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EIN KARDINALSHUT FÜR WIEN

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Vatikan, 17. November 1958 (Kathprefj). Papst Johannes XXIII. hat den Erzblschof von Wien, Dr. Franz König, zum Kardinal der römischen Kirche ernannt. Wie Montag mittag aus dem Vatikan amtlich bekanntgegeben wurde, hat der Hl. Vater für 15. Dezember ein Konsistorium einberufen, in dem 23 neuernannte Kardinäle aus der Hand des Papstes den Kardinalshut empfangen werden. Erzblschof. König wurde vom Apostolischen Nuntius in Oesterreich, Erzblschof Giovanni Dellepiane, von seiner Ernennung in Kenntnis gesetzt. Papst Johannes XXIII. hat durch eine Reihe von Maßnahmen gleich nach seiner Wahl der Christenheit und der Welt zu erkennen gegeben, daß er sich alles andere eher als einen Ueber-gangspapst betrachtet, daß mit ihm, stärker vielleicht als bei jedem Wechsel im Pontifikat, ein neues Blatt in der bald zweitausendjährigen Geschichte der Kirche geschrieben wird. Schon die Wahl seines Namens hat die Welt überrascht, auch das, daß er mit einer Reihe von Traditionen gebrochen hat, die durch einen jahrhundertelangen Gebrauch geheiligt schienen. Rascher auch und wesentlich umfangreicher als man annehmen konnte, hat Papst Johannes XXIII. das Kardinalskollegium ergänzt, ja .er hat sich auch hier nicht an eine seit Jahrhunderten feststehende Tradition gehalten und mit den Neuernennungen die bisherige Zahl von 70 Kardinälen überschritten. Da zur Zeit noch nicht bekannt ist, ob der Heilige Vater eine neue Höchstgrenze des Kardinalkollegiums festgelegt hat, ist es nicht unmöglich, daß auch noch weitere Berufungen erfolgen werden.

Unter den neuernannten Kardinälen befindet sich auch der Erzbischof von Wien. Die Katholiken der Erzdiözese Wien, darüber hinaus aber das ganze katholische Volk von Oesterreich hat diese Nachricht mit großer Freude und tiefer Genugtuung erfüllt. Die österreichischen Katholiken entbieten ihrem Kardinal die ergebensten und herzlichsten Glückwünsche und sie verbinden diese Glückwünsche mit dem Dank an den Heiligen Vater, der mit dieser Erhebung des Wiener Erzbischofs bewiesen hat, daß er sich mit dem katholischen Volk in Oesterreich verbunden fühlt und daß diese Verbundenheit nicht dadurch beeinträchtigt wird, daß einige wenige Fragen im Verhältnis von Staat und Kirche in Oesterreich noch nicht gelöst sind. Auch zu dieser Lösung wird es kommen, wie wir nach den Versicherungen des Heiligen Vaters, die er Erzbischof König bei seiner letzten Unterredung eab, hoffen können. Der Heilige Vater hat sich dabei auf den guten Willen von beiden Seiten berufen. Er hat mit der Erhebung des Erzbischofs von Wien zum Kardinal seinen guten Willen erneut bewiesen; der gute Wille der österreichischen Regierung wird dem gewiß nicht nachstehen.

Die Wiener Erzbischöfe, die seit Jahrhunderten den Purpur der Kardinäle trugen, wurden meist kurz nach ihrer Berufung auf den erzbischöflichen Stuhl von Wien in das Heilige Kollegium berufen. Erzbischof König hat' auf diese Auszeichnung, die mehr als eine bloße Auszeichnung ist, zweieinhalb Jahre gewartet. Diese zweieinhalb Jahre waren für die Wiener Erzdiözese eine Art Interregnum. Die Welt, der Staat, auch das Volk ist gewohnt, im Erzbischof von Wien das Haupt, gewissermaßen den Sprecher der Kirche in Oesterreich zu sehen. Erzbischof König waT dies kraft seiner Persönlichkeit und kraft des Gewichts des erzbischöflicliert Stuhles von Wien. Und er war es wieder nicht, er war nur der Oberhirte einer der österreichischen Diözesen, der Purpur fehlte ihm. Nun ist auch dieses Interregnum zu Ende. Erz-bischof König ist durch Gottes und des Heiligen Stuhles Gnade nicht nur der Erzbischof von Wien, er ist als Kardinal der römischen Kirche auch der ranghöchste Vertreter der katholischen Kirche in Oesterreich.

Erzbischof König hat als Wiener Oberhirte seit zweieinhalb Jahren gezeigt, daß er sich frei weiß von manchen zeitlichen Bindungen der

Vergangenheit, daß er sich als Bischof aller Katholiken seiner Diözese fühlt, daß er aufgeschlossen ist allem, was in die Zukunft führt. Der Erzbischof König sah sich gelegentlich manchen Mißdeutungen seines Wollens ausgesetzt, dem Kardinal König wird niemand bestreiten können, daß sein Wollen nicht im Einklang mit dem Wollen Roms stand und steht.

Die „Furche“, die in dem Erzbischof von Wien stets einen ehrlichen Freund und wannen

Förderer gefunden hat und die keinen anderen Ehrgeiz kennt, als in freier, eigener Verantwortung den Ideen und dem Wollen des Erzbischofs zu dienen, entbietet dem Kardinal König gemeinsam mit allen Katholiken unseres Landes die herzlichsten und aufrichtigsten Glückwünsche. Und wie dem Erzbischof rufen wir auch dem Kardinal zu: Ad multos annos!

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