Dort, wo Kirchenuhren anders gehen

19451960198020002020

Als einzige Diözese hat Eisenstadt die Aufbruchsstimmung nach dem "Dialog für Österreich" für einen eigenen Dialog genutzt.

19451960198020002020

Als einzige Diözese hat Eisenstadt die Aufbruchsstimmung nach dem "Dialog für Österreich" für einen eigenen Dialog genutzt.

Werbung
Werbung
Werbung

Der Bischof schaut auf die Uhr. Normalerweise kein gutes Zeichen für das Gegenüber, doch beim Eisenstädter Bischof Paul Iby ist das anders. Wenn Iby auf seine Uhr sieht, erinnert ihn diese daran, dass "er bereit sein soll zum Gespräch". An Ibys Handgelenk hängt nämlich eine "Dialog-Uhr", eine Armbanduhr mit dem Dialogsignet auf dem Zifferblatt. Dialog, andernorts in der Kirche ist dieser Begriff zum Unwort geworden, faul und madig; andernorts wird dieser Begriff von Bischöfen nicht mehr in den Mund genommen, ist man froh, dass die Unruhe, die Fragen, die Visionen und Träume rund um den "Dialog für Österreich" wieder der Stille, den unwiderruflichen Antworten, der Enge und Einzementierung gewichen sind.

Auch er habe Angst gehabt, es werde einmal der Moment kommen, wo man das Wort Dialog nicht mehr hören kann, gibt Iby zu. "Aber dieser Zeitpunkt ist nicht eingetreten", fährt der Bischof fort, lächelt und sagt verschmitzt: "Ganz im Gegenteil, wir sind immer mehr auf den Geschmack gekommen." Das Burgenland - nicht nur der Chronometer des Diözesanbischofs - tickt eben auch da anders. Als einzige Diözese hat Eisenstadt die Aufbruchsstimmung nach der Delegiertenversammlung in Salzburg im Oktober 1998 genützt und "einen konkreten Weg zu gehen versucht, der den Dialog als pastorale Herausforderung und Chance erkannte". Der "Dialog für Burgenland" war geboren. Zweieinhalb Jahre später wird am kommenden Samstag der aus dem Dialogprozess und rund 1.600 Eingaben entstandene Maßnahmenkatalog der Öffentlichkeit präsentiert. Kein Ende des "Dialogs für Burgenland", weist Bischof Iby etwaige Spekulationen zurück, sondern eine Zwischenstation, ein kreatives Innehalten, um die vielen Anliegen sinnvoll in das diözesane Gesamtkonzept integrieren zu können.

"Wir wollen den Dialog nicht stoppen", Iby greift an seine Armbanduhr und rückt diese am Handgelenk wieder zurecht. "Jetzt geht es in die zweite Phase, die gewünschten Maßnahmen müssen ja auch einmal umgesetzt werden", erklärt der Bischof. Wieviel Zeit ist dafür vorgesehen, gibt es eine Kontrolle? Bis 2004 soll die Umsetzung abgeschlossen sein - "jeder Prozess muss ein Ende haben" -, und bischöfliches Anliegen ist es, dass "die Ergebnisse nicht in die Schublade kommen, sondern dass möglichst viel umgesetzt wird".

Erste Frucht des Dialogs: Ombudsmann Eine konkrete Frucht des Dialogs ist bereits die Installierung eines diözesanen Ombudsmanns. Vielfach wurde im Rahmen des Dialogs der Wunsch nach einer zentralen Anlaufstelle im Bischofshof für Anregungen, Wünsche und Beschwerden geäußert. Zwei Monate im Amt kann der Ombudsmann schon auf 40 Kontakte verweisen: kircheninterne Personalfragen, Beschwerden und Wünsche aus den Pfarren, Anfragen zum Kirchenbeitrag, ... Der für zwei Jahre bestellte Ombudsmann ist nicht weisungs- und entscheidungsberechtigt, ist zur Verschwiegenheit verpflichtet, hat eine Mittler- und keine Parteienstellung und kann den Betroffenen Lösungsmöglichkeiten vorschlagen.

Iby sieht auf die Uhr. Für das furche-Gegenüber, mittlerweile mit dem burgenländischen Hausbrauch vertraut, nicht das Signal sich kurz zu fassen, sondern Einladung zur Fortsetzung des Gesprächs, Motivation gleich an berufener Stelle noch einmal nachzufragen. Deshalb: Was aber, Herr Bischof Iby, ist mit jenen Wünschen, Beschwerden, Anregungen die beim "Dialog für Burgenland" von der Kirchenbasis geäußert wurden, die jedoch nicht in Eisenstadt, sondern nur in Rom umgesetzt werden können? Heißt es doch im Maßnahmenkatalog einige kirchliche heißen Eisen betreffend: "Wiederverheiratete Geschiedene dürfen nicht als Christen zweiter Klasse behandelt werden." Das Zugeständnis des Scheiterns und die Gnade des neuen Anfangs seien zu gewähren. Oder beim Thema Priester: "Die Möglichkeit von viri probati soll geprüft werden." Weiters wird der Bischof ersucht, in Rom für die Einführung des ständigen Diakonats für Frauen einzutreten, und die Frage der Weihe der Frau zum Priesteramt soll weiter behandelt werden.

"Dadurch, dass darüber nicht gesprochen wird, ist ein Problem nicht gelöst", stellt Iby klar. "Ich informiere Rom, was an Wünschen, ernst zu nehmenden Sorgen und Anliegen vorgebracht wurde." Aber geht es hier wirklich um ein Informationsproblem? Nach Kirchenvolksbegehren, Dialogveranstaltungen und Diözesanforen dürfte es sich doch bis Rom durchgesprochen haben, wo der Schuh drückt. Iby: "Trotzdem, sie sollen es konkret erfahren." Dass sein Bischof in Rom "keine Bäume ausreißen kann", ist auch Bernhard Dobrowsky, vom "Dialog für Burgenland"-Büro überzeugt. Aber, "je mehr vorsprechen und das verlangen, desto eher wird sich was bewegen", fügt Dobrowsky hinzu. Die Kirche sei ein bunter Haufen, meint der Dialogverantwortliche, da wird sich über kurz oder lang schon was verändern. "Pannonische Gelassenheit" sei das, erklärt Dobrowsky dem "Zugereisten": "Bei uns herrscht ein anderes Verhältnis zur Hierarchie. In Eisenstadt gibt es immer noch den Fürsten - das prägt die Menschen." Diese Gelassenheit habe den ganzen Dialogprozess geprägt, gibt Dobrowsky zu. Die eindeutige Frontstellung, zwischen Kirchenvolksbegehrern und mehr "am Lehramt orientierten Gruppen" - wie sie beim "Dialog für Österreich" deutlich wurde - gab es beim burgenländischen Dialog nicht.

Ganz Österreich schaut auf das Burgenland Zu Demütigungen und Aggressionen sei es deswegen nicht gekommen. Zum einen, weil der Eisenstädter Bischof kein Aggressionspotential erzeugt, meint Dobrowsky. Zum anderen sei das burgenländische Harmoniebedürfnis geltend zu machen, sagt der Burgenländer. Harmonisch heißt aber nicht, dass die Aussagen abgeschwächt wurden, greift Dobrowsky jeder Fehlinterpretation gleich vor. Nur, der Ton macht die Musik. In unserem Maßnahmenkatalog wird weniger gefordert, sondern mehr dazu eingeladen, sich mit diesem und jenem "ernsthaft zu beschäftigen". Ein Tipp zum kircheninternen Umgang miteinander, der nicht nur in der Haydn-Stadt Beachtung finden sollte.

"Ich weiß, dass ganz Österreich auf uns schaut und darauf, was bei uns herauskommt", ist Iby überzeugt. Der Bischof interpretiert den burgenländischen Dialogprozess als eine Art Prototyp für weitere Diözesandialoge. Iby: "Das Positivste wäre, wenn es uns gelingt, dass auch andere Diözesen auf den Geschmack kommen."

Einer, der sich von Sinnhaftigkeit und Effektivität des "Dialogs für Burgenland" selbst überzeugen wollte, war der St. Pöltner Diözesanbischof Kurt Krenn. Um mit den Menschen in den einzelnen Orten besser ins Gespräch zu kommen, wurde ein "Dialogbus" eingesetzt. Ein umgebauter Reisebus, ausgestattet mit Gesprächsecken und Materialien über die Arbeit der Diözese, der Jugend, der Frauen, der Männer, der Caritas und der Kirchenbeitragsstelle war im ganzen Land unterwegs, hat Märkte und Veranstaltungen besucht und die Menschen eingeladen, ihre Wünsche an die Diözesanleitung zu formulieren. Krenn nahm an einer Ausfahrt des Buses teil - das Medieninteresse war enorm, schildert Dobrowsky. Auf die Frage, ob er sich Ähnliches auch in seiner Diözese vorstellen könnte, soll der St. Pöltner Bischof jedoch geantwortet haben, das gehe nur in kleinen Diözesen, seine sei dafür zu groß. Nicht nur die niederösterreichischen Busunternehmen werden sich gewundert haben!

Aber auch der Dialogverantwortliche Dobrowsky gibt zu, dass es für viele einiges an Überwindung gekostet hat, mit dem Bus zu den Menschen zu fahren, Kirche on tour zu sein. "Wie ein Sektierer", bin ich mir vorgekommen, sagt Dobrowsky. Doch gerade das Hinausfahren, das den Menschen nachgehen sei enorm wichtig und schlussendlich erfolgreich gewesen. Dobrowsky: "Wir müssen von unserer saturierten, passiven Haltung wegkommen." Die Burgenländer haben dafür auch die besten Voraussetzungen. Ana Schoretits, Pressesprecherin der Diözese, ist der Meinung, dass die Burgenländer durch das Leben an der Grenze gelernt haben, mit anders sprechenden Menschen in Dialog zu kommen. "Wir streiten nicht, wir machen mehr", charakterisiert die kroatische Burgenländerin die Burgenländer.

Geschriebenes in Taten umsetzen Und zu machen und umzusetzen gibt es laut Maßnahmenkatalog jetzt auch einiges: Arbeitshilfen erstellen, Entscheidungsstrukturen überprüfen, Mitarbeiterförderung, die Lebensrealität verstärkt in die Gottesdienste einbeziehen, das christliche Zusammengehörigkeitsgefühl über Grenzen und Kulturen hinweg stärken, ...

Dabei wird das Anliegen 606 im Maßnahmenkatalog der Knackpunkt für den ganzen Dialog sein: "Geschriebenes in Taten umsetzen. Es ist schon so viel da, das nicht ausgeführt wird." Denn obwohl alle Befragten, angefangen vom Diözesanbischof, betonen, dass durch den Dialogprozess allein schon sehr viel Positives passiert ist - dass die Gespräche zwischen Kirche und Politik, Kirche und Gesellschaft, und auch kirchenintern intensiviert wurden, Versteinerungen aufgebrochen sind, lange unausgesprochene Störungen im Dialog bereinigt werden konnten -, wird es das entscheidende Kriterium für den Erfolg des Dialogs sein, die konkreten Maßnahmen umzusetzen.

Auf burgenländische Weise den Dialog führen, nannte Bischof Iby am Anfang des Gesprächs das Ziel, das mit dem "Dialog für Burgenland" ins Auge gefasst wurde. Was das heißen kann, erklärt Bernhard Dobrowsky, gefragt nach seinen Assoziationen, wenn er auf die "Dialoguhr" schaut: "Sich Zeit nehmen für andere und wissen, dass es auch eine andere Zeit gibt."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung