Ein Kampf mit und um Rom

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Die restaurativen Gruppen, die Erzbischof Lefebvre gegen den kirchlichen Zeitgeist gründete, gibt es weiter. Sie schalten und walten auch in Österreich.

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Die restaurativen Gruppen, die Erzbischof Lefebvre gegen den kirchlichen Zeitgeist gründete, gibt es weiter. Sie schalten und walten auch in Österreich.

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Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich eine Reihe von Gruppen und Grüppchen entwickelt, die sich gegen die seit dem II. Vatikanischen Konzil in der katholischen Kirche eingeführten Reformen wenden. Zentrale Bedeutung kommt dabei der durch den französischen Erzbischof Marcel Lefebvre gegründeten (Priester-)Bruderschaft St. Pius X. zu. Lefebvre verweigerte bestimmten Beschlüssen des II. Vatikanums die Anerkennung.

1970 erfolgte mit kirchlicher Zustimmung die Gründung der Bruderschaft St. Pius X. Als Hauptsitz diente bis in die achtziger Jahre Econe im Schweizer Kanton Wallis.

Durch die traditionalistische Ausrichtung kam es zum Konflikt mit dem Vatikan und den französischen Bischöfen. Nachdem eine persönliche Grundsatzerklärung Lefebvres, in der dieser scharfe Kritik an der Ausrichtung der offiziellen Kirche seit dem Zweiten Vatikanum geübt hatte, an die Öffentlichkeit gelangt war, wurde die Bruderschaft St. Pius X. 1975 offiziell durch die Amtskirche aufgelöst. Als diese weiterarbeitete, wurde 1976 Lefebvre die Ausübung des Priester- und Bischofsamtes untersagt.

Konflikt und Aufbau Zwar verließen eine Reihe von Mitarbeitern Lefebvre. Umgekehrt konnte die Bruderschaft St. Pius X. in den darauffolgenden Jahren zahlreiche Niederlassungen gründen. Es entstand je ein eigener Zweig von Ordensbrüdern, Ordensschwestern und Oblatinnen. Durch eine Schwester Lefebvres wurde 1978 in Belgien ein eigener Karmel gegründet, der jetzt über fünf Tochterklöster verfügt. 1980 wurde ein III. Orden für Laien und Priester gegründet. Im Umfeld der Bruderschaft entstanden verschiedene Ordensgemeinschaften. So gibt es heute traditionalistische Gemeinschaften von Franziskanern, Dominikanern und Benediktinern. Solche Gemeinschaften, zur Zeit zirka 25, bestehen vor allem, aber nicht nur, in Frankreich. Eine Hochburg der traditionalistischen Bewegung ist die Diözese Campos in Brasilien. Deren früherer Bischof Antonio de Castro Mayer schloß sich Lefebvre an. Ein Großteil der örtlichen Kleriker und Laien folgten ihm.

Im deutschsprachigen Raum besteht mit der Katholischen Jugendbewegung KJB ein eigener Nachwuchsverband. Ebenso existiert eine Katholische Familienbewegung.

Lefebvre betrieb weiterhin Kritik an der Liturgiereform und an Teilen des II. Vatikanums. Besonders kritisierte er, daß das Konzil den Kommunismus nicht verurteilt hatte: "Die Weigerung dieses Pastoralkonzils, den Kommunismus offiziell zu verurteilen, genügt allein schon, um es vor der gesamten Geschichte mit Schmach und Schande zu bedecken." Vor diesem Hintergrund nehmen die guten Beziehungen, die die Bruderschaft St. Pius X. zu rechten Regierungen und Gruppen unterhält, nicht wunder.

Die Bruderschaft St. Pius X. vertritt eine strikte Moraltheologie. So wird die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten generell verworfen. Ebenso werden künstliche Familienplanung und Kondome abgelehnt. Scharf nimmt man gegen homosexuelle Praktiken und gegen die Abtreibung Stellung. So wurde die kirchliche Beteiligung an der offiziellen Schwangerschaftskonfliktberatung in der Bundesrepublik und hier besonders der Bischofskonferenzvorsitzende Karl Lehmann kritisiert. Franz Schmidberger, heute Distriktsoberer der Priesterbruderschaft für Österreich, meinte gegenüber der Furche dazu: "Lehmann ist der Totengräber in Deutschland."

Ähnlich rigoros gibt man sich in anderen Bereichen. So verurteilte die Leitung der Bruderschaft St. Pius X. die Zulassung von Ministrantinnen als im Gegensatz zur Heiligen Schrift und der kirchlichen Tradition stehend. Die Traditionalistenbewegung lehnt die Zulassung von Frauen zur Diakonen- und Priesterweihe ab. Gleiches gilt für die Priesterweihe verheirateter Männer. Immer wieder wird der Vorwurf erhoben, durch ökumenische Aktivitäten verrate die Kirchenleitung katholische Inhalte.

