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Ein starkes Stück
Trotz aller gegenteiligen Bekenntnisse - auch von Papst Johannes Paul II. - ist der Antijuda-ismus in bestimmten kirchlichen Kreisen immer noch gegenwärtig. Ein klares Wort dazu täte not
Trotz aller gegenteiligen Bekenntnisse - auch von Papst Johannes Paul II. - ist der Antijuda-ismus in bestimmten kirchlichen Kreisen immer noch gegenwärtig. Ein klares Wort dazu täte not
Zugegebenermaßen handelt es sich bei der seit kurzem am Markt befindlichen rechten Wochenschrift „Zur Zeit", die vom früheren FPÖ-Ideologen Andreas Mölzer herausgegeben wird, nicht um das meistverbreitete Medium Österreichs. Immerhin versteht sich die Publikation aber als Spiegel des rechten Zeitgeistes und bietet dem ganzen Spektrum entsprechender Geisteshaltungen eine neue Heimstatt. So versucht das Blatt, auch einen Teil des konservativen Katholizismus anzusprechen; in dieser Richtung einschlägig bekannte Autoren konnten gewonnen werden. Einer davon, von Andreas Mölzer als „hochkonservativer Theologe" apostrophiert, ist Robert Prantner, unter anderem Professor für Ethik und Gesellschaftslehre an der Theologischen Hochschule in Heiligenkreuz.
In „Zur Zeit" vom 5. - 11. Dezember 1997 äußert sich Prantner unter dem Titel „Gratwanderung auf einer Einbahnstraße?" zum christlich-jüdischen Dialog. Nicht nur die hier gebrauchte Metapher ist mißglückt. Der ganze Artikel ist ein starkes Stück und über weite Strecken purer AntiJudaismus. Er darf nicht unwidersprochen bleiben.
Anlaß für Robert Prantners „Bilanz einer 30jährigen Geschichte des Versuchs einer christlich-jüdischen Neubesinnung" waren die jüngsten Äußerungen des Wiener Erzbischofs über den christlichen AntiJudaismus: Schönborn kündigte bekanntlich die Anbringung einer Tafel unter einer antisemitischen Aufschrift am Wiener Judenplatz an, die das Judenpogrom von 1420 verherrlicht. Auf der Tafel soll an die Schuld der Christenheit an den Juden erinnert werden. Prantner beurteilt die Aktivität „des hochzuschätzenden Erzbischofs Christoph Schönborn" als die im Titel genannte „Gratwanderung auf einer Einbahnstraße".
Warum Einbahnstraße? Weil nach den Worten von Autor Prantner auch die Juden sich für jüdische Verbrechen an katholischen Christen zu entschuldigen hätten, dies aber offenbar nicht tun. Welche Verbrechen meint Prantner? Der Autor im Original: „Es wäre eine Verfälschung der Geschichte, etwa bestimmte Bitualmorde zu mittelalterlicher Zeit dem phantasiebestimmten ,Haß des Nationalsozialismus' zuzuschreiben. Auch Verbrechen von jüdischen Menschen an Christen, wie etwa dem seligen Märtyrerkind Anderl von Rinn wie an erwachsenen Menschen zu vorösterlicher Zeit." Einige Zeilen später legt der Autor noch zu: „Auch das Blut gemordeter Christen, vergossen durch jüdische Hand, schreit zum Himmel! So erwartet man einen Kongreß der Weltjudenheit auf religiöser Grundlage, in dessen Verlauf das ,Neue Gottesvolk' (die Christen, Anm.) - des ,Neuen Testaments', geboren aus dem Blute Jesu, am Kreuze durch den Hohen Rat der Judenheit vor knapp 2.000 Jahren - um Verzeihung gebeten wird." Aussagen wie die zitierten widersprechen allem, was die Kirche seit Jahrzehnten über Judentum und AntiJudaismus lehrt. Sie stehen in Gegensatz zum Zweiten Vati-kanum, zu den entsprechenden Aussagen aller Päpste seither - insbesondere auch Johannes Pauls II.
Robert Prantner weiß darum, denn er referiert diese kirchliche Orientierung auch in seinen Betrachtungen -um dennoch zum obigen Schluß zu kommen. Und er hält unverbesserlich am Anderl-von-Rinn-Kult fest, dessen Verbot er als eine Art Marotte des Innsbrucker Altbischofs Reinhold Stecher hinstellt. Es ist müßig, auf die tatsächliche Faktenlage dazu oder auf die eindeutige Abkehr der katholischen Kirche von antijüdischen Vorwürfen jedweder Provenienz hinzuweisen.
Trotzdem bleibt Beklemmung zurück: Denn das christlichjüdische Gespräch, das nicht zuletzt wegen der Hypothek Jahrtausende alter christlicher Ressentiments so schwierig ist, benötigt nichts dringlicher als Glaubwürdigkeit. Wie kann also ein an einer katholischen theologischen Hochschule Lehrender diese „Gratwanderung auf einer Einbahnstraße" unwidersprochen veröffentlichen? Der Artikel desavouiert sowohl die vielen Christen, die sich ehrlich (und ohne unhaltbare Entschuldigungsforderungen an die jüdische Seite zu richten) um einen zukunftsweisenden Dialog bemühen als auch deren jüdische Gesprächspartner, die Prantner als „höflich kalt" bis „zynisch" denunziert.
Hier tun klare Worte not, zu den Bekenntnissen über die Schuld der Vergangenheit gehört unabdingbar das überzeugende Zeugnis in der Gegenwart. Darum ist auch von der österreichischen Kirchenleitung zu fordern, daß sie AntiJudaismus unmißverständlich aus den eigenen Reihen verbannt. Es wäre prekär, ließe sich die Kirche durch unnverblümte Publikationen wie den gegenständlichen Artikel in Geiselhaft nehmen: Da die Kirche „alle ... Manifestationen des Antisemitismus" verwirft, wie es in der Konzilserklärung „No-stra Aetate" heißt, muß sie sich gegen einschlägige Werke zur Wehr setzen.
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