Ein Schritt theologischer Größe

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Er ist Schüler Joseph Ratzingers und sein Nachfolger auf dem Dogmatik-Lehrstuhl der Universität Regensburg. Wolfgang Beinert bewertet im FURCHE-Gespräch den Rücktritt Benedikts XVI. als theologischen Meilenstein.

Die Furche: Sie kennen Joseph Ratzinger schon lange. Entspricht sein Rücktritt der Logik seines Denkens und Handelns?

Wolfgang Beinert: Ja. Es ist jedenfalls in den theologischen Konsequenzen ein ungeheurer Schritt. Benedikt ist ein bescheidener und sensibler Mensch, ganz sicher kein Machtmensch, der an irgendwelchen Sesseln, auch nicht an den Kathedren des Heiligen Petrus kleben würde. Wenn er nun den "Bruder Esel“, wie der heilige Franz es genannt hätte, spürt, dass er also dem Leib Tribut zollen muss, dann liegt das in seiner Bescheidenheit zu sagen: Gerade um des Amtes willen muss ich das Amt abgeben, denn es würde sonst beschädigt.

Die Furche: Auffällig ist dennoch, dass ein Papst, der so viel auf die Tradition der Kirche reflektiert, nun einen Schritt setzt, den es so noch nicht gegeben hat.

Beinert: Er zeigt hier eine beispiellose Größe. Und es ist hier theologisch etwas passiert, was höchste Beachtung verdient. Gestern befragte das deutsche Fernsehen Leute auf der Straße, und da kam immer wieder: der Papst kann nicht zurücktreten, der Papst muss im Amt sterben. Dahinter steht eine weit verbreitetet ontologische Auffassung des kirchlichen Amtes: Wenn ich das Amt habe, dann habe ich eine seinsmäßig andere Qualität - und die kann ich auch nicht abschütteln. Dagegen meint die - von den meisten Theologen vertretene - funktionale Auffassung des Amtes etwas anderes, und zwar: Ich habe als Amtsträger eine Funktion, ich muss bestimmte Dinge in der Kirche tun und regeln; wenn ich das nicht mehr kann, dann muss ich diese Funktion abgeben. In dieser theologischen Frage, und die zitierten Stimmen sind nur eine Auswirkung davon auf der Volksebene. Mit dieser Tradition hat der Papst gebrochen und das wird ohne Zweifel Auswirkungen auch für die Zukunft der Kirche haben.

Die Furche: Johannes Paul II. hat diese ontologische Dimension des Amtes vertreten?

Beinert: Ganz ohne Zweifel. Ihm wird ja auch das Wort zugeschrieben: Christus ist auch nicht vom Kreuz heruntergestiegen. Und das Kreuz ist die ontologische Form Christi. Das Kreuz ist jetzt mein Todesleiden, und da kann ich nicht fliehen. Man sieht die Dimension ja auch am letzten Rücktritt eines Papstes, Cölestin V. 1294, der von Dante in der Göttlichen Komödie in die Hölle verbannt wurde mit der Begründung, er habe die große Verweigerung getan, schlicht gesagt: Der Papst ist feige geworden, und Feigheit in diesem Amt kann nur mit der Hölle bestraft werden. Dem widerspricht jetzt Benedikt deutlich: Die Funktion des Amts steht an erster Stelle und diese Funktionen müssen erfüllt werden. Wenn ich das nicht mehr kann, dann muss es ein anderer tun. Das ist eine hochbedeutsame Geschichte.

Die Furche: Ist dieser Rücktritt aber nicht auch das Eingestehen seines Scheiterns - mit der Pius-Bruderschaft etwa, um die er sich so bemüht hat, gibt es kein Licht am Horizont, und der Intrigenstadl Vatikan ist offenbar auch nicht in den Griff zu bekommen.

Beinert: Von außen her kann man das so sehen. Aber man könnte auch sagen: Gerade wenn ihm an der Verständigung mit der Pius-Bruderschaft so viel liegt, und er sieht, dass er das nicht mehr kann, dann gehört es wiederum zur Größe zu sagen: Gerade, weil diese Sache gemacht werden muss, und ich es nicht machen kann, müssen es andere versuchen. Dazu gehört eine innere Größe, die nur zu bewundern ist. Benedikt wächst über sich hinaus!

Die Furche: Sein letztes Zeichen im Amt ist eines menschlicher Größe?

Beinert: Ja. Und wenn Sie an die Funktionstheologie des Amtes denken, auch ein Schritt theologischer Größe.

Die Furche: Sie haben in den letzten Jahren zu den Kritikern dieses Pontifikats gehört. Machen Sie nun Abstriche von dieser Kritik?

Beinert: Die Kritik bezieht sich ja nicht auf den Rücktritt, sondern darauf, dass Benedikt zu lange stehen geblieben ist in der sehr langen Linie seiner Vorgänger, die im 19. Jahrhundert beginnt und die antimodernis-tisch ist. Und dass er die Linie Johannes XIII., der eben auf einen Dialog mit der Zeit aus war, nicht weiterführt. (Das Gespräch führte Otto Friedrich)cjvb)

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