Ein Jahrzehnt der Pyrrhussiege

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In St. Pölten gibt es kaum mehr lautstarken Widerstand gegen die Politik Bischof Krenns. Auch jüngste Ereignisse zeigen jedoch: Von gedeihlicher Entwicklung kann keine Rede sein.

Ein leiser Protest geht durch die Diözese St. Pölten. Er ist nicht vergleichbar den Kundgebungen, die den Anfang der Amtszeit Kurt Krenns begleiteten, denn man hat gelernt, dass der Bischof dank seiner stets betonten Treue zum Lehramt in Rom festen Rückhalt hat und laute Konflikte ihm persönlich wenig schaden, wohl aber der ganzen Kirche, und um deren Gedeihen sind seine Kritiker zumindest ebenso besorgt wie der Bischof.

Anlass des jüngsten Unbehagens ist einmal mehr die Personalpolitik des Bischofs. Im Herbst berief Krenn den langjährigen Regens des Priesterseminars, Franz Schrittwieser, ab und betraute mit dieser Funktion den Weltpriester Ulrich Küchl, der als Grundherr eines alten Kollegiatsstiftes den Titel "Propst von Eisgarn" führen darf. Zum Jahreswechsel nun enthob er zwei Kritiker dieser Maßnahme, Prälat Johannes Oppolzer, Pfarrer in Weinburg, und Pfarrer Franz Kaiser aus Zwettl, ihrer Ämter als Erzdechanten der Diözese. Die Erzdechanten haben eine ähnliche Bedeutung wie Bischofsvikare: Oppolzer, von Krenn schon einmal aus einem Amt verdrängt, war für das Diözesangebiet südlich der Donau, Kaiser für jenes nördlich der Donau zuständig. Als Nachfolger setzte der Bischof im Norden den Pfarrer von Maria Laach, Franz Hofstetter, und im Süden den Pfarrer von Traismauer, Johann Oberbauer, ein.

Zuvor hatte der Bischof dem Zwettler Pfarrer Kaiser einen Handel vorgeschlagen: Sollte dieser freiwillig sein Amt als Erzdechant zur Verfügung stellen, werde er den gerade vakanten Ehrentitel "Propst von Zwettl" erhalten. Kaiser ging auf diesen Vorschlag nicht ein und wurde als Erzdechant abgesetzt. Zum Propst von Zwettl ernannte der Bischof den Pfarrer von Waidhofen an der Thaya, Willibald Pichler. Doch Pichler zeigte Solidarität mit Kaiser, als er von dessen Enthebung erfuhr: Er schickte als Protest die Ernennung zum Propst an Krenn zurück.

Die Bestellung Ulrich Küchls zum Regens sehen kritische Priester in der Diözese nur als Übergangslösung an. Man weiß, dass Bischof Krenn die beiden Ausbildungswege zum Priesteramt in der Diözese - einerseits das Seminar, anderseits die konservative Gemeinschaft vom Heiligen Josef in Kleinhain - zusammenführen will. Bei beiden Einrichtungen ist die Zahl der Priesteranwärter dramatisch gesunken, doch Werner Schmid, der Leiter von Kleinhain, dürfte Krenns besonderes Vertrauen besitzen.

Und wieder: Engelwerk

Noch gehört Schmid offiziell dem Orden der Missionare vom Kostbaren Blut an, aber seine Inkardinierung in die Diözese St. Pölten ist bereits eingeleitet.

Wenige erinnern sich noch daran, woher die erste Gruppe, mit der sich Schmid 1993 in Kleinhain niederließ, gekommen war - aus Mayerling bei Heiligenkreuz, einem nach wenigen Jahren wieder aufgelösten Studienhaus mit Kontakten zum umstrittenen Engelwerk (Opus Angelorum).

Auch jener Priester, der in den achtziger Jahren Studenten der Heiligenkreuzer Hochschule dem Engelwerk zugeführt und selbst zumindest vorübergehend als Donate dem Kreuzorden (der Elitetruppe des Engelwerkes) angehört hatte, fand jüngst "ad experimentum" Aufnahme bei Bischof Krenn: Heinrich Morscher, ursprünglich ebenfalls Pater der Missionare vom Kostbaren Blut (die freilich auch ganz anders geartete Geistliche wie Bischof Erwin Kräutler in ihren Reihen haben).

Morscher geriet unlängst in Deutschland in die Schlagzeilen. Ein Fall von Zensur an der Realschule des Schwesternklosters Auerbach in der Oberpfalz - eine Schwester entfernte 14 Seiten zur Sexualaufklärung aus einem Biologiebuch und bekam Rückendeckung von ihrer Oberin - rief Eltern und Schulbehörde auf den Plan. Dabei kam heraus, dass Morscher, der eine sehr rigorose Einstellung zur Sexualität vertritt, seit Jahrzehnten großen Einfluss auf die Nonnen hat. Der aus Auerbach stammende, weltbekannte Theologe Johann Baptist Metz äußerte, der Ausdruck "Fundamentalismus" sei zu harmlos für die Vorgänge im Kloster, auch das Erzbistum Bamberg äußerte Bedenken.

Als begründete Vermutungen laut wurden, die Schulschwestern von Auerbach hätten Kontakte zum Engelwerk, bekamen diese plötzlich Schützenhilfe aus St. Pölten. Bischof Krenn sprach von "Verleumdung" und erklärte, die Schwestern hätten "überhaupt nichts damit zu tun". Als Kenner des Engelwerkes, das er wiederholt verteidigt hat, und des Auerbacher Klosters müsste Krenn Bescheid wissen. Nur wenige wissen, dass Auerbacher Schwestern dem St. Pöltener Oberhirten den Haushalt führen und auch aus der Diözese St. Pölten immer wieder Nachwuchs bekommen - und zwar vor allem dank des Pfarrers von Hollenstein, Christian Poschenrieder, der - wie es der Zufall so will - dereinst via Kleinhain im Bistum Kurt Krenns Fuß fassen konnte.

Gescheiterter Hardliner

Während es Krenn in seiner nun schon mehr als zehn Jahre währenden Amtszeit gelungen ist, als "Hardliner vom Dienst" ungeheure Medienpräsenz im ganzen deutschen Sprachraum zu entfalten, sind seine Bemühungen, der Diözese St. Pölten seinen Kurs vorzugeben, letztlich gescheitert. Zugleich sind die Kirchenaustritte gestiegen, und nicht einmal die Importe von außen (ob über Kleinhain oder Blindenmarkt, wo Krenn den traditionalistischen Orden "Servi Iesu et Mariae" einquartierte) können noch einen blühenden Priesternachwuchs vortäuschen.

Die Diözese ist gespalten. Krenns Kritiker innerhalb der Kirche machen ihre Arbeit und kümmern sich möglichst wenig um den Bischof, seine Vertrauensleute können zwar mit kleinen Belohnungen in Form bestimmter Funktionen und Titel rechnen, sind aber viel zu schwach, um seinen Positionen in der Diözese zum Durchbruch zu verhelfen.

Zu Krenns Leidwesen sitzt der von ihm gemaßregelte Pastoraltheologe Franz Schmatz immer noch als pragmatisierter Direktor im Religionspädagogischen Institut, und auch seinen Hauptkritiker, den Benediktinerpater Udo Fischer, konnte der Bischof nicht aus der Pfarre Paudorf vertreiben.

So enden die Scharmützel, in die Bischof Kurt Krenn sich - und die Ortskirche von St. Pölten - verstrickt, im Allgemeinen mit Pyrrhussiegen für die eine oder andere Seite, auf der Strecke bleibt jedoch in fast allen Fällen eine gedeihliche Entwicklung der Diözese.

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