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Ein ganz wichtiges Zeichen

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Absoluter Pazifismus wird vom Militär- und Jugendbischof durchaus anerkannt, als Anwalt will er dieser Haltung aber nicht dienen.

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Absoluter Pazifismus wird vom Militär- und Jugendbischof durchaus anerkannt, als Anwalt will er dieser Haltung aber nicht dienen.

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diefurche: In der Bibel steht- Selig, die keine Gewalt anwenden, wie ernst muß man dieses Wort nehmen? Bischof Christian Werner: Ich glaube, das muß man sehr ernst nehmen, weil uns ja Jesus die Radikalität der Gewaltlosigkeit vorgelebt hat, vor allem auch in der Bergpredigt, wo es bis zur Feindesliebe geht, wobei das Wort Gewalt an und für sich vom Biblischen her kein negativer Begriff ist, denn Gewalt an und für sich ist diejenige Macht, die von Gott ausgeht und die er delegiert hat an seine Apostel für ihr Amt. Es sagt auch der Heilige Ambrosius, daß nur der Mißbrauch oder das ungute Streben nafch Gewalt das Negative ist, das Wort Gewalt aber nicht. Dieser Appell gerade der Bergpredigt ist aber nicht als gesellschaftspolitisches Programm, sondern als Aufruf zur persönlichen Umkehr zu sehen.

Die Frage ist, wie geht man konkret in einer bestimmten Zeit, einer bestimmten Gesellschaft, wenn es nicht nur um mein eigenes, persönliches Verhalten geht, wie geht ein Staat damit um? Auch in der Bibel ist das Böse eine Realität, wo die Nächstenliebe uns verpflichtet, den Dritten zu schützen. Ich kann für mich auf Gewalt verzichten, aber wenn ich verantwortlich bin in einer Gemeinschaft, in einer Familie, in einem Sta'it, besteht im Zuge der Nächstenliebe die Verpflichtung zum Schutz des Schwächeren. Hier bekommt die Problematik einen anderen Stellenwert.

UIeFüRCHE: Bei der Verhaftung Jesu nimmt Petrus ein Schwert und schlägt einem das Ohr ab, Jesus aber sagt zu ihm- „Wer zum Schwert greift, der kommt durch das Schwert um ”. Ist das nicht ein Appell, auch in einer Notwehr Situation auf Gewalt zu verzichten?

werner: Das kann Jesus für sich in Anspruch nehmen, weil er seinen Auftrag kennt, den Tod für die Sühne der Welt auf sich zu nehmen, daher hat er das Recht, zu sagen, ich möchte hier nicht geschützt werden. Das ist sicher nicht vergleichbar mit einer Situation, wenn eine Familie beim Fernseher sitzt, und plötzlich kommt ein Mensch mit Waffe. Da habe ich ja nicht nur das Recht, sondern die Verpflichtung, denen mit allen mir zustehenden Mitteln zu helfen. Recht auf Notwehr, Nothilfe kann zu einer schwerwiegenden Verpflichtung werden. Jesus hat auch gesagt: Ich bin nicht gekommen, um den Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Die Schwertworte Jesu sind von der Situation her verschieden zu interpretieren.

diefurche: Ihrer Meinung nach läßt sich also Gewalt, die zum Schutz Dritter angewendet wird, durchaus mit der Forderung Jesu vereinbaren, eher auf Gewalt zu verzichten? werner: Ja, das kann sogar verpflichtend sein. Wenn mein Nächster dringend der Hilfe bedarf, kann ich nicht zuschauen. Ich kann für mich als Märtyrer sterben, aber ich kann das nicht von einem anderen verlangen.

DIEFURCHE: Sind nun die, die heute pazifistisch eingestellt sind, die statt Militärdienst Zivildienst leisten, für Sie Leute, die sich drücken wollen Wf:RNER: Keineswegs. Für mich ist der Zivildiener, der aus christlich gebildetem Gewissen heraus handelt, ein ganz wesentliches Zeichen, daß gewaltloses Verhalten nicht „Ich mache nichts” heißt, sondern „Ich entwickle andere Ideen, um meinem Staat hier Hilfe zu leisten”. Das ist für mich eine der Forderung Jesu sehr adäquate Meinung.

