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Anlässlich des Ökumenischen Kirchentags in Berlin: Ökumene bedeutet, dass die Kirchen auch bereit sein müssen, eigene "Fundamente" in Frage zu stellen.

In seiner Enzyklika "Ut unum sint" (1995) fordert Papst Johannes Paul II. um der Einheit der Christenheit willen eine Hingabe, die jener der Märtyrer gleichkommt. Außerdem betont er die Notwendigkeit von "Liebe gegenüber dem Gesprächspartner, Demut gegenüber der Wahrheit, die man entdeckt und die Revisionen von Aussagen und Haltungen erforderlich machen könnte" (Nr. 36). Dabei kann es sich auch um Aussagen und Haltungen handeln, die man bisher als Fundamente des eigenen kirchlichen Lebens angesehen hat, sodass ihr Aufgeben wie ein Sterben erlebt würde. Damit muss demnach auch die katholische Kirche rechnen.

Gott, nicht die Stellvertreter

Aber Bekehrung ist nur um diesen Preis möglich. Dabei geht es eben darum, die alleinige Herrschaft Gottes anzuerkennen und in keiner Weise seine Stelle einnehmen zu wollen. Die Versuchung dazu ist in jeder religiösen Gemeinschaft und besonders in ihren Amtsträgern vorhanden.

Dass es in dem vom Papst vorgeschlagenen "Dialog der Bekehrung" letztlich um die Anerkennung der Transzendenz Gottes geht (die durch jede Vorstellung von "vergöttlichten" Stellvertretern missachtet wird, die auch im Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1589, zu finden ist), kommt in seinen Worten deutlich zum Ausdruck: "In der Ausstrahlung, die vom Erbe der Heiligen' ausgeht, die allen Gemeinschaften angehören, erscheint der Dialog der Bekehrung' zur vollen und sichtbaren Einheit nun unter einem Licht der Hoffnung. Diese Allgegenwart der Heiligen liefert nämlich den Beweis für die Transzendenz der Macht des Geistes. Sie ist Zeichen und Beweis für den Sieg Gottes über die Kräfte des Bösen, die die Menschheit spalten.

Dort, wo der aufrichtige Wille zur Nachfolge Christi besteht, gießt der Geist seine Gnade oft auf anderen als den gewöhnlichen Pfaden aus. Die ökumenische Erfahrung hat uns dies besser begreifen lassen. Wenn es die Gemeinschaften in dem inneren geistlichen Raum, den ich beschrieben habe, tatsächlich fertig bringen, sich zur Suche nach der vollen und sichtbaren Gemeinschaft zu bekehren', wird Gott für sie das tun, was Er für ihre Heiligen getan hat. Er wird die aus der Vergangenheit ererbten Hindernisse überwinden und wird die Gemeinschaften auf seinen Wegen führen, wohin Er will: zur sichtbaren Koinonia (Gemeinschaft, Anm. d. Red.), die zugleich Lobpreis seiner Herrlichkeit und Dienst an seinem Heilsplan ist" (Ut unum sint, Nr. 84).

"Kreuzweg" zur Einheit

Es sind beinahe österliche Worte der Hoffnung, die der Papst hier ausspricht. Aber der Weg dorthin führt über das Kreuz und kann einem Martyrium ähnlich sein. Das gilt auch für die katholische Kirche. Nur so wird sie ihren Beitrag zu einer künftigen Gemeinschaft der Kirchen erbringen können. Sie wird dabei manche ihrer Vorstellungen und Handlungsweisen korrigieren müssen. Denn das Prinzip und Fundament der Einheit der Kirche und der Kirchen sind nicht der Papst oder irgendwelche anderen Amtsträger, sondern ist Gott selbst, der uns Christen unter den Anspruch der Einmütigkeit gestellt hat. Darin wird seine Herrschaft wirksam.

Diese Einheit kann nicht durch Personen, die sich als "vergöttlichte" Stellvertreter Christi oder Gottes selbst verstehen, von oben hergestellt werden, sondern sie muss gemeinsam gesucht werden im Vertrauen auf Gottes Heiligen Geist, der eine Einigung ermöglicht. Die Anerkennung der Transzendenz Gottes ist also die Voraussetzung dafür, dass dieser sich an seinen Gläubigen erweisen kann. So kommt es zu einer von Gott geschenkten Einheit, zu einer Auferweckung der einen Kirche durch ihn. Aus diesem neuen Ostern wächst das neue Pfingsten, um das Papst Johannes XXIII. gebetet hat.

Kirchlicher Turmbau zu Babel

Dann gibt es den kirchlichen Turmbau von Babel nicht mehr, bei dem eine oder einige Kirchen sich als Pyramide "mit einer Spitze bis zum Himmel" (Gen 11,4) errichten wollten. Das führte dazu, dass die Angehörigen der verschiedenen Kirchen und manchmal auch solche innerhalb ein und derselben Kirche nicht miteinander reden konnten und es teilweise immer noch nicht können. Wenn sich die Christen in den Kirchen bekehren wie die Jünger angesichts des Martyriums Christi, kann sich neuerlich ein österliches und pfingstliches Wunder ereignen, sodass wieder alle einander verstehen. Dann werden die Kirchen in ihrer ökumenischen Gemeinschaft Sakrament der Liebe Gottes und der Einheit der Menschen sein.

Der Autor ist Dozent für Pastoraltheologie in Innsbruck. Obige Gedanken bilden den Abschluss von Weß' Buch "Papstamt jenseits von Hierarchie und Demokratie", in dem es um ein kollegiales Verständnis des päpstlichen Primats, um die Einbindung aller Ämter in die Kirche und um den Weg zur Ökumene geht.

PAPSTAMT JENSEITS VON HIERARCHIE UND DEMOKRATIE. Ökumenische Suche nach einem bibelgemäßen Petrusdienst

Von Paul Weß, mit Beiträgen von Ulrich H. J. Körtner u. Grigorios Larentzakis, Lit Verlag, Münster 2003, 208 S., kt., e 20,50

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