Werbung
Werbung
Werbung

Sie hat einen Sohn - und ist Dominikanerin. Er ist Großvater von14 Enkeln und steht einer Pfarre im Marchfeld vor.

Sollte ich irgendwann einmal Witwe werden, dann komme ich als Ordensfrau hierher". Diesen Satz hat Elisabeth Deifel vor Jahren einmal gesagt. Damals war die Mutter eines Sohnes glücklich verheiratet und unterrichtete an der AHS der Dominikanerinnen im 13. Wiener Gemeindebezirk. 1995 starb ihr Mann an einer seltenen und heimtückischen Immunerkrankung. Ihre Welt brach zusammen; drei Jahre lang hatte sie das Gefühl, man hätte ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Bei den Klosterschwestern im Dominikanerinnen-Konvent in Wien-Hacking und vor allem beim Stundengebet, das sie dort regelmäßig besuchte, fand sie in dieser Zeit großen Trost.

Schwester Katharina

Vor mittlerweile drei Jahren hat Elisabeth Deifel, heute Schwester Katharina, um Aufnahme in die Ordensgemeinschaft gebeten. Die Priorin des Klosters, Schwester Rosaria Hora, nahm sie mit großer Freude auf. Die Aufnahme von Witwen hat in den so genannten "alten Orden" eine lange Tradition und wird von Schwester Rosaria durchwegs positiv gesehen. Für sie sind diese Frauen vor allem menschlich eine Bereicherung. Doch das Erkennen und Anerkennen der Berufung in den Ordensstand war für Schwester Katharina ein längerer Prozess.

Als ganz kleines Mädchen hätte sie sich vorstellen können, Klosterschwester zu werden, auch wenn ihr Elternhaus eher bürgerlich als katholisch geprägt war. Dann studierte sie Philosophie - und erlebte die "wilden 68er" sehr intensiv. Sie war beeindruckt von den neomarxistischen Kreisen Frankfurter Prägung und bekannte sich zum Atheismus. Erst durch ihren - wie sie sagt "sehr charmanten, feschen und sehr katholischen" - Mann erlebte sie in ihrer Ehe eine Bekehrung. 1972 kam Sohn Christian zur Welt. Die AHS-Lehrerin war einige Jahre lang ganz Hausfrau und Mutter. Ihr Mann ermunterte sie schließlich, Theologie zu studieren. Ihr Philosophie-Studium hatte sie mit einem Doktorat über die Transzendentalphilosophie Kants und Fichtes sub auspiciis abgeschlossen, ihr Theologiestudium mit Schwerpunkt Neuem Testament beendete sie mit Auszeichnung.

Doch die wohl schwerste Prüfung in ihrem Leben war der Tod des geliebten Mannes. Für fast drei Jahre fiel sie - wie sie es nennt - "in ein schwarzes Loch". Heute sagt sie rückblickend, dass es spirituell ausschlaggebend sei, die sich aufdrängende Frage nach dem "Warum?", die ein Auflehnen gegen Gott impliziert, gegen die Frage nach dem "Wozu?" auszutauschen. Erst dieser Schritt ermögliche einen neuen konkreten Handlungsauftrag - und einen neuen Lebensweg.

Für Elisabeth Deifel war dieser neue Lebensweg die Bitte um Aufnahme in den Orden der Dominikanerinnen. Nach mehr als 25 Jahren Ehe hätte sie es sich nicht vorstellen können, einen anderen Mann zu heiraten. Und da sie sich als "keine Freundin von Halbheiten" bezeichnet, war der Weg ins Kloster für sie der nächste, logische Schritt in ihrem (Glaubens-)Leben. Das Ordenskonzept des Ordo Praedicatorum -vulgo Dominikanerordens - das Arbeiten und Beten, schien und scheint ihr "ein geradezu maßgeschneiderter Rahmen für ihren persönlichen Weg". Nie - so sagt sie - hätte sie sich so frei gefühlt. Armut, Keuschheit und Gehorsam seien für sie nicht Selbstzweck, sondern Hilfen, für Gott und die Mitmenschen freier zu werden. Schwester Katharina unterrichtet Erziehungswissenschaften und Theologie an der Akademie der Erzdiözese, leitet Laiengruppen und organisiert Exerzitien und Bibelrunden. Sie hofft, anderen nicht nur durch ihre theoretischen Studien, sondern vor allem durch ihre Lebenserfahrung als Ehefrau und Mutter sowie durch die leidvolle Erfahrung der Sterbebegleitung des eigenen Mannes Unterstützung und Hilfe zu sein.

Elisabeth Deifel wählte die Heilige Katharina von Siena zu ihrer neuen Namenspatronin. Von dieser in ihren Augen vorbildlichen starken Frau, die sich nicht untergeordnet hat und ihr Frausein gelebt hat, möchte sie sich inspirieren lassen. Von der heiligen Katharina von Siena möchte sie auch ein fraulicheres, weiblicheres Bild der Kirche ableiten, das viele ansprechen soll.