DIEFURCHE: Entzieht sich nicht ein Zivildiener der Pflicht, einen Dritten zu schützen, wenn es nötig ist? WERNER: Schutz und Hilfe sehe ich in verschiedensten Möglichkeiten. Ich glaube, daß heute der Großteil der „radikalen” Pazifisten bereit ist, Sanitätshilfen und vieles zum Schutz und zur Hilfe der Bevölkerung zu leisten. Das muß man nicht unbedingt mit der Waffe in der Hand.

DIEFURCHE: Halten Sie Gewaltlosigkeit im radikalen Sinn für eine Utopie, oder ist das etwas, was hier und heute schon wirken kann? WERNER: Es hat ja schon gewirkt. Man kann nicht alles auf Osterreich umlegen, aber ich glaube angesichts dessen, was durch das Rosenkranzgebet auf den Philippinen geschehen ist, was auch ein Gandhi vorgezeigt hat, was viele Menschen auch in der heutigen Zeit tun, ist dieses Zeichen zu setzen durchaus sinnvoll.

DIEFURCHE: Sie sind Militärbischof und haben das Referat Jugend in der Bischofskonferenz inne. Was sagen Sie Jugendlichen, die mit dem biblischen Ideal kommen, auf Gewalt zu verzichten, und die bewaffnete Landesverteidigung ablehnen? WERNER: Ich habe konkret beim letzten Bundesführungskreis der Jugend erlebt, daß ein Jugendlicher aufgestanden ist und gesagt hat: „Ich bin absoluter Pazifist - wie stehen Sie als Militärbischof dazu?” Ich habe gesagt: Wenn Du das wirklich (in dem Sinn, wie ich es erklärt habe) meinst, kann ich Dir nur gratulieren, wenn Du aktiv für das Gemeinwohl, das Vaterland, etwas tun möchtest - ohne Waffe in der Hand. Vom Zweiten Vatikanischen Konzil ist ja der Ersatzdienst vorgesehen.

Dann fragte er: Würden Sie sich auch als Anwalt für uns bei Veranstaltungen einsetzen? Ich entgegnete ihm, daß ich als Anwalt nicht nur seinen Standpunkt vertreten kann, da die Kirche den Begriff des realistischen Pazifismus geprägt hat, nach dem man mit der Realität des Bösen rechnen muß, sich daher der Mensch vor dem Menschen schützen muß. Das Sicherheitspolitische ist mehr als nur Gewaltlosigkeit, man muß auch das sehen. Da hat es fast Enttäuschung gegeben in dem Gremium, als man gemerkt hat, ich bin nicht Anwalt, ich bin also nicht ganz auf ihrer Seite. Ich sage: sowohl als auch. Auch im Katechismus ist der Aspekt der Sicherheit etwas ganz Wichtiges, und Frieden nur in Gerechtigkeit. Das sind also ganz wesentliche Dinge und in Extremfällen leider nicht immer durch Gespräche und Dialog erreichbar.

DIEFURCHE: Können Sie sich vorstellen, Anwalt in dem Sinn zu sein, daß Sie sich dafür einsetzen, daß keiner in Osterreich der diesen pazifistischen Weg gehen will, unter Druck gesetzt wird, zum Bundesheer zu gehen? WERNER: Das ist ja nicht der Fall. Man muß der Jugend einen gesunden Geist für das Leben mitgeben, ihr helfen, lebensfähig zu werden. Das Bundesheer soll ja auch Erziehung sein, wo sie ein bißchen Dienst fürs Vaterland und verschiedenste Autoritätsprobleme lernen, die sie ja im Zivilen noch viel härter erleben werden, wo wirklich ein Gehorsam, den man dem Bundesheer unterstellt, gefordert wird. Wir leben in einer Welt, wo es Hierarchien gibt, das ist einmal so. Aber hinter den ehrlichen Pazifisten stelle ich mich voll und habe auch schon Leuten geholfen, die unbeholfen waren.

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