Ein gewagter Versuch

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Bekannte Wiener Politiker wie Bernhard Görg, Christoph Chorherr oder Peter Marboe konnte er um Längen abhängen: Omar Al-Rawi. Bei den letzten Wiener Gemeinderatswahlen im Frühjahr haben ihm 2.558 Wienerinnen und Wiener ihre Vorzugstimme gegeben. Das bedeutete Platz drei hinter Bürgermeister Michael Häupl und FP-Spitzenkandidatin Helene Partik-Pablé. Mit seinem Parforceritt bei der Wiener Wahl hat sich der gebürtige Iraker in der SPÖ einen Namen gemacht. Al-Rawi wurde vorgereiht und steht als designierter Wiener Landtagsabgeordneter in Warteposition.

Seine Partei hat mit ihm einen "sehr gewagten Versuch" unternommen, zollt der bullige 40-Jährige der Wiener SPÖ Respekt. Jede Partei stellt eine Kosten-Nutzen-Rechnung an, wenn sie überlegt einen Immigranten, einen deklarierten Muslimen an prominenter Stelle zu positionieren, ist Al-Rawi überzeugt. Bei ihm hat schlussendlich die Hoffnung auf den Nutzen überwogen.

Das war nicht immer so: Seine erste politische Enttäuschung erlebte Al-Rawi, als er in der Hochschülerschaft wegen seiner Herkunft nicht mehr weiterkommen konnte. Dabei wäre es so wichtig, dass Zuwanderer, die in ihrer Heimat Demokratie oft nur als Farce erlebten, in den politischen Alltag eingeführt würden, ihn spielerisch, nach und nach erlernen könnten, schildert Al-Rawi seine Erfahrungen. Er engagierte sich als Betriebsrat und in der "Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen", bis er die Gelegenheit einer Kandidatur bei der SPÖ ergriff.

Warum gerade die Sozialdemokraten? Für den praktizierenden Muslim, Sohn eines sunnitischen Rechtsanwalts und einer katholischen Ärztin, teilen Sozialdemokratie und der Islam entscheidende Werte: soziale Wärme, Umverteilung, Toleranz, ...

Eine eigene Partei von und für Muslime zu gründen, hält Al-Rawi für nicht zielführend. Das würde seinem Bestreben zuwider laufen, ein Teil der hiesigen Gesellschaft zu sein. Auch den Einwand, die Muslime seien eine sehr heterogene Gemeinschaft, mit vielen nationalen und ethnischen Ressentiments, lässt Al-Rawi nicht gelten: "Trotz aller Heterogenität stellen die Muslime eine Wertegemeinschaft dar, und wenn wir den Rassismus in Österreich bekämpfen, sollen wir auch keine ethnischen Trennungen zwischen den Muslimen akzeptieren." Er jedenfalls versuche praktizierende Muslimen in Wien eine Stimme zu geben. Ein islamischer Friedhof, positive Diskriminierung (zum Beispiel Kopftuchträgerinnen bei Bewerbungen bevorzugen) oder die Ermöglichung von Frauenschwimmen (vergleichbar der vielerorts üblichen Praxis einer Frauensauna) sind Anliegen die Al-Rawi durchzusetzen versucht.

Auf islamistische Gruppierungen in Österreich angesprochen, lehnt Al-Rawi einen Kommentar mit dem Hinweis, er sei kein Staatspolizist, ab. Er kenne die Szene, gibt er auf weiteres Nachfragen hin zur Auskunft. Die große Mehrheit wisse die Glaubensfreiheit in Österreich zu schätzen und genieße jene Möglichkeiten, die ihnen zu 90 Prozent in ihrer Heimat verwehrt geblieben wären. Al-Rawi: "Extremismus braucht einen Nährboden und den gibt es hier nicht!"

Werden in Zukunft mehr Muslime an vorderster Front im politischen Geschäft vertreten sein, wollte die furche vom designierten Landtagsabgeordneten zum Ende des Gesprächs im Wiener Café Central noch wissen, und dieser antwortet knapp während er seinen Kakao austrinkt: "Politiker zaubert man nicht aus dem Hut!" WM

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