Schwester Katharina Deifels Sohn Christian arbeitet in einer Bank in Wien und bezeichnet sich selbst als "nicht unbedingt frommen Katholiken". Die Mutter hatte sein Studienende und die Fixanstellung abgewartet, ehe sie ihre Entscheidung endgültig fällte. Heute braust der 29-Jährige immer wieder mit seinem Motorrad nach Wien-Hacking, um seine Mutter zu besuchen. Eine Mutter als Klosterschwester? Ihre Entscheidung war für ihn anfangs in erster Linie ungewöhnlich. Nach dem Vater meinte er, nun auch die Mutter für immer zu verlieren. Auch das Umfeld reagierte unterschiedlich: die Palette reichte von absolutem Unverständnis bis zu großer Zustimmung. Christian Deifel merkte und merkt nur, dass seine Mutter, die durch den Tod des Mannes in tiefe Depressionen verfallen war, wieder glücklich war - und ist.

Herr Pfarrer

Szenenwechsel. Vom großen Park des Dominikanerinnen-Klosters in Wien-Hacking nach Engelhartstetten in Niederösterreich. Die Vögel zwitschern, es riecht nach frisch geschnittenem Gras. Mütter schieben Kinderwägen auf der wenig befahrenen Dorfstraße. Die Sonne steht schon tief, als die Kirchenglocken zur Abendmesse rufen. Pfarrer Christoph Ledebur zelebriert mit seiner Gemeinde das Patrozinium.

Seit 1994 betreut der 68-Jährige den Pfarrverband Engelhartstetten, Loimersdorf und Stopfenroith.

Auch die Geschichte der Berufung von Christoph Ledebur ist in der heutigen Zeit ungewöhnlich, denn Christoph Ledebur ist vierfacher Vater. Seine Frau starb, als die jüngste Tochter wenige Monate alt war. Zunächst wollte der gutaussehende Mann "das Ganze ungeschehen machen, auf Brautschau gehen und so schnell als möglich wieder heiraten". Aber er merkte auch, dass der unerwartete, so plötzliche Tod der geliebten Frau ein sehr persönlicher Anruf Gottes an ihn war: "Glaubst du jetzt noch, dass ich der Liebe Gott bin?" Christoph Ledebur nahm - nur wenige Tage nach dem Tod der Frau - diesen Anruf Gottes an. Die Verzweiflung, so sagt er, war weg - die Trauer blieb.

Die Erziehung der Kinder und die Sorge um den landwirtschaftlichen Betrieb waren in der nächsten schwierigen Zeit vorrangig. Nie hätte Christoph Ledebur damals an eine Weihe zum Priester gedacht. Aber er war im Pfarrgemeinderat, Lektor, dann Kommunionspender. Seine älteste Tochter wünschte sich einmal zu Weihnachten, dass er Diakon würde. Als auch der Ortspfarrer denselben Wunsch äußerte, machte er den Fernkurs und wurde 1988 zum ständigen Diakon geweiht. Er arbeitete als Krankenhausseelsorger in Linz und mit den Behinderten in Hartheim. Innerhalb kurzer Zeit heirateten alle vier Kinder, und er übergab dem ältesten Sohn die große Landwirtschaft. Dann trat er ins Priesterseminar in Wien ein.

Schritt für Schritt, so sagt er, war Christoph Ledebur nach dem plötzlichen Tod seiner Frau Gottes Führung gefolgt. "Das klingt so nüchtern. Aber die Berufung erfolgt im Gebetsleben, die Führung geht durch das konkrete Leben", sagt der Priester heute.

Pfarrer Christoph Ledebur war Ehemann; und er ist Vater und mittlerweile 14-facher Großvater. Ein Pfarrer also, der das Ehe- und Familienleben kennt. Doch Christoph Ledebur möchte dieses Faktum nicht überbewertet sehen. Es sei wichtig in der Einzelseelsorge, nicht in der Pfarrarbeit. Die Hochzeiten und Taufen seiner eigenen Kinder und Enkelkinder - die teilweise im Ausland leben - sind für den früheren Diakon und jetzigen Pfarrer ein signifikantes Zeichen: Bei den Hochzeiten stand für beide Seiten nie zur Diskussion, dass er als Traupriester fungieren würde. Anders die Taufen, die in ihm als Sakramentenspender berührende Erinnerungen wachrufen. Trotz des innigen Verhältnisses zu seinen Kindern habe er oft lieber mit "Wildfremden" zu tun, weil man da gleich auf den Punkt kommen könne und es keine zwischenmenschliche Vorgeschichte einzubeziehen gäbe. "Der Prophet gilt im eigenen Land halt immer wenig", sagt er lachend.

Zwei Bibelstellen waren für Christoph Ledebur seit dem Tod seiner Frau bis heute ausschlaggebend: Die eine besagt, dass man sich bisher selbst gegürtet habe und hingegangen sei, wohin man wollte. Von nun an aber solle man die Hände ausstrecken und würde dahin geführt, wohin man nicht gehen wolle.

Die zweite ist das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Der Pfarrer von Engelhartstetten sieht sich als jenen Arbeiter, den Gott als allerletzten anheuert - und der offensichtlich nicht "erste Wahl" sondern übriggeblieben war - und dennoch den gleichen Lohn erhält. Diese Stelle, so sagt er, ziehe sich wie eine Grundmelodie durch alle Zeiten des Zweifelns und schenke ihm Trost und Sicherheit.

Christoph Ledebur ist ein katholischer Priester, der die Freuden und Sorgen des Ehelebens sowie der Vaterschaft - legitimerweise aus eigener Erfahrung kennt. Seine Pfarrgemeinde weiß das zu schätzen. Sein Sohn bezeichnet die Tatsache, dass der Vater zum Priester geweiht wurde, schlicht "als Segen".

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung