drei Monaten sollten sie weitere 3000 Hektar Brachland bekommen und schließlich nochmals 5000 Hektar.
Ungesühnte Morde
Miguel Facussé aber spielte nicht mit. Er verlangt eine riesige finanzielle Ablöse für rund 7000 Hektar Land. Und die Regierung? Sie hat ihre Zusagen bis heute nicht eingehalten. Auch gegen die paramilitärischen Truppen im Sold der Großgrundbesitzer ist sie nie ernsthaft eingeschritten. Die Polizei richtete ihre Aufmerksamkeit vielmehr auf die Bauern und suchte die Waffen bei ihnen. "Jeder weiß, dass die Waffen in Händen der privaten Sicherheitstrupps der Großgrundbesitzer sind und bei den kriminellen Banden“, sagt INA-Direktor Ham resignierend.
Die Polizei läuft im Aguán mit Kriegswaffen ausgerüstet herum. Sie beteiligt sich zwar willig, wenn es darum geht, Landbesetzer zu vertreiben. An die Privatarmeen der Großgrundbesitzer wagt sie sich aber nicht heran.
Die Morde an den Bauern blieben ungesühnt. "In keinem einzigen Fall ist es zur Anklage gekommen“, sagt César Ham, "Die Täter wurden nicht ausgeforscht. Ich bedauere, dass von Seiten der Staatsanwaltschaft und des Innenministeriums so wenig politischer Wille gezeigt wird, die Täter und deren Auftraggeber dingfest zu machen“. Die Honduraner werden im November ein neues Parlament und den Nachfolger von Präsident Porfirio Lobo wählen. Wer auch immer gewinnt: nichts spricht dafür, dass sich an den tatsächlichen Machtverhältnissen im Norden etwas ändert.