Du bist frömmer, als du glaubst

Werbung
Werbung
Werbung

Salzburgs "Europäische Akademie der Wissenschaften" hat nun ein "Forum für Glaubende und Nichtglaubende" - mit einem prominenten Namensgeber: "Kardinal-König-Institut".

Theologen werden sich aus den Banden ihrer tausendjährigen Arroganz, ihres tausendjährigen Konkurrenzneides, der Inviduen, ihrer tausendjährigen Hass-Produktionen nur befreien können, werden also selbst freie Menschen, Gotteskinder werden können, wenn sie täglich dies in ihr Wissen, ihre Gewissensbildung, ihre durch so viele Pubertäten behinderte eigene Menschwerdung einbringen: ihre Standortbestimmung, ihr Stehen vor den Feuern, die sie selbst anzünden, selbst angezündet haben, durch theologische Konzeptionen zwischen Johannes und Pius XII., die Menschen und Bücher verbrennen. Der permanenten Versuchung, mit diesen Feuern zu spielen, kann auf Dauer nur widerstanden werden, wenn auch Theologen wissen, was heute viele Weltkinder wissen: dass wir vor den Feuern der Vernichtung stehen." Kein geringerer als Friedrich Heer notiert dies in einem Vortrag im Jahr 1978.

Die Zeit der Studentenrevolten hatte sich gelegt, war der Analyse gewichen. Das Zweite Vatikanische Konzil hatte in der Aufbruchstimmung des Aggioramento, an das immer wieder zu erinnern ist, in der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes - Über die Kirche in der Welt von heute" sich auch zum modernen Atheismus geäußert und gesagt, die Kirche suche "die tiefer in der atheistischen Mentalität liegende Gründe für die Leugnung Gottes zu erfassen und ist ... der Meinung, dass diese Gründe ernst und gründlicher geprüft werden müssen."

Kardinal Franz König, damals Leiter des 1965 von Papst Paul VI. gegründeten Sekretariats für die Nichtglaubenden, hatte diesen und andere Sätze in das Dokument hineinreklamiert.

Neue Namen für Gott

Schon damals aber hatte sich gezeigt, dass es keinen aggressiven Atheismus mehr gab als noch in den ehedem kommunistischen Ländern. Nach 15 Jahren gab König die Leitung dieses Sekretariates ab, doch auch in der Kirche hatte sich der Wind gedreht. Mit dem Tod Pauls VI. etwa und dem Tod Kardinal Julius Döpfners von München-Freising 1976 zum Beispiel lässt sich eine deutliche Zäsur in der Bemühung um den modernen Menschen feststellen.

Auch heute gibt es die Eiseskälte in den Gesellschaften der industrialisierten Welt und gleichzeitig die Liebebedürftigkeit vieler Menschen. Friedrich Heer hatte in der Studie zum "Experiment Europa" die großen innerkirchlichen Säkularisationen genannt, die dazu führten, dass schließlich versucht werden musste, "für Gott neue Namen zu finden, die nicht befleckt sind durch (derartige säkularisierende) Erscheinungen." Kardinal König erinnerte nun am vergangenen Wochenende in einem Redemanuskript - er selbst musste seine Abwesenheit entschuldigen - für das neue "Forum für Glaubende und Nichtglaubende" in Salzburg an dieses Notat Friedrich Heers.

Die Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste widmete dem Kardinal dieses Institut, das unter der Leitung des Münchner Philosophen und Theologen Eugen Biser weiterhin den Dialog mit dem Atheismus und den Atheisten führen soll.

Warum gerade mit dem Atheismus, der heute als struktureller Atheismus, wie Biser erläuterte, den Menschen in eine gottähnliche Position gebracht habe ? Denn vielen scheint die Beschäftigung mit dem Islam bzw. dem Islamismus ein weitaus wichtigeres und existenzielles Problem für den industrialisierten Westen darzustellen.

Ozeanischer Atheismus

Biser nannte die sich ständig realisierenden Utopien als Ursache für diesen strukturellen Atheismus, der "ozeanische Ausmaße" erreicht habe: die Raumfahrt habe gewissermaßen einen Anteil an göttlicher Allgegenwart gebracht, die Nachrichtentechnik an der Allwissenheit und die Gentechnik am göttlichen Schöpfertum. Wie sich die Religion jahrhundertelang für die selbstverständliche Überzeugung der Menschen gehalten habe, halte sich nun der Atheismus für ihre selbstverständliche und keiner Begründung bedürftige Einstellung zu Welterklärung und Lebensgestaltung. Das sei exakt die vielzitierte "Leichtigkeit des Seins".

Doch damit ließ es Biser nicht bewenden. Was bisher als Polemik und Rebellion erschien, werde vom Kreuzesleiden Jesu aufgefangen und als eine Leidensgeschichte demaskiert. Denn im Grunde leide Jesus an derselben Not, an der sich der Atheismus entzündete: an der Not des ihm zugemuteten Todes. So gesehen müsse der unverzichtbar gewordene Dialog mit dem Atheismus bis zu dieser Position vorangetrieben und zum Bewusstsein seiner Leidensgemeinschaft mit dem Gekreuzigten geführt werden. Dabei sähe er sich im Bund mit der christlichen Anthropologie, die gleichfalls auf die Optimierung des Menschen abziele.

Dazu zitierte Biser Nietzsche aus dem "Zarathustra": "Du bist frömmer als du glaubst - mit einem solchen Unglauben!"

Man weiß, vor welchen Feuern der Vernichtung man steht.

INFOS: www.european-academy.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung