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Die wiederhergestellte Karwoche

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Die Karwoche ist das Zentrum des Kirchenjahres, in ihr werden die Herzgeheimnisse unseres Glaubens liturgisch gefeiert, die Tatsache unserer Erlösung im Tod und in der Auferstehung unseres Herrn. Die kultische Gegenwärtigsetzung überantwortet die Christen dem Schicksal ihres Meisters: sie sind dazu verhalten, das mystisch Erlebte in den Ernst eines ethischen Vollzuges umzusetzen. Dem christlichen Kult kommt instrumentale und mediale Bedeutung zu: durch ihn allein können wir mit unserem „Hohenpriester nach der Ordnung des Melchisedech“ in Heilskontakt bleiben und an seinem Leben Anteil nehmen, das „ewige Leben“ ist uns durch Auferweckung am letzten Tage garantiert, die Erweckung, nicht zum Gerichte, sondern zur endgültigen „Rechtfertigung“ aus Gnade.

Das Dekret „maxima redemptionis nostrae rcparationis mysteria“. das die Ritenkongregation am 16 November 1955 publizierte, schuf einen ordo hebdomadae sanctae restauratus und will, wie der Name sagt, als ein Anschluß an ältere und älteste Traditionen verstanden werden, so „revolutionär“ diese Verfügung angesichts unserer unmittelbaren Traditionen auch wirken mag. Kein Archaismus sollte mit diesem mutigen Schritt gesetzt werden, keine Revolution sollte“ stattfinden. Feste Traditionen finden eine organische Weiterbildung. Die Liturgie ist nicht unveränderlich, sie enthält nur einen kleinen, wenn auch entscheidenden Kern, der auf den Mandaten des Herrn selbst beruht. Alle weitere Gestaltung der liturgischen Form ist der vom Geist geleiteten Kirche überantwortet, die in der Geschichte steht und deshalb nach pasto-ralen, aber auch nach grundsätzlichen Gesichtspunkten theologischen Verständnisses, an der zeitgerechten Weiterformung des Kultes arbeitet. Traditionalisten, die zeitlose Starrheit als Hauptmerkmal der Kirche ansehen, werden vielleicht enttäuscht und beunruhigt sein. Das willige Kirchenvolk wird sich bald mit den neuen Formen befreunden, die Avantgarde der liturgischen Bewegung wird die Neuerungen mit großer Freude und Genugtuung begrüßen, wenn freilich diese zentrale Reformtat noch sicher nicht als Abschluß dessen gewertet werden darf, was wir von Rom zu erwarten haben.

Der neue Ordo muß heuer unter großer Beteiligung und inniger aktiver Anteilnahme des christlichen Volkes (nicht nur kleiner intellektueller Zirkel) begangen werden. Das Vertrauen, das die Hirten der Kirche in ihre Gemeinde setzen, darf nicht durch Interesselosigkeit enttäuscht werden, die „Revolution“ von oben muß gelingen, wenn nicht ein schwerer Rückschlag in den liturgischen Bestrebungen eintreten und das Reformwerk zum Erliegen kommen soll. Vielleicht wird das schönste Geschenk des gläubigen Volkes an den nun achtzigjährigen greisen Papst die äußerlich massenhafte, innerlich aber zutiefst interessierte Anteilnahme an der erneuerten Karwochenliturgie sein.

Die Gottesdienste haben geänderte Zeitansätze (nachmittags, abends, nachts). Das bedeutet nicht nur einen praktischen pastoralen Vorteil und ermöglicht die Teilnahme der Berufstätigen und damit vor allem der Männerwelt, sondern greift auch organisch auf jene Zeitpunkte zurück, die historisch von Bedeutung sind. Jesus hat das Abendmahl abends begangen (Gründonnerstag), Jesus ist für unser aller Heil in den Nachmittagsstunden gestorben (Karfreitag). Jesus i s t in der Nacht von den Toten auferstanden (Karsamstag). Der neue Ordo sieht ferner die intensive Betätigung des Volkes vor. Die Prozession „Palmsonntag“ soll keine Klerus-, sondern eine Volksprozession sein. „Alle antworten“ (dem Zelebranten), heißt es an einer Stelle des Ordo. In der Kommunionfeier des Karfreitags (neu!) soll alles Volk kommunizieren. Die Tauferneuerung der Karsamstagliturgie verlangt, in Frage und Antwort, die aktive Teilnahme des Volkes. Ferner taucht zum ersten Male im offiziellen Ritus der Gebrauch der Landes- und Volkssprache auf (in eben diesem Tauferneuerungsritus); wohl ein Hinweis darauf, daß diese Bresche in die bisher ausschließlich lateinische Liturgie in Zukunft (aus den gleichen pastoralen Gründen) noch erweitert werden dürfte.

Im einzelnen stellt sich die Karwochenliturgie folgendermaßen dar: Der Palmsonntag (jetzt auch „2. Passionssonntag“) läßt die bisher überwuchernden Weihegebete der „Palmzweige“ zurücktreten und konzentriert alle Aufmerksamkeit auf die große Volksprozession, die womöglich von einer Statio ausgehen soll. Die Epiphanie des Davids- und Gottessohnes in seiner Stadt, dem neuen Jerusalem, das Kommen der Königsherrschaft Gottes im vom Kreuze herab herrschenden Christus ist der theologische Inhalt der Feier (zur gewohnten Zeit).

Der Gründonnerstag in coena Domini zeigt als Neuheit die morgendliche Missa christmatis (in Kathedralen) mit neuem Text, während der die heiligen Oele konsekriert werden. Abends (Beginn 17 und 20 Uhr) feiert der Flarrer mit seinen Klerikern und dem gesamten Volk die Gedächtnismesse des Abendmahls (alle kommunizieren); in jeder Pfarre kann die Fußwaschung stattfinden (bisher Bischöfen und Aebten reserviert). Die Opferliebe dessen, der nicht gekommen war, um sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und Sein Leben als Lösegeld „für die Vielen“ hinzugeben, bildet den geistigen Hintergrund der Feier.

Der Karfreitag (nicht mehr „in para-sceve“ — Rüsttag, nämlich auf den großen Ostersabbat, sondern „in Passione et morte Domini“) konzentriert alles auf die „adoratio crucis“, an der alles Volk teilnehmen soll (neue Form). Die irreführende missa praesanetifica-torum weicht einem einfachen und einprägsamen Kommunionsritus (alle sprechen das Pater noster). Auch das Volk (!) wird zur Eucharistie zugelassen und aufgefordert.

Die Feier der O s t e r v i g i 1 (frühestens abends, am besten nachts), wie schon fakultativ, e:iperimentativ in den letzten Jahren, wird vorgeschrieben. Die Osternacht erstrahlt im Glanz der großen Christuskerze, das Exultet verkündet den Triumph des Lebens über Sünde, Gesetz, Satan und Tod. Taufwasserweihe, Taufe, Tauferneuerung aller stellt die Wiedergeburt „von oben her“ in den Mittelpunkt des Christen-Icbens. In der Vigilmesse ist der Auferstandene „mitten“ unter uns „bis ans Ende der Welt“.

Die populären, paraliturgischen Elemente (hl. Grab, Auferstehungsprozession) sind weiterhin möglich (letztere nächtens oder sonntags-morgens), stehen aber immer mehr zurück. Die L i t u r g i e ist wieder „Volksaktion“ geworden.

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