Ein bunter Strauß Kapellari

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Der Grazer Bischof hat gut 100 Predigten, Vorträge, Stellungnahmen gesammelt: "Begegnungen unterwegs" ist ein herausforderndes Buch, das sich um redliche (geistliche) Auseinandersetzung bemüht.

Jeder Mensch habe einen "Traum vom Himmel im Herzen": Mit diesen Worten predigte der Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari am 15. August dieses Jahres über das "Himmlische" an Maria Himmelfahrt: Die "oft zugedeckte, zugeschüttete Hoffnung auf eine Zukunft bei Gott jenseits aller nur andeutenden, ungenügenden Bilder und Worte" werde im Titel des Festes Mariä Himmelfahrt angesprochen.

Kapellaris Sprache sind nicht die einfachen Worte - das ist auch dem zitierten Zugang zum Marienfest zu entnehmen. Doch solch fordernde Sprache, die vielfach den Zuhörer auch herausfordert, ist eines der Markenzeichen des "Intellektuellen" unter den österreichischen Bischöfen.

Wer mehr - und vor allem: einen wirklich bunten Strauß - Kapellari genießen (oder sich daran reiben) will, der sollte einen Blick in des Bischofs jüngstes Buch tun. "Begegnungen unterwegs", so der Titel des 520 Seiten starken Kompendiums, das - laut Untertitel - eine "Nachlese" sein will: Gut 100 Predigten, Vorträge, Stellungnahmen, Interviews hat Kapellari zusammengestellt. Was dabei zuerst ins Auge sticht, ist die wirkliche Vielfalt an Zugängen und an Adressaten seiner Worte: Eine Predigt bei der Steirischen Bauernwallfahrt nach Mariazell ist ebenso dabei wie eine Analyse des Verhältnisses von Kirche zu Kunst unter authentischer Berücksichtigung dessen, was Kapellari einst bei Otto Mauer, dem großen kirchlichen Wegbereiter der zeitgenössischen Kunst, gelernt und erfahren hat. Dann wieder Worte zu Katechetinnen und Katecheten, eine Trauungspredigt oder ein Vortrag über Gentechnik. Natürlich fehlen auch Beiträge zu Europa oder den Medien nicht, Themen, für die Kapellari in der Bischofskonferenz zuständig ist.

Die unterschiedlichen Textgenres und -gattungen hat der Grazer Hirte nachvollziehbar in fünf Kapitel geordnet: zuerst "Schwellen, Wege, Begegnungen, Gespräche" und dann ein vierfaches "Ecce - Seht da, ...!": zuerst "... der Mensch!", dann "... Gott!", schließlich "... die Welt!" und zuletzt "... die Kirche!" In diese Themenbögen lässt sich all das einreihen, was ein geistlicher Begleiter im Bischofsamt zur Lage der Kirche, der Welt, des Menschen und über Gott sagen will.

Bischof Kapellaris Sammlung ist für manchen ein Buch, das in einem durchzulesen ist, für andere (wie den Rezensenten) liefert es dagegen Anstöße, immer wieder hineinzublättern und immer wieder hängenzubleiben. Interessiert liest man etwa, wie Kapellari sich in mehreren Beiträgen bemüht, sich dem heißen Eisen "Frauen in der Kirche" zu stellen. Dass Kapellari kein Vertreter des progressiven Kirchenflügels ist, ist bekannt - und erschließt sich auch aus seinen Texten, wenn er etwa den heutigen Kardinal Karl Lehmann zustimmend mit dem Zitat bemüht: "Gleicher Rang und gleiche Würde für Frau und Mann bei Anerkennung eines verschieden geprägten Menschsein." Ähnliches stellt sich aus Kapellaris Worten bei einer Tagung der Katholischen Frauenbewegung dar, wo er meinte, die Kirche bewege sich, aber "sie kann und darf nicht galoppieren", und sie müsse sich immer wieder fragen, ob auch die Richtung der Bewegung stimme. Der Nachsatz zu dieser Feststellung, "Unsere private Vernunft gibt keine verlässliche Antwort auf diese Frage", zeigt jedenfalls sympathisch auf, dass auch ein Bischof seine Unsicherheit andeutet und nicht verschweigt, dass er in einer sensiblen Frage jedenfalls nicht mit einer dogmatischen Keule daherkommen will.

Einmal allerdings vermisst man im Buch ein Kapellari-Wort: Im Abschnitt "Ecce Ecclesia - Seht da, die Kirche!" findet sich eine Fotografie der berühmten Darstellung von der Kirche als junge Frau am Straßburger Münster: Dass neben dieser Skulptur aber die Synagoge als blinde Frau steht - eine der klassischen judenfeindlichen Darstellungen des Mittelalters, die durch das heutige kirchliche Verständnis des Judentums strikt abgelehnt wird -, wird in der Bildbeschreibung nicht erwähnt: Gerade dazu hätte man sich ein klärendes Wort des Bischofs gewünscht.

Man entdeckt im Buch aber immer wieder Überraschendes - wie in der Betrachtung Kapellaris bei einem Priester-Einkehrtag, wo er das "Gebet für Marilyn Monroe" des späteren nicaraguanischen Revolutions-Priesterdichters Ernesto Cardenal für seine Ausführungen über "Heiligkeit" bemüht.

Der letzte Beitrag in "Begegnungen unterwegs" - eine Marien-Meditation - entstammt der Furche vom Mariä-Himmelfahrtstag 1995. Dass Kapellari sein in jeder Hinsicht buntes Buch mit zwei Marientexten schließt, verrät ebenso wie viele Details anderer Texte, wo der Grazer Bischof steht, und wie sehr es ihm um eine redliche (geistliche) Auseinandersetzung zu tun ist.

Begegnungen unterwegs - Eine Nachlese. Von Egon Kapellari. Verlag Styria, Graz 2003. 520 S., geb., e 24,-

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