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So wie es Slowenien bisher verstand, seine Trümpfe gut einzusetzen, wird es auch in Zukunft als wichtiger Verbindungsspieler zum Westen auftreten.

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So wie es Slowenien bisher verstand, seine Trümpfe gut einzusetzen, wird es auch in Zukunft als wichtiger Verbindungsspieler zum Westen auftreten.

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Wie ist es der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik gelungen sich innerhalb eines Jahrzehnts regional und international so zu profilieren, dass kaum noch wer Slowenien mit dem ehemaligen Jugoslawien in Zusammenhang bringt? Welche Transformationsprozesse haben diesen Kleinstaat ökonomisch, politisch und sozial so modernisiert, dass er unter den EU-Aufnahmekandidaten als Vorzeigemodell und unter den anderen jugoslawischen Nachfolgestaaten als uneinholbare Avantgarde gilt?

Slowenien war bereits innerhalb des damaligen Gesamtstaates Jugoslawien im Bereich der Ökonomie und der Politik am weitesten fortgeschritten. Es verzeichnete schon in den achtziger Jahren das höchste Pro-Kopf-Einkommen unter den jugoslawischen Teilrepubliken, das doppelt so hoch war wie der jugoslawische Durchschnitt. Die Stärke seiner Wirtschaft beruhte auf seiner guten Infrastruktur, einem großen jugoslawischen Binnenmarkt und seiner relativ starken Exportorientierung.

Politische Trümpfe Nicht nur die gute ökonomische Ausgangslage, auch das Entstehen einer sozialen und kulturellen Opposition erhöhten in den achtziger Jahren den Druck in der national homogenen Teilrepublik auch politische Reformen zuzulassen. Die damalige kommunistische Führung der Republik war aufgeschlossen und klug genug, auch die gegen sie gerichtete Kritik anzunehmen und sie als Instrument gegen die versteinerten Strukturen des Gesamtstaates und die bereits unübersehbaren großserbischen Rezentralisierungsbestrebungen zu verwenden. So war es das offizielle Slowenien, das die Kosovopolitik Belgrads bereits in den achtziger Jahren heftig kritisierte. Der von der jugoslawischen Armee angestrengte Prozess gegen slowenische Journalisten, die geheime Armeedokumente publizierten und die nationale Geschlossenheit, mit der dagegen in Ljubljana protestiert wurde, bildeten einen entscheidenden Entwicklungsschub für das sich herausbildende, aber noch embryonale pluralistische politische System.

Die Prozesse der Modernisierung der ökonomischen, sozialen und politischen Strukturen in Slowenien und seine zunehmende Distanzierung vom jugoslawischen Gesamtstaat verliefen nicht nur parallel zueinander, sondern verstärkten einander noch und prägten einen für Slowenien charakteristischen "Transitionsspfad". Sowohl der Weg zur Unabhängigkeit als auch die seither gemachten Transformationserfolge sind durch diese Doppelstruktur gekennzeichnet. Die kurze und wenig verlustreiche slowenische Phase des Jugoslawienkriegs ist heute nur mehr eine Episode in diesem Prozess. Damals bestimmte der Krieg jedoch das weitere Schicksal Sloweniens ebenso wie das der anderen Teilrepubliken Kroatien und Bosnien.

Slowenien besaß dabei militärische wie politische Trümpfe, die es geschickt einzusetzen wusste. Zunächst war es mit seiner gut ausgebildeten und mit dem Gelände vertrauten Territorialverteidigung der fast ausschließlich aus Rekruten bestehenden jugoslawische Volksarmee weit überlegen. Was noch viel wichtiger war: politisch gesehen konnte Slobodan Milosevic' den Verlust des Slowenienkrieges dazu nützen, sein eigentliches politisches Ziel anzuvisieren. Bei der Rezentralisierung Jugoslawiens unter großserbischen Vorzeichen war der Verbleib Sloweniens, das ohne eigene serbische Minderheit und national homogen war, eher ein Hindernis als eine Chance für die weitere nationalistische Mobilisierung.