Allerdings erkennen die Bruderschaft St. Pius X. und ihr Umfeld Johannes Paul II. als rechtmäßigen Papst an. So betet sie für ihn als Kirchenoberhaupt. Darin unterscheidet man sich von den verschiedenen Gruppen sogenannter "Sedisvakantisten". Für diese ist der Stuhl Petri vakant. 1983 spalteten sich Angehörige der Bruderschaft St. Pius X. in den USA von dieser ab, da sie im Gegensatz zu dieser nicht mehr bereit waren, Johannes Paul II. als Papst anzuerkennen. Aus dieser radikalen Abspaltung entstand die Gesellschaft St. Pius V., die inzwischen über eine eigene Schwesterngemeinschaft verfügt. Wie gegen die Sedisvakantisten, die mehrere Zeitschriften herausgeben, grenzt sich die Bruderschaft St. Pius X. auch gegenüber den Anhängern diverser Gegenpäpste ab, von denen der angebliche Gregor XVII. mit seiner palmarianisch-katholischen Kirche zur Zeit der wichtigste ist.

Von 1983 bis 1994 stand als Nachfolger des 1991 verstorbenen Marcel Lefebvre der deutsche Priester Franz Schmidberger der Bruderschaft St. Pius X. vor. 1994 wurde der Schweizer Bernard Fellay zum neuen Generaloberen gewählt und Schmidberger zu seinem 1. Assistenten. Fellay ist einer jener vier Priester, die am 3. Juni 1988 gegen den Willen des Papstes durch Lefebvre und seinen brasilianischen Mitstreiter Castro Mayer zu Bischöfen geweiht wurden. Die vier Neubischöfe, Lefebvre und Castro Mayer wurden daraufhin für exkommuniziert erklärt. Damals entstand als Abspaltung von der (Priester-)Bruderschaft St. Pius X. die Priesterbruderschaft St. Petrus. Diese wurde durch Rom anerkannt. Diese Gemeinschaft verfügt inzwischen über zwei eigene Priesterseminare und arbeitet eng mit der Päpstlichen Kommission "Ecclesia Dei" zusammen. Die Petrusbruderschaft bietet u.a. Wallfahrten, Exerzitien und Ferienlager an und gibt neben einem Informationsblatt die Zeitschrift "Umkehr" heraus. Mit ihr verbunden ist die Christkönigsjugend.

Die Bruderschaft St. Pius X. konnte aber weiter expandieren. Zur Zeit verfügt sie weltweit über 120 Priorate, zwei Universitätsinstitute und sechs Priesterseminare. Hinzu kommen rund 70 Schulen und vier Altersheime.

In Österreich präsent In Österreich bestehen Priorate in Wien, Innsbruck und im niederösterreichischen Jaidhof. Jaidhof ist nicht nur Distriktsitz für Österreich, sondern auch Zentrum für die Mission in den Reformstaaten Osteuropas. So finden in Jaidhof tschechische und ungarische Exerzitien statt. Im September 1997 gab es hier einen ersten deutschsprachigen Einkehrtag für Ärzte. Im Herbst 1998 soll in Ternberg südlich Steyr die erste österreichische Schule der Bruderschaft St. Pius X. ihren Betrieb aufnehmen.

In Innsbruck wurde neben dem Priorat und seiner Kapelle ein weiteres Haus erworben, in dem die Errichtung einer Schule geplant ist. Eine amtskirchliche Ordensschwester hat sich hier der Bruderschaft St. Pius X. angeschlossen. Sympathien entwickeln sich auch in örtlichen katholischen Studentenverbindungen. Weitere Stützpunkte bestehen in Graz, Klagenfurt, Lienz, Piesendorf, Wien und in Salzburg. Hier wurde der Aufbau eines Priorates eingeleitet. Auch in Vorarlberg, wo bereits Veranstaltungen stattfanden, verfügt man über Anhänger. Im August 1996 wurde ein "Rosenkranz-Kreuzzug zur Rettung der Kirche und Österreichs von Gottlosigkeit und Unmoral" gegründet. Für diesen Rosenkranz-Kreuzzug warb in einer Aussendung "Pornojäger" Martin Humer. Die Monarchisten-Zeitung "Ring-Journal" berichtete in ihrer Ausgabe für September-Oktober 1997 sehr wohlwollend und umfassend über die Bruderschaft St. Pius X. Das ultrarechtskonservative Organ "Weiße Rose" bezog schon 1996 offen für diese Stellung und warb u. a. für eine von dieser organisierte Wallfahrt. Das Monatsblatt "Der 13." druckte umfangreiche Leserbriefe mit Stellungnahmen zugunsten der Bruderschaft St. Pius X. ab. Die neurechte Zeitung "Junge Freiheit" berichtete positiv über diese und druckte Interviews ihres Distriktsoberen für Deutschland ab.

Selber gibt die Bruderschaft St. Pius X. monatlich ein Mitteilungsblatt für den deutschen Sprachraum und mit "Ursprung und Ziel" eine eigene Zeitschrift für Österreich heraus. "Der Gerade Weg" ist das Organ der KJB, während "Der Kreuzfahrer" sich an Kinder wendet. Elfmal jährlich erscheint der nahestehende "Rom-Kurier". Ebenso veröffentlicht die Gemeinschaft Bücher und Tonkassetten. Seit neuestem erscheint in Deutschland zweimonatlich eine "Kirchliche Rundschau".

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