Ehe, Familie und Wahrheit
Von der eben begonnenen Bischofssynode in Rom gehen zuversichtlich stimmende Signale aus. Missverständnisse und Enttäuschungen werden dennoch nicht ausbleiben.
Von der eben begonnenen Bischofssynode in Rom gehen zuversichtlich stimmende Signale aus. Missverständnisse und Enttäuschungen werden dennoch nicht ausbleiben.
Erstmals also kein Latein: Die offizielle Sprache der am Sonntag eröffneten Bischofssynode soll nicht die alte, sondern die heutige Sprache der Römer sein, Italienisch. Das hat Symbolkraft. Denn bei aller Wertschätzung für Latein (das durchaus auch bei besonderen Anlässen - nicht im Regelfall - in der Liturgie seinen Platz haben kann) steht doch außer Zweifel, dass ein lebendiger Gedankenaustausch in einer heute noch gesprochenen, eben "lebenden" Sprache besser möglich ist als auf Latein, und seien Bischöfe und Kardinäle noch so versiert in den alten Sprachen. Eben das aber soll die Synode über "die pastoralen Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung" sein: ein offener Disput, keine Abfolge von vorgefertigten und verlesenen Statements, wie sich das auch Papst Franziskus selbst ausdrücklich gewünscht hat. Die Erwartungen an diese außerordentliche Synode und die ihr nächstes Jahr folgende Generalversammlung sind hoch -und heterogen. Auch unter ein und dem selben Begriff wie beispielsweise "Barmherzigkeit" versammeln sich völlig unterschiedliche Positionen: von echter pastoraler Sorge um Menschen in ihren Nöten bis hin zur Konformität mit dem Zeitgeist. Nicht wenige, die fordern, die Kirche müsse, wie es oft heißt, endlich heutige Lebensrealitäten zur Kenntnis nehmen, meinen, sie müsse diese unterschiedslos gut heißen. Solche Gleich-Gültigkeit kann und wird es freilich für die Kirche nicht geben.
"Erweiterung und Vertiefung der Lehre"
Einen wichtigen Pflock hat indes gleich zu Beginn der Münchner Kardinal Reinhard Marx eingeschlagen: "Wir sollten", sagte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, "den Unterton vermeiden, es habe irgendwann eine ideale Realität von Ehe und Familie gegeben." Das ist der entscheidende Punkt, der (nicht nur in dieser Frage) den Konservativen vom Reaktionär trennt. Eine heile Welt hat es nämlich in der Tat nie gegeben. Daher kann es nicht darum gehen, frühere Zustände wiederherzustellen, sondern immer nur darum, dem für Richtig Befundenen, der "Wahrheit" näher zu kommen. Auch und gerade theologisch gilt die Rede von der Wahrheit als Tochter der Zeit - in dem Sinn, dass diese, so zumindest die Hoffnung, durch die Geschichte hindurch immer deutlicher wird. In einem solchen heilsgeschichtlichen Sinne ließe sich auch die zuletzt von Kardinal Christoph Schönborn getätigte Aussage verstehen, wonach die Kirche ihre Lehre "nie verändert, sondern stets erweitert und vertieft" habe.
Keine Verfalls-, sondern eine Entdeckungsgeschichte
Auch die Geschichte von Ehe und Familie wäre demnach nicht kulturpessimistisch als Verfalls-,sondern vielmehr als Entdeckungsgeschichte zu lesen. Generell wäre gerade im so heiklen, weil Intimstes und damit extrem Verletzliches betreffenden Bereich der Sexualmoral die vordringlichste Herausforderung für die Kirche zu vermitteln, dass das, was sie als Ideal hochhält, kein Instrument der Repression darstellt, sondern mit dem zu tun hat, was Bibel und Tradition das "Leben in Fülle" nennen.
Dazu steht nicht im Widerspruch sondern gehört, jenen die Hand zu reichen, die diesem Ideal nicht entsprechen. Dass man den eigenen Anspruch nicht aufgeben muss und dennoch anderem im Modus der Anerkennung begegnen kann, hat ja bereits das Zweite Vaticanum im Hinblick auf die verschiedenen christlichen Konfessionen gezeigt, worauf ebenfalls Schönborn hingewiesen hat. Deswegen ist es etwa auch gut und richtig, dass ein Kardinal gefordert hat, man möge bei Paaren ohne Trauschein nicht länger von einem "Leben in Sünde" sprechen - dies verschärfe nur die Entfremdung der Betroffenen von der Kirche. Die hier skizzierte Stoßrichtung hat bereits Kardinal Kasper in seinem vielbeachteten Referat vor der Vollversammlung des Kardinalskollegium im Februar vorgegeben. Man darf hoffen, dass sich diese bei den Beratungen in Rom durchsetzt.
rudolf.mitloehner@furche.at
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