Eine delikate Mission

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Vom 8. bis zum 15. Mai fährt Papst Benedikt XVI. nach Jordanien, Israel und in die palästinensischen Gebiete. Eigentlich weist diese "Pilger"-Reise alle Ingredienzien einer "Mission impossible" auf.

* Eine Analyse von Otto Friedrich

Es ist nicht seine erste Reise, die mit dem Attribut "delikat" zu versehen wäre: Ende 2006, als der Papst in die Türkei aufbrach, sprachen viele von einem Minenfeld, in das sich Benedikt XVI. begab. Und auch damals ging es um Kalamitäten, die der Papst höchstselbst verursacht und zu bereinigen hatte: Da war das islamkritische Zitat in seiner Regensburger Vorlesung 2005, das die muslimische Welt erzürnt hatte. Aber Benedikt XVI. gelang es in Worten und Begegnungen jenen Respekt wiederzuerlangen, der durch Regensburg verspielt worden war.

Troubleshooter in eigener Sache

Wenn der Papst vom 8. bis 15. Mai in den Nahen Osten fährt, wird er wieder einen Teil seiner Künste als Troubleshooter in eigener Sache nötig haben: Die Kontroversen um die Karfreitagsfürbitte für den vorkonziliaren Ritus und - noch dramatischer - die Auseinandersetzungen um die Begnadigungen der Pius-Bruder-Bischöfe Anfang des Jahres warfen Schatten auf die Reise. Es gibt Stimmen, welche die Last dieser Ereignisse als übermächtig einschätzen: Das Bemühen Roms, mit dieser Reise alle nur erdenklichen Zweifel an der Standfestigkeit in Sachen Antisemitismus und Stellung zum Judentum auszuräumen, habe das Programm diktiert. Am Sonntag betonte der Papst denn auch beim Angelus-Gebet in Rom noch einmal, es gehe ihm um eine Pilgerfahrt zu den heiligsten Stätten der Christenheit, um eine Stärkung der bedrohten Christen im Heiligen Land, um Impulse für eine Nahost-Friedensprozess sowie um Ökumene und interreligiösen Dialog: Die Aufzählung macht klar, wie komplex die Lage ist und wie divergent die Interessen sind, die der Pontifex bedienen will und muss. Da sind der Dialog mit dem Judentum und die Beruhigung der jüngsten Turbulenzen nur ein Punkt auf einer riesigen Agenda.

Zumindest letzteres Minenfeld scheint vor Reisebeginn entschärft: Die Affäre um den Holocaust-Leugner Richard Williamson sei für die Beziehungen zwischen katholischer Kirche und Judentum gar von Vorteil gewesen, ließ der prominente jüdische Dialogpartner mit den Christen, Rabbi David Rosen, Anfang der Woche in Jerusalem verlauten: Er habe nie Zweifel an der persönlichen Ablehnung von Williamson & Co durch den Papst gehabt. Durch die Vorfälle sei die ultrakonservative Pius-Bruderschaft jetzt "unter mikroskopischer Beobachtung".

Vor den Argusaugen der Welt

Entspannungssignale jüdischer Vertreter sind das eine. Klar bleibt aber, dass jeder Schritt, jede Geste und jedes Wort des deutschen Papstes in Israel - nicht zuletzt in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem - von der jüdischen Welt mit Argusaugen beobachtet wird. Dazu kommt, dass Benedikt XVI. auf den Spuren großer Gesten seiner Vorgänger im Heiligen Land wandeln wird, die kaum mehr überbietbar scheinen.

Paul VI. war 1964 als erster Papst ins damals Jordanien zugeschlagene (Ost-)Jerusalem gekommen. Er traf dort erstmals den Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I.; die Begegnung führte ein Jahr später zur Aufhebung des Kirchenbanns zwischen Rom und der Orthodoxