Dienend, hörend und Missionarisch

19451960198020002020

thomas sternberg ist neuer Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Ein Gespräch mit dem "obersten laien" Deutschlands.

19451960198020002020

thomas sternberg ist neuer Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Ein Gespräch mit dem "obersten laien" Deutschlands.

Werbung
Werbung
Werbung

Thomas Sternberg, Leiter der Akademie Franz-Hitze-Haus in Münster und CDU-Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen, ist Ende November überraschend klar zum neuen Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), dem höchsten Gremium der katholischen Laien in Deutschland, gewählt worden. Was hat Sternberg in den nächsten Jahren vor, und was sagt er zu den aktuellen politischen Herausforderungen?

Die Furche: Sie sind im ersten Wahlgang und mit einem klaren Ergebnis zum Nachfolger von Alois Glück gewählt worden. Wollen Sie seinen Kurs fortsetzen?

Thomas Sternberg: Ich möchte tatsächlich den erfolgreichen Kurs von Alois Glück fortsetzen und hoffe, dass ich das schaffe oder sogar noch ausbauen kann. Für mich bedeutet das eine klare Positionierung des Zentralkomitees als politisch-gesellschaftliche Größe, nicht als innerkirchliche Opposition.

Die Furche: Sie kritisieren, dass das ZdK sich in letzter Zeit zu sehr um die Pastoral und die Deutsche Bischofskonferenz sich zu sehr um Politik gekümmert hat.

Sternberg: Die Bischöfe können sich schnell über Bioethik und -politik verständigen, aber nicht so schnell über die Frage, ob wiederverheiratete Geschiedene wieder zur Kommunion zugelassen werden sollen. Wir vom ZdK erzielen schnell eine Einigung in Grundfragen der Ökumene, aber weniger schnell in zentralen politischen Fragen. Für Seelsorge und Pastoral sind aber die Bischöfe primär zuständig, und wir Laien haben eine besondere Kompetenz für politische Fragen, auch vom Konzil her.

Die Furche: Bischofskonferenz und Zentralkomitee sollten also ihre Kräfte bündeln?

Sternberg: Wir können viele Fragen gemeinsam angehen, und manche müssen sicher getrennt behandelt werden. Die Kirche muss mit einer klaren, eindeutigen Stimme wahrnehmbar werden -und wenn möglich auch ökumenisch.

Die Furche: Jahrelang haben Bischöfe und Zentralkomitee einen Dialogprozess organisiert, der kürzlich in Würzburg zu Ende gegangen ist. Kann und soll er weitergehen, und wenn ja, wie?

Sternberg: Der Dialogprozess wird weitergehen und weitergehen müssen. Wir werden keine große, bundesweite Synode brauchen, aber wir brauchen Formen mit klaren Vorgaben und nachprüfbaren Ergebnissen.

Die Furche: Grundsätzlich fordern Sie synodalere Formen auch für das ZdK.

Sternberg: Papst Franziskus will die Ortskirchen stärken. Sobald konkret geschieht, dass die Deutsche Bischofskonferenz aufgewertet wird, ist das ein entscheidender Moment. Dann wird sich ganz handgreiflich die Frage stellen, wie man die katholischen Laien in die größere Verantwortung für die Ortskirche einbezieht.

Die Furche: Papst Franziskus hat beim Ad-Limina-Besuch der deutschen Bischöfe vor zwei Wochen eine "Erosion des katholischen Lebens in Deutschland" beklagt und eine "fortschreitende Institutionalisierung" und "übertriebene Zentralisierung" der Kirche in Deutschland kritisiert.

Sternberg: Sicher hat der Papst Recht: Wir erleben die Verdunstung des Glaubens auch in den Kerngemeinden. Allerdings ist dies nicht allein ein deutsches Phänomen. Dass wir seit den 1950er-Jahren in Deutschland eine fortschreitende Fixierung auf die bischöfliche Verwaltung in Gemeinden und Verbänden feststellen können, ist richtig. Wir müssen uns selbstkritisch damit auseinandersetzen und uns noch stärker als dienende, hörende und missionarische Kirche begreifen.

Die Furche: Im Hinblick auf die wiederverheirateten Geschiedenen und die gleichgeschlechtlichen Paare hat das Familienpapier des ZdK viel Staub aufgewirbelt.

Sternberg: Das Familienpapier des ZdK ist ein sehr lesenswerter Text, den ich selbst mit abgestimmt habe. Es war vielleicht etwas unglücklich, drei so verschiedene Segnungen wie die zur Aufnahme von Wiederverheirateten, zur Bekräftigung eines Ehejubiläums und zum Heilswunsch für verbindliche gleichgeschlechtliche Partnerschaften in einem Satz zusammenzubinden. Ich wünsche dem Papier mehr Leser über diesen Satz hinaus.

Die Furche: Ist die große Zuwanderung von Flüchtlingen für Christen und Kirche nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance, der säkularen Gesellschaft zu zeigen, was Christsein ausmacht?

Sternberg: Missionarisch Kirche zu sein, das muss mit dem sozialen Engagement anfangen. Viele katholische Frauen und Männer engagieren sich vorbildlich für die Flüchtlinge, leisten unmittelbare Unterstützung und tragen zur Integration bei. Die Gesellschaft erwartet von uns, dass wir in diesen Fragen zum gesellschaftlichen Konsens beitragen. Christen sehen in denen, die zu uns kommen, nicht unbestimmte Massen oder Gruppen, sondern den je einzelnen Menschen, der eine persönliche Aufnahme verdient. Im "Fremden in deinen Toren" den zu sehen, in dem Christus uns erscheinen kann, das ist die große Botschaft des Neuen Testaments (Mt 25,40) und in Erzählungen wie der Martinsgeschichte immer wieder entfaltet. Die Unterstützung der Flüchtlinge ist nicht nur eine Bewährungsprobe der Hilfe, sondern auch ein Dienst am Zusammenhalt der Gesellschaft, damit nicht Rassismus und dumpfe Fremdenfeindlichkeit überhand nehmen.

Die Furche: Gerade in Ihrer Partei, der CDU, plädieren aber viele für eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen.

Sternberg: Das Asylrecht kennt keine Begrenzung. Die ehedem hohe Zahl an Flüchtlingen, die nicht vor kriegerischen Auseinandersetzungen geflohen sind, ist angesichts der großen Zuwanderung aus Kriegsgebieten zurückgeführt worden. Zum Thema Flüchtlingszahlen gibt es wohl auch im ZdK unterschiedliche Positionen, aber an unserer Hilfsbereitschaft und dem persönlichen Respekt jedem und jeder Einzelnen gegenüber darf es keinen Zweifel geben. Die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel verdient unsere Unterstützung. Wir alle werden ein Weihnachtsfest erleben, an dem die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten eine aktuelle Bedeutung hat.

Die Furche: Wie schätzen Sie die Bedrohung durch den Terrorismus ein?

Sternberg: Der Terror ist der deutliche Hinweis, dass die Probleme der "Einen Welt" bei uns angekommen sind. Dies ist die schlimmste internationale Bedrohung, weil dabei auf eine perfide Weise religiöse Elemente für grausamen Terrorismus ausgeschlachtet werden. Dadurch gerät eine große Religion, der Islam, in Verdacht und in eine Ecke, in die er nicht gehört. Der Terrorismus muss auf allen Ebenen bekämpft werden, vor allem aber durch Bildung und Integration. Wir stärken die Muslime und bekämpfen mit ihnen die Pervertierung ihrer Religion. Die Furche: Also Dialog mit dem Islam?

Sternberg: Das ist eine der wichtigsten aktuellen Aufgaben des ZdK und umfasst sowohl die Feststellung gemeinsamer Überzeugungen und Werte als auch die Abgrenzung gegenüber Terror, Mord und Gewalt. Terror hat nichts mit Glauben zu tun, auch nicht mit dem von Muslimen. Die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung kann man nur durch Bildung und Begegnung ausräumen. Wir werden das Gespräch mit den im Koordinationsrat der Muslime in Deutschland zusammengeschlossenen Verbänden, aber auch mit islamischen Einzelpersönlichkeiten und islamwissenschaftlichen Instituten führen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung