Ein gefährdetes Verhältnis

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Seit 21 Jahren gedenken die Kirchen am Vorabend der „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ ihrer „älteren Brüder“ (© Papst Johannes Paul II.) – und haben dazu den „Tag des Judentums“ ausgerufen. Heuer wird an diesem Tag Benedikt XVI. erstmals die Große Synagoge von Rom aufsuchen und dadurch diesem – christlichen – Gedenktag ein prominentes Flair verleihen. Das ist gut so. Gleichzeitig darf nicht beschönigt werden, dass das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche (genauer: zwischen der katholischen Kirchenleitung) und dem Judentum, gelinde gesagt, schwierig geworden ist.

Nichts zu beschönigen

Zuletzt hatte sich das Verhältnis neuerlich abgekühlt, als Benedikt XVI. kurz vor Weihnachten überraschend das Dekret über die Zuerkennung des „heroischen Tugendgrads“ an Papst Pius XII. unterzeichnete. Solches stellt einen wichtigen Schritt zur Seligsprechung dar. Jüdische Proteste folgten, der Vatikan musste – wieder einmal – nachbessern und erklären, dass damit keine historische und politische Bewertung des Papstes zur Zeit des Dritten Reiches gemeint sei.

Dass unter diesen Auspizien die jüdische Gemeinde Roms den Papstbesuch nicht abgesagt hat, kann als Zeichen jüdischer Konzilianz gegenüber der katholischen Kirchenpolitik gelten; einmal mehr wird der Gutteil des Synagogenbesuchs Benedikt XVI. ein Akt der Schadensbegrenzung sein.

Die Peinlichkeiten haben leider schon längst Methode: Am 21. Jänner jährt sich die unrühmliche Aufhebung der Exkommunikation der vier Traditionalisten-Bischöfe durch den Papst. Ein Ereignis, welches das katholisch-jüdische Verhältnis noch auf Jahre hinaus belasten wird. Dabei ist der Fall des Schoa-Leugners Richard Williamson nur eine Facette des Problems: Angesichts dessen, dass auch Benedikt XVI. selbst die Leugnung der Schoa für unvereinbar mit dem Christ-Sein erklärt hatte, wäre eine erneute Exkommunikation von Williamson die einzig adäquate Reaktion gewesen, zumal der Lefebvrianer-Bischof bis heute keine glaubhafte Revision seiner Ansichten erkennen ließ.

Aber auch wenn die anderen Traditionalisten sich verbal nicht auf die Stufe von Williamson stellten: Deren Ablehnung der Aussagen des II. Vatikanums übers Judentum ist nach wie vor gegeben, und auch eindeutig antijüdische Tendenzen in ihrer Theologie wurden mitnichten ausgemerzt. Warum soll das Judentum dem Oberhaupt der katholischen Kirche dann abnehmen, dass in seiner Kirche für Judenfeindschaft kein Platz ist, wenn gleichzeitig mit Judenfeinden über deren Rückkehr in die Kirche verhandelt wird?

Judenmission und Pius XII.

Ähnliches tut sich in der Frage der Judenmission auf, auf die gewichtige Stimmen des konservativen Mainstreams der Kirche pochen: Viele Juden mutmaßen, die Katholiken hätten es doch auf ihre Missionierung abgesehen. Ein Gespräch auf Augenhöhe kann aber nur ohne derartigen Zweifel stattfinden.

Bleibt der Fall Pius’ XII.: Nein, es geht hier nicht um ein Wiederkäuen von Vorwürfen à la Rolf Hochhuth, der den Papst der Schoa-Jahre in die Nähe der Schuld der Täter rückte. Aber eine transparente Aufarbeitung der Vorgänge seines Pontifikats vor einer allfälligen Seligsprechung, wäre, sollte man meinen, unabdingbar gewesen. Doch die vatikanischen Archive sind für die Zeit nach 1939 weiterhin noch nicht zugänglich.

Mit der Zuerkennung des „heroischen Tugendgrades“ hat Rom dieses Verfahren für beendet erklärt: Denn für eine Seligsprechung Pius XII. fehlt nur noch ein Wunder.

Dieses wird die jüdischen Seite eher kalt lassen. Sie hofft auf ein Wunder anderer Art: Dass sich Rom doch noch Zeit lässt mit einer Erhebung Pius’ XII. „zur Ehre der Altäre“, denn niemand wird durch eine Seligsprechung integrer, als er schon war. Religionspolitisch würde hingegen weiteres Porzellan zerschlagen werden. Man beobachtet zornig, dass dies der Fangemeinde von Pius XII. völlig egal ist.

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