Ein Vorwarnsystem für Politiker und Regierung

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Wie wird man es Ethikern abnehmen, dass sie sich zum Staatsanwalt von Blastomeren machen, wenn sie Ethik in der Kommunikation mit dem Nächsten vermissen lassen?

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Wie wird man es Ethikern abnehmen, dass sie sich zum Staatsanwalt von Blastomeren machen, wenn sie Ethik in der Kommunikation mit dem Nächsten vermissen lassen?

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Es scheint nun tatsächlich so zu sein, dass die biomedizinischen Fächer, aufgerüstet durch die Computertechnologie, beginnen, die Welt, die Gesellschaft und das Menschbild zu verändern, was völlig neue politische, psychologische und ethische Probleme aufwirft. Ein Gremium, das sich darüber den Kopf zerbrechen soll, ist von hoher Notwendigkeit und sinnvoll. Es ist allerdings ein schwieriges Unterfangen, denn wer hat auf dem Gebiet schon wirklich Erfahrung?

Deshalb wird die geplante Bioethik-Kommission erst mit der Zeit ihre endgültige Form finden müssen. Nach den Worten des Bundeskanzlers ist sie ein "Vorwarnsystem", welches Politiker und Regierung auf jene wissenschaftliche Neuerkenntnisse aus dem Gebiet der Biomedizin, die hohe gesellschaftliche Bedeutung haben, aufmerksam machen soll. Keinesfalls ist dieses Gremium dafür da, Gesetzesnovellen vorzubereiten, dies ist bekanntlich Aufgabe der Volksvertretung.

Sollte das in der jüngsten Vergangenheit wiederholt angesprochene Fortpflanzungshilfegesetz novelliert werden, so liegt auch das letzten Endes im Verantwortungsbereich des Parlamentes und nicht von Kommissionen, wenngleich auch derartige Änderungen einen großen gesellschaftlichen Diskussionsprozess notwendig machen. Dies hat europaweit auf dem Gebiet der kryokonservierten (tiefgefrorenen) Embryonen begonnen und wurde letztlich vom Ethical Advisory Board der EU initiiert. Da-rüber zu informieren hat sich als notwendig erwiesen, wenn man den Wissensstand der Reaktionen betrachtet.

Neu wurde in die Europäische Diskussion eingeworfen, dass der Zerstörung tiefgefrorener Embryonen, wie das in vielen Ländern Gesetz ist, eine "Umprogrammierung" entgegengesetzt werden kann, bei der das genetische Programm - welches bislang Individualität, Einzigartigkeit und Leben symbolisierte - gewahrt bleibt. Das bei der Befruchtung entstandene Genom wird nicht zerstört, sondern durch zytoplasmatische Signale in einen bestimmten Differenzierungszustand gebracht, etwas, was auch während der normalen Embryogenese - allerdings später - stattfindet.

Obwohl diese Vorstellung nicht alle Probleme löst und es anzustreben ist, die Anzahl der kryokonservierten Embryonen zu reduzieren, so stellt die Idee doch eine interessante Diskussionsgrundlage dar, die wert ist, ethisch beleuchtet zu werden.Dies soll in aller Objektivität mit Augenmaß, mit Toleranz und Achtung vor der Meinung anderer erfolgen: Denn wie wird man es Ethikern abnehmen, dass sie sich zum Staatsanwalt von Blastomeren machen, wenn sie Ethik in der Kommunikation mit dem Nächsten vermissen lassen.

Der Autor ist Gynäkologe und Theologe.

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