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Ein heikler Gegenstand

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Dennoch ist es eigenartig, daß nicht wenige Bischöfe bewiesen haben, daß es ihnen widerstrebt, den von Johannes XXIII. und Paul VI. erteilten Weisungen zu folgen, damit die Ziele des Zweiten Vatikanischen Konzils erreicht werden können. Und das Eigenartigste besteht in der Tatsache, daß es sich um jene handelt, die sehr gern erklären, sie seien dem Papst tiefer ergeben und eifriger darum besorgt, daß seine Autorität auch nicht im geringsten verletzt wird. War es zum Beispiel nicht Paul VI., der in einer Ansprache, die er kurz vor der Wiedereröffnung des Konzils an die Römische Kurie hielt, ausdrücklich eine Reform der Kurie für notwendig erklärte und erstmals andeutete, daß es zweckmäßig sei, sich in der Leitung der Kirche von einer direkten, qualifizierten Vertretung des Weltepiskopates helfen zu lassen? Als dann diese Gedanken in der Konzilsaula ihr Echo fanden, weckten sie neben vielseitiger Zustimmung erbitterten Widerspruch. Ein Konzilsvater ermahnte die Brüder, keinen Anlaß zum Ärgernis zu geben. Andere behaupteten, wer von einer Reform der Kurie rede, kritisiere den Papst, der sich ihrer täglich bediene, ihre Entscheidungen sanktioniere und persönlich drei Heiligen Kongregationen als Präfekt vorstehe.

Sicher hat deshalb Paul VI., dem wahrhaftig weder der Wille noch die Erfahrung noch die gedankliche Klarheit abgehen, die nötig sind, um Strukturen und Methoden der Kurie so umzugestalten, daß diese Einrichtung ein den heutigen Erfordernissen der Kirche besser entsprechender Organismus wird, bis jetzt keine Entscheidung auf die in jener Ansprache enthaltene Ankündigung folgen lassen. Mit dem Ausdruck tiefer Ehrfurcht vor dem Konzil bat er um dessen Meinung über diesen heiklen Gegenstand, der ohnehin schon in einem der Entwürfe stand. Und irgendein Alarmruf muß ihm so schrill in den Ohren geklungen haben, daß er in Zweifel geriet, ob die Zeit für eine Reform schon reif sei, die gewiß wünschenswerterweise in einem heiteren Klima, wenn nicht unter einmütiger Zustimmung durchgeführt werden sollte.

Ähnliche Erwägungen könnte man über andere, zuletzt behandelte Konzilsprobleme anstellen. Gewiß, nicht alle Väter sind zum Beispiel davon überzeugt, daß der Dialog mit den getrennten Brüdern in jenem Geist der Demut geführt werden soll, kraft dessen Paul VI. in Jerusalem nicht nur mit Athenagoras Besuche austauschte — diese Begegnung hatte ein besonderes Gewicht und rechtfertigte eine außerordentliche Behandlung —, sondern auch mit dem griechisch-orthodoxen und armenisch-orthodoxen Patriarchen der Stadt, deren Würde noch weniger mit der des Oberhauptes der katholischen Kirche vergleichbar ist. Der Papst wollte ein Beispiel der Liebe und Demut geben.

Bei unzähligen Gelegenheiten zeigte Johannes XXIII., daß er dasselbe fühlte. Er berief das ökumenische Konzil und verkündete der Welt die lichtvolle Lehre des Weltrundschreibens „Pacem in terris“. Die göttliche Vorsehung hat auf ihn Paul VI. folgen lassen, der sich als Pilger ins Heilige Land begeben hat. Dadurch bewiesen beide, daß sie die „Zeichen der Zeit“ erkannt hatten und sie zu deuten verstanden. Sie erklärten, daß diese Zeichen nach einem „neuen Pfingsten“ rufen, wie Johannes XXIII. oft sagte — nach einem „Frühlingserwachen ungeheurer geistiger und sittlicher Energien, die im Schoß der Kirche verborgen lagen“, wie Paul VI. sich am 29. September, bei der Eröffnung der zweiten Konzilsperiode ausdrückte.

Auf diese hochherzigen Aufrufe haben einige Bischöfe noch nicht reagiert. Sie zeigten sich wie unangenehm berührt, gerufen zu werden, die Verantwortung für das Wohl der Gesamtkirche mit dem Papst zu teilen. Das ist zweifellos während der ersten zwei Sitzungsperioden geschehen und hat verhindert, daß reichere und ermutigendere Ergebnisse erzielt wurden, als jene, die bisher die Bilanz des Zweiten Vati-kanums ausmachen. Die Furcht vor dem Neuen, könnte man sagen, hat manchen paralysiert oder vielmehr das Mißtrauen vor dem Wort „Reform“, das irrtümlich zur Bezeichnung der Glaubensspaltung benützt wurde, scheint für katholische Empfindlichkeiten einen fürchterlich unangenehmen Klang bewahrt zu haben. Geben wir dem Wort „Reform“ wieder seinen wahren Sinn von „Vervollkommnung“! Dann wird niemand mehr Gewissensbedenken haben, im Bereich der kirchlichen Strukturen und Methoden „Standpunkte“ zu ändern, die — mit Kardinal Lercaros Worten — „eher mit zeitbedingten Momenten als mit Elementen verbunden sind, die zum Wesen der katholischen Lehre gehören“.

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