"Dieser Neid, diese Angst"

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Die Psychoanalytikerin Beate Hofstadler über die verschobene Generationenschranke und die Bedürfnisse der Jungen.

Die Furche: Inwiefern unterscheidet sich Ihre Studie von anderen Jugendstudien?

Beate Hofstadler: Sie ist geschlechtsspezifisch und spricht nicht nur von Jugendlichen. Vor allem aber unterscheidet sie sich methodisch. Das Grundprinzip ist die qualitative Sozialforschung, die in diesem Fall psychoanalytisch orientiert ist. Wir haben mit Interviews gearbeitet und gleichzeitig versucht zu verstehen, was bei uns selber im Zuge der Gegenübertragung passiert. Dadurch haben wir ein ganz anderes Verständnis gewonnen und mussten Jugendliche nicht in irgendwelche Schubladen einteilen. Für mich ist es eine Unkultur, ständig von "der" Jugendkultur zu sprechen und dann so zu tun, als gäbe es die Punks und die Techno-Freaks und so weiter. Die gibt es so nicht. Was wir erforschen wollen ist, wie Erwachsene auf Jugendliche reagieren, dieser Neid, diese Eifersucht, diese Angst. Gleichzeitig haben wir ein Zeitalter des Jugendwahns, wo man Mütter von hinten oft von ihren Töchtern nicht mehr unterscheiden kann. Das heißt: Die Generationenschranke hat sich drastisch verändert, und wenn sich heute die Alten mit den Jungen bekiffen und das cool finden, dann haben sie die Abgrenzungen der Jungen nicht respektiert.

Die Furche: Kürzlich haben Erwachsene in Ohlsdorf auf Jugendliche besonders heftig reagiert - indem sie ihnen verboten haben, in der Schule aufreizende Kleidung zu tragen...

Hofstadler: Ich finde das absurd - ähnlich wie früher die Debatte um schwule Jugendliche und den "Schutzparagraphen". Hier geht es nicht um die Jugendlichen, sondern darum, dass sich die Erwachsenen, vor allem Männer, ihren eigenen Triebschutz regeln, indem sie den Jugendlichen sagen: Bringt uns nicht in Versuchung! Für mich ist solche Art von Triebschutz immer zu hinterfragen. Für die jungen Leute selber ist diese Mode einfach ein Ausdruck der Zeit.

Die Furche: Wie wichtig ist den Jugendlichen Mode und gutes Aussehen?

Hofstadler: Es ist ihnen schon wichtig, aber wir haben auch festgestellt, dass wir Erwachsenen dem noch mehr Bedeutung beimessen. Wichtiger für die Jungen sind Freundschaften, Beziehungen und Vertrauen. Dafür lassen sie jedes Label, jede Marke stehen.

Die Furche: Wie gehen Jugendliche mit Begriffen wie Treue um?

Hofstadler: Sehr verschieden. Zumal Beziehungen auch die Wiederholungen dessen sind, was sie als Mädchen und Buben vermittelt bekommen haben. Es gibt immer noch diese kulturellen Zuschreibungen: Wenn Mädchen etwa mit mehreren Burschen Affären haben, sind sie "Schlampen". Wenn die Buben so leben, sind sie nach Erfahrung der Mädchen die "tollen Jungs".

Die Furche: Was waren die größten Unterschiede zwischen den Jugendlichen österreichischer Herkunft und solchen aus Migrantenfamilien?

Hofstadler: Im Grunde waren sie geringer, als ich mir gedacht habe. Vor allem türkisch-kurdische Mädchen erleben aber die Diskrepanz, dass sie als Mädchen die Ehre der Familie tragen, während "die Buben sich mit Österreicherinnen vergnügen". Aber dann wollen sie "eine türkische Jungfrau" heiraten. Die Mädchen sagen, sie hätten genauso Lust dazu, aber sie dürfen nicht und müssen mit diesem Triebverbot zurechtkommen. Das ist schon konflikthaft.

Die Furche: Inwiefern haben die Jugendlichen Ängste vor der Zukunft - etwa was ihre Arbeit betrifft?

Hofstadler: Hier war für mich zweierlei auffallend: Zum einen haben die Mädchen irrsinnig viel davon geredet, wie wichtig für sie Ausbildung und Beruf ist - viel mehr als die Buben. Man kann sich nun fragen, ob das für die Buben so selbstverständlich ist, dass sie gar nicht mehr darüber reden brauchen. Aber es war schon sehr deutlich. Zum zweiten merkt man gerade in diesem Bereich sehr stark, wer zu Hause gefördert wird und wer nicht. Das Ich ist ja ein vermitteltes: Über männliche und weibliche Bezugspersonen wird mir vermittelt, wer ich bin und was ich bin - und damit identifiziere ich mich.

Die Furche: Was brauchen Jugendliche demnach heute von Erwachsenen am dringendsten?

Hofstadler: Verständnis - und dass man sie als das sieht, was sie sind. Dass man ihnen nicht ständig die eigenen Projektionen überstülpt, sondern ihnen zuhört, was sie selber denken. Das beste Beispiel ist die leidige Internet-Debatte, wo "die Alten" immer sagen: Die Jungen gehören vor dieser Informationsflut geschützt. Aber es sind die Alten selbst, die damit nicht mehr zurechtkommen.

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