Ein selbstgebremster Höhenflug

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Am Donnerstag wird am Athener Nobelfriehof "Nr. 1" der orthodoxe Oberhirte der griechischen Hauptstadt zu Grab getragen: Erzbischof Christodoulos Paraskevaidis. An der Seite seiner 21 Vorgänger, seit sich die "Kirche von Griechenland" 1833 vom Patriarchat Konstantinopel abspaltete und 1923 den Metropolitansitz Athen zum Erzbistum erhob. Sie alle hatten sich mehr oder weniger erfolgreich mit einer dreifachen Problematik auseinanderzusetzen: kirchliche Erneuerung, zu enge Einbindung in den modernen griechischen Staat, unbewältigtes Verhältnis zum Mutterpatriarchat.

Nun ist nach langer schwerer Krankheit dieser bisher letzte orthodoxe Erzbischof von Athen im Alter von 69 Jahren verstorben. Mit ihm hat die ganze Orthodoxie eine ihrer zunächst hoffnungsvollsten, bald aber immer umstritteneren Persönlichkeiten verloren.

Die zehnjährige Amtszeit von Christodoulos kann in ökumenischer Hinsicht durchaus positiv bewertet werden. Dieser Erzbischof hat die Kirche von Griechenland nach Jahrzehnten erzkonservativer Isolierung wieder an ihre Mitchristen herangeführt: Der Besuch von Papst Johannes Paul II. in Athen 2001 und jener von Christodoulos beim Weltkirchenrat in Genf 2006 sowie zuletzt bei Papst Benedikt XVI. wurden Höhepunkte dieser Wiederbegegnung.

Sehr kontrovers waren hingegen die Bestrebungen des Erzbischofs, Athen zum Zentrum für alle griechischen orthodoxen Kirchen zu machen. In diesem Bestreben legte sich Christodoulos mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. in Istanbul an, der deswegen sogar vorübergehend die Kirchengemeinschaft mit ihm abbrach. Aus Athen schwirrten fragwürdige kirchenpolitische Agenten in die Diaspora von Konstantinopel nach Europa und Amerika aus, sogar ins Patriarchat Jerusalem. Christodoulos hatte auch die gesamtorthodoxen Hegemoniebestrebungen der russisch-orthodoxen Kirche zu Lasten des Ökumenischen Patriarchen unterstützt und dafür hohe Ehrungen aus und in Moskau empfangen.

In Griechenland selbst zeigte der Erzbischof mehr politische als kirchliche Ambitionen. So machte er sich für Angabe der Religionszugehörigkeit in den staatlichen Ausweispapieren stark. Besonders sein Beharren auf dem Vermerk "Jude" hat da viel böses Blut gemacht.

Nun bleibt eine gewisse persönliche Tragik als Nachgeschmack des Wirkens von Christodoulos Paraskevaidis zurück. Das erinnert an den Athener Erzbischof Hieronymos von 1967 bis 1973: Auch er hatte mit großen Reformplänen begonnen, war dann aber in den Strudel zu enger Verflechtung mit der griechischen Politik geraten. Jetzt bleibt zu hoffen, dass es der Nachfolger von Christodoulos besser machen wird. Er wird dafür sorgen müssen, wieder ein Oberhirte für alle Athenerinnen und Athener, nicht nur der politisch Konservativen oder gar Rechtsextremen unter ihnen zu werden. Ins kirchliche Leben sollte neben äußerlichem Aktivismus wieder mehr Innerlichkeit einziehen. Schließlich wäre es endlich an der Zeit, den Standort der kleinen, praktisch nur die Umgebung von Athen umfassenden so genannten "Kirche von Griechenland" innerhalb des größeren Ökumenischen Patriarchats neu und konstruktiv zu bestimmen, statt gegen dieses Opposition zu machen. Die griechischen Bischöfe haben jetzt bis 7. Februar Zeit, eine solche Persönlichkeit zu finden und zu wählen. Heinz Gstrein

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