Jägerstätter-Film - © Filmladen

Ein Lebensweg wie Hochgebirge und Tal

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In seinem neuen Film „Ein verborgenes Leben“ setzt US-Regisseur Terrence Malick dem Kriegsdienstverweigerer und katholischen Seligen Franz Jägerstätter ein Denkmal im Weltkinoformat.

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In seinem neuen Film „Ein verborgenes Leben“ setzt US-Regisseur Terrence Malick dem Kriegsdienstverweigerer und katholischen Seligen Franz Jägerstätter ein Denkmal im Weltkinoformat.

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Hierzulande stimmt der Filmtitel „Ein verborgenes Leben“ natürlich überhaupt nicht. Denn Franz Jägerstätter, der junge Bauer aus St. Radegund im Innviertel, der Adolf Hitler den Eid verweigerte und dafür am 9. August 1943 im brandenburgischen Havel hingerichtet wurde, ist jedenfalls seit Axel Cortis TV-Film „Der Fall Jägerstätter“ in Österreich eine Ikone des Wider­stands gegen das NS-Regime.

Man muss gleichzeitig dazusagen, dass Jägerstätters Zeugnis zuerst von angelsächsischen Stimmen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde: Auf dem II. Vatikanum brachte der englische Erzbischof Thomas Roberts Jägerstätter als Beispiel für Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen zur Sprache. Nicht zuletzt aufgrund dieser Wortmeldung wurde die Wehrdienstverweigerung dann explizit (und erstmals in einem lehramtlichen Dokument) in der Konzils-Konstitution „Gaudium et Spes“ genannt. Und die Jägerstätter-Biografie des US-amerikanischen Soziologen Gordon Zahn aus 1967 machte den NS-Verweigerer zumindest in friedensbewegten Kreisen bekannt.

Doch kein „Umstürzler“

Mittlerweile gilt Franz Jägerstätter in Österreich als eine der Lichtgestalten Österreichs zur NS-Zeit, die historische Forschung über ihn ist weit gediehen, und seine Kirche hat – nach jahrelangen Bemühungen – 2007 Franz Jägerstätter als Märtyrer in die Liste der Seligen aufgenommen. Diese Seligsprechung war insofern auch etwas Besonderes, als mit Jägerstätter erstmals einer wegen seiner Gewissensentscheidung und nicht wegen Glaubensverfolgung als solcher zur Ehre der Altäre erhoben wurde.

Das war ein Thema bei der Seligsprechung gewesen: Noch wenig zuvor war der Autor dieser Zeilen Zeuge der Aussagen eines hohen Funktionärs der Heiligsprechungskongregation im Vatikan, der seinen Gesprächs­partnern erklärt hatte, man müsse den Fall von Jägerstätter genau prüfen, denn die Kirche könne doch nicht „einen Umstürzler“ seligsprechen.

In Österreich muss man also über Franz Jägerstätter, was Fakten und Bedeutung betrifft, wenig ans Tageslicht bringen. Dass einen Regisseur von Weltrang wie Terrence Malick die Mühen der Ebene historischer und theologischer Forschung aber bestenfalls mittelbar interessiert, dürfte kaum überraschen. Aber dass Jägerstätters Starrsinn im Verfolgen seines unerschütterlichen Glaubens, er dürfe einem wie Adolf Hitler aus religiöser Überzeugung niemals einen Eid leisten (auch keinen nicht ernst gemeinten), birgt schon jede Menge Filmstoff in sich.

Dieses Stoffs nimmt sich Malick­ an, der ja nicht immer leicht zugängliche Filmkost vorlegt (man denke an sein Welten-Panoptikum „The Tree of Life“ aus 2011). Aber die Größe und Tragik des Protagonisten und dessen Sich-Einlassen auf einen unentrinnbaren Strom der Überzeugungen, die ihm das eigene Leben abverlangen, legt die Dramaturgie vor, deren sich Malick genial bedient.

Sein Opus „Ein verborgenes Leben“ ist in diesem Sinn ein wort- und bildgewaltiges Werk, reich an Metaphern und voller wuchtiger bis düsterer Nachklänge, die den Zuschauer auch lang nach den überlangen drei Stunden, die der Film dauert, begleitet und jedenfalls nicht loslässt.

Malick nimmt das biografische Material, nicht zuletzt die Briefe von Franz und Franziska (im Film: Fani) Jägerstätter und verdichtet es in mehreren Strängen: Da ist der unbeugsame Einzelkämpfer Franz, der von seiner Umgebung und der Kirche unverstanden, seine unbeugsame Überzeugung, den Eid an Hitler zu verweigern, bis zum Schluss durchhält. Da ist eine unbändige Liebe zwischen Franz und Fani, die nicht von Dauer sein darf, aber die den Gefangenen in Berlin-Tegel wie die Daheimgebliebenen trägt.

Zwischen Landleben und Krieg

Und da ist die auffällige Zuspitzung eines geradezu archaischen Landlebens, das in Abgeschiedenheit von den horriblen Entwick­lungen in der Drittes-Reich-Welt draußen vor sich geht: Aber der Krieg verschont auch die Bauersleute nicht, – und die jungen Männer müssen genauso an die Front wie sonstwo in Führers Reich.

Das alles unterstreicht Malick mit extremem Einsatz von Licht, Hell-Dunkel ist eines der prägenden Ausdrucksmittel dieses Films. Und weil der Gegensatz Landleben-Krieg auch einer entsprechenden Bildlichkeit verlangt, hat Malick das Dorf St. Radegund in die Südtiroler Alpen verlegt: Hier finden sich noch die Keuschen, mit denen sich besagter Gegensatz illustrieren lässt, und die kleinen Behausungen werden vor der Majestät der Alpengipfel wie der bedrohlichen Wolken-, Sturm-, und Lichtphänomene noch kleiner. Und die Menschen müssen sich ducken – vor der Natur wie vor der Welt draußen, die sich in eine Apokalypse begeben hat.

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