Der Krieg und das Bild, das die Bundesarmee dabei bot, war eine gute Gelegenheit die jugoslawienorientierte unitaristische Führung der Streitkräfte zu entmachten und sie gegen eine großserbisch orientierte Militärführung auszuwechseln. Selbst die schließlich politisch paktierte Verhandlungslösung, die mit dem Abzug des jugoslawischen Militärs aus Slowenien endete, war für Belgrad wichtig, um vor allem Europa als Friedensstifter zu überzeugen und so seine Ausgangspositionen für die nächsten Kriege zu verbessern.

Das nun unabhängige Slowenien wurde durch den plötzlichen Verlust seines jugoslawischen Marktes hart getroffen und brauchte einige Jahre, um sich von diesem Schock zu erholen. Doch heute - eine Dekade später - steht es, was seine wirtschaftliche Stabilität und den Lebensstandard seiner Bevölkerung angeht, nicht nur im direkten Vergleich mit allen anderen jugoslawischen Teilrepubliken, sondern auch mit den anderen post-kommunistischen Staaten in Osteuropa wieder als nachahmenswertes Erfolgsbeispiel da. Es hat seine Exportorientierung zu den westlichen Nachbarstaaten gefestigt und mit seiner diplomatisch geschickten und sehr pragmatischen Vorgangsweise auch den ex-jugoslawischen Markt zurückgewonnen.

Nationaler Konsens Politisch gesehen ist Slowenien ebenfalls ein Erfolgsbeispiel: es weist ein parlamentaristisches System auf, das selbst einem autokratischeren Präsidenten als Milan Kucan - der übrigens wie kein anderer den ohne radikalen politischen Bruch vollzogenen Übergang Sloweniens vom jugoslawischen Einparteiensystem zum post-kommunistischen Reformstaat symbolisiert und der slowenische Politiker mit dem höchsten Ansehen ist - nur eine symbolische Rolle zugesteht.

Das zu Beginn der neunziger Jahre stark partikularistische Parteiensystem hat sich zu einem relativ stabilen Mehrparteiensystem entwickelt, wobei die im Parlament vertretenen Parteien weder auf der linken noch rechten Seite des politischen Spektrums extreme Positionen vertreten. Nicht nur das Parteiensystem hat sich gefestigt, die jeweiligen Regierungskonstellationen sind im Vergleich zur Anfangsphase tendenziell stabiler, wobei die Liberal-Demokraten unter Janez Drnovsek, der seit Ende letzten Jahres auch der Premier der aktuellen Koalitionsregierung ist, die am kontinuierlichsten an der Regierung beteiligte Partei darstellt.

Über politische Tagespolitik, ideologische Auseinandersetzungen und Regierungswechsel hinweg, bleibt der Konsens über nationale Interessen bestehen. Die Zustimmung zu wichtigen politischen Fragen wie dem EU-Beitritt und der Nato-Vollmitgliedschaft ist innerhalb der politischen Elite ebenso unumstritten wie unter der Bevölkerung und machen Slowenien damit auch zu einem berechenbaren und stabilen Partner in Europa. Dazu ist es Slowenien ebenso gelungen, innerhalb Europas eine wichtige staatliche Nischenposition zu besetzen.

Die Bindegliedfunktion, die es bereits als jugoslawische Teilrepublik ausübte, setzt es auch außerhalb dieses Rahmens fort, indem es vis-a-vis den anderen ex-jugoslawischen Nachfolgestaaten als "Verbindungsspieler" zum "Westen" auftritt und sich innerhalb Europas als Kenner des für die europäische Sicherheit und Stabilität so wichtigen ex-jugoslawischen Raums positioniert.

Die strategische Position in der Region sowie die interne politische Kohärenz sind die wichtigsten Ingredienzien für die erfolgreiche Transformation Sloweniens. Slowenien wird auch nach dem EU-Beitritt, der das Land dann zum dritten Mal in eine neue politische Arena versetzt, versuchen diese Stärken einzusetzen.

Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Österreichischen Institut für Internationale Politik und Südosteuropa-Expertin.

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