Eher unerwartet und kurzfristig hat Wiens Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, zur öffentlichen Präsentation der Enzyklika „Critas in Veritate“ eingeladen. Die Sozialenzyklika sei „groß angelegt“, sie „kommt zur rechten Zeit“ und „trifft mitten hinein in die aktuellen Probleme der Finanz- und Wirtschaftskrise“ meinte Schönborn. Die Enzyklika zeige für nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens die verheerende Wirkung eines verengten, nicht auf Transzendenz, Liebe und Wahrheit ausgerichteten Menschen- und Weltbildes auf. Im Folgenden einige Zitate (Ziffern bezeichnen die Kapitel):
Gerechtigkeit und Gemeinwohl als Prinzipien für die Entwicklung
„‚Caritas in veritate‘ (Die Liebe in der Wahrheit) ist das Prinzip, um das die Soziallehre der Kirche kreist, ein Prinzip, das in Orientierungsmaßstäben für das moralische Handeln wirksame Gestalt annimmt. Besonders zwei von ihnen möchte ich erwähnen, die speziell beim Einsatz für die Entwicklung in einer Gesellschaf auf dem Weg zur Globalisierung erforderlich sind: Die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl ... Wer den anderen mit Nächstenliebe begegnet, ist vor allem gerecht zu ihnen. (6) “
Die staatliche Gewalt ist beschäftigt, Irrtümer zu korrigieren
„Heute – auch unter dem Eindruck der Lektion, die uns die augenblickliche Wirtschaftskrise erteilt, in der die staatliche Gewalt unmittelbar damit beschäftigt ist, Irrtümer und Misswirtschaft zu korrigieren – scheint eine neue Wertbestimmung der Rolle und der Macht des Staates realistischer. ... Es ist wünschenswert, dass eine tiefer empfundene Aufmerksamkeit und Anteilnahme der Bürger an der Res publica wachse. (24)“
Den Lebensstil ernsthaft überprüfen
„Die Verhaltensmuster, nach denen der Mensch die Umwelt behandelt, beeinflussen die Verhaltensmuster, nach denen er sich selbst behandelt, um umgekehrt. Das fordert die heutige Gesellschaft dazu heraus, ernsthaft ihren Lebensstil zu überprüfen, der in vielen Teilen der Welt zum Hedonismus und Konsumismus neigt und gegenüber den daraus entstehenden Schäden gleichgültig bleibt. (51)“
Die Moral ist entscheidend für eine Human- und eine Umweltökologie
„Um die Natur zu schützen, genügt es nicht, mit anspornenden oder einschränkenden Maßnahmen einzugreifen, und auch eine entsprechende Anleitung reicht nicht aus. Das sind entscheidende Hilfsmittel, aber das entscheidende Problem ist das moralische Verhalten der Gesellschaft. Wenn das Recht auf Leben und auf einen natürlichen Tod nicht respektiert wird, wenn Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt des Menschen auf künstlichem Weg erfolgen, wenn Embryonen für die Forschung geopfert werden, verschwindet schließlich der Begriff Humanökologie und mit ihm der Begriff der Umweltökologie aus dem allgemein Bewusstsein. (51)“
Einsamkeit, eine der schlimmsten Arten von Armut
„Eine der schlimmsten Arten von Armut, die der Mensch erfahren kann, ist die Einsamkeit. Genau betrachtet haben auch die anderen Arten von Armut, einschließlich der materiellen Armut, ihren Ursprung in der Isolation, im Nicht-geliebt-Sein oder in der Schwierigkeit, zu lieben. (53) “
Wert und Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen
„Der Mensch als Geschöpf von geistiger Natur verwirklicht sich in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Je echter er diese lebt, desto mehr reift auch seine eigenen persönliche Identität. Nicht durch Absonderung bringt sich der Mensch zur Geltung, sondern wenn er sich in Beziehung zu den anderen und zu Gott setzt. Die Bedeutung solcher Beziehungen wird also grundlegend. (53)“
Der Beitrag der Religionen zur Entwicklung
„Die christlichen Religion und die anderen Religionen können ihren Beitrag zur Entwicklung nur leisten, wenn Gott auch im öffentlichen Bereich mit spezifischem Bezug auf die kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und insbesondere politischen Aspekte Platz findet. Die Soziallehre der Kirche ist entstanden, um dieses ‚Statut des Bürgerrechtes‘ der christlichen Religion geltend zu machen. (56)“
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!