Ein aussichtsreicher Papst-Kandidat

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Auf ein Wort

Es war im vergangenen September in Frankfurt. Unternehmer und Führungskräfte diskutierten, welche Antworten eine kirchliche Soziallehre von heute auf die drängendsten Fragen der aktuellen Systemkrise geben kann. Nachdem alle Referate vorgetragen waren, kam der Ehrengast zu Wort: Kurienkardinal Peter Turkson, Präsident des Päpstlichen Rates Iustitia et Pax, Verfasser einer aktuellen Streitschrift über eine gerechtere Wirtschaftsordnung.

Er gewann alle Aufmerksamkeit für sich, als er in einem kurz gehaltenen, begrifflichen Dreiklang die Haltung zusammenfasste, in der wir an die so komplexen sozialen Fragen des modernen Wirtschaftens herangehen sollten: schonungslos ("radical“) in der Analyse, ehrgeizig ("ambitious“) in der Zielsetzung und realistisch ("modest“) in der Umsetzung.

Kardinal Turksons Wien-Besuch

Turkson, über den ich bis zu diesem Anlass nichts Näheres wusste, fiel durch kluge Bestimmtheit und zugleich Bescheidenheit auf. Zu Beginn dieses Jahres war er dann an der Universität Wien Vortragender bei einer Tagung über "Gerechtigkeit in einer endlichen Welt“ am Institut für Sozialethik von Ingeborg Gabriel. Seine Präsenz und inhaltliche Klarheit beeindruckten auch dort. Beim Gespräch in kleiner Runde überraschte er mit fließendem Deutsch, das der Sohn eines Bergarbeiters aus Ghana neben sechs weiteren Fremdsprachen beherrscht. Er hatte es sich in den Achtzigerjahren angeeignet, um theologische Texte aus unserem Sprachraum im Original lesen zu können.

Und nun, nach der Erklärung des Papstes sein Amt zurückzulegen, begegne ich mit einem Mal seinem Porträt und dazugehörenden Lebensgeschichten in allen Medien: Peter Turkson zählt zu den meist genannten Anwärtern auf die Rolle als Oberhaupt der Katholischen Kirche.

Seine Eltern erzogen ihn und seine neun Geschwister trotz ärmlichster Verhältnisse im katholischen Glauben. Der hochbegabte junge Mann studierte zunächst in seiner Heimat, dann in New York, es folgten Jahre der intensiven theologischen Ausbildung in Rom, die Berufung zum Bischof in seiner Heimat und schließlich 2003 die Ernennung zum Kardinal.

Schonungslose Analyse

Der Text der jüngsten Sozialenzyklika "Caritas in Veritate“ aus 2009 trägt auch seine Handschrift. Er orientiert sich durchaus am Grundsatz der schonungslosen Analyse und benennt in großer Offenheit entscheidende Schwachpunkte modernen Wirtschaftens. Als übergeordnete Zielvorstellung eines Wirtschaftssystems definiert das wohl allzu rasch wieder zur Seite gelegte Dokument eine "sozial verantwortliche und nach dem Maß des Menschen ausgerichtete wirtschaftlich-produktive Ordnung“.

Dieser aufgeklärte Zugang zu Fragen der globalen Wirtschaftsordnung erklärt, warum die Stimme der größten NGO der Welt in Sachen Menschenwürde, Chancengleichheit und Gerechtigkeit so unverzichtbar ist. Ihr Anliegen des sozialen Ausgleichs reicht weit über das Konfessionelle hinaus und beinhaltet das Bemühen um eine Wert-Schöpfung, die sich nicht im Verbrauch sozialer und ökologischer Ressourcen erschöpft.

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