Ein Guter -oder ein Böser?

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Noch eine Woche, dann weiß die Welt, wer künftig die Führungsmacht des Westens regieren wird. Ganz im Zeichen dieser verstörenden Wahl steckte am vergangenen Wochenende ein kleiner Kreis von Amerika-Kennern in Wien die Köpfe zusammen, um eigene Erfahrungen und Erwartungen mit jenen der anderen zu vergleichen: Wie konnte diese große, an Ressourcen überreiche Nation in so schauerliche politische Abgründe geraten? Wieviel an Kraft kann die/der Neue jetzt noch ins Amt mitnehmen, um in einem polarisierten Land und in den großen Krisenherden zu bestehen? Und:

Welches Vermächtnis wird von Barack Obama bleiben?

Am einfachsten schien der versammelten kleinen Schar noch der Rückblick. Bei aller Schwäche, die Obama angesichts der Total-Blockade der Republikaner durchleiden musste: Der 44. Präsident der USA hat seinem Land in acht langen Jahren durchaus Ehre eingelegt. "Alles in allem war er ein Guter", sagte einer -und blieb ohne Widerrede.

In diesem Moment habe ich mich an Besuche in heimischen Schulen erinnert, bei denen ich von Begegnungen mit Großen dieser Welt erzählen durfte. Mehrfach haben mich dabei Jugendliche gefragt, ob dieser oder jener Präsident, König oder Revolutionsführer "ein Guter oder ein Böser" gewesen sei.

Ehrlich gesagt: Die Antwort war nahezu immer schwer. Zu oft spürte ich, wie mit der Bedeutung und Verantwortung eines Amtes auch meine Ratlosigkeit wuchs. Wie sehr sich "Gut" und "Böse" zu einem undurchdringlichen Dickicht verfilzte.

Musste Obama nicht auch Soldaten und Drohnen ausschicken, um Menschen weitab der USA zu töten? Konnte er das Schreckenslager von Guantanamo auch 15 Jahre nach 9/11 nicht schließen? Usw. usw.

Rebell, Diktator, Fantast

Und plötzlich standen sie alle in meiner Erinnerung auf, denen ich einst begegnet war: Der Palästinenser Arafat und der Jordanier-König Hussein, die Israelis Rabin und Peres -alle hatten sie ihre Völker durch mörderische Konfrontationen geführt.

Vor allem aber der Libyer Gaddafi: Von westlichen Geheimdiensten an die Macht gebracht und psychisch krank; zugleich ein Rebell, Diktator, Fantast. Der beides in sich trug: die Träume von einer besseren Welt, aber auch die Finsternis gnadenloser Gewalt. Vor genau fünf Jahren wurde er gejagt und getötet. Ist sein Volk, sein Land ohne ihn sicherer, glücklicher? Sicher nicht. Libyen gilt heute als zerbrochener, gescheiterter Staat. Wieviel Gutes, wieviel Schlimmes bleibt als Gaddafis Erbe?

In einer Schule hat mich ein Maturant im Vorjahr gefragt, wie ich es geschafft hätte, mit solchen Mördern zu reden, ohne mich zu genieren? "Journalistenpflicht", sagte ich nach einer Schrecksekunde. Aber die große Frage, wieviel an Ethos und Mitmenschlichkeit auf den Logenplätzen des großen Welttheaters gefragt und möglich ist - sie bleibt aktuell. Und sie ist naiv und schicksalhaft zugleich.

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