Dietrich Bonhoeffer dem Vergessen entrissen

Werbung
Werbung
Werbung

Dietrich Bonhoeffer, der 1945 ermordete protestantische Theologe und Widerstandskämpfer, wäre vermutlich aus der Erinnerung verschwunden, hätte nicht Eberhard Bethge - sein Schüler, Freund, Weggefährte und Verwandter (Renate, Bethges Frau, war eine Nichte Bonhoeffers) - ihn beharrlich und engagiert dem Vergessen entrissen.

1952 veröffentlichte Bethge Texte von Bonhoeffer, die dieser aus der Haft an den Freund gesandt hatte, unter dem Titel "Widerstand und Ergebung": Diese Sammlung - darunter das berühmte Neujahrsgedicht 1945 "Von guten Mächten" - wurde und wird weltweit gelesen. Bethge betreute auch den anderen Nachlaß Bonhoeffers. Auch mehrere Bonhoeffer-Biographien (darunter die rororo-Monographie aus 1976) stammen aus Bethges Feder, der nach dem Krieg zunächst Assistent des Berliner Bischofs Otto Dibelius war, dann als Auslandspfarrer nach London ging und danach bis 1976 in der Rheinischen Kirchenleitung tätig war. Nach seiner Emeritierung hatte er Gastprofessuren in den USA und Deutschland inne.

Der 1909 geborene Bethge war nur drei Jahre jünger als Bonhoeffer. 1935 trat er in das von von Bonhoeffer geleitete Predigerseminar Finkenwalde (Pommern) der Bekennenden Kirche, der NS-kritischen Bewegung im deutschen Protestantismus, ein. Ein Jahr später wurde er zum Pfarrer ordiniert. Zu Bonhoeffer entstand tiefe Freundschaft, Bethge wurde zum engsten Mitarbeiter. Nach dem 20. Juli 1944, dem mißglückten Attentat auf Hitler, wurde Bethge, der damals an der italienischen Front war, verhaftet und nach Berlin gebracht: die einmarschierenden Sowjets befreiten ihn am 25. April 1945. 14 Tage zuvor war Bonhoeffer im KZ Flossenbürg ermordet worden.

Neben seiner Lebensaufgabe, das Gedächtnis an Bonhoeffer wachzuhalten, war Bethge - auch dies in der Nachfolge des ermordeten Freundes - auch darum zu tun, das Verhältnis von Christen und Juden zu reflektieren und zu verbessern. Gerade das Schweigen des deutschen Protestantismus zur Judenverfolgung hat auch Bethge thematisiert: Die Bekennende Kirche selbst hatte 1934 in der "Barmer Erklärung", in der sie sich gegen die mit den Nationalsozialisten kollaborierenden "Deutschen Christen" abgrenzte, kein Wort zur Judenverfolgung verloren. Bethge hat, etwa in seinen Erinnerungen "In Zitz gab es keine Juden" (1989), einbekannt, daß auch ihm selbst die Problematik des christlichen Antijudaismus erst langsam bewußt geworden war. Aber Bonhoeffer hatte, wie Bethge wiederholt berichtete, schon 1935 im Finkenwalder Predigerseminar den angehenden Pfarrern, die von den Schönheiten alter Liturgie gefesselt waren, ja eingetrichtert: "Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen".

Am 18. März ist Bethge 90jährig bei Bonn verstorben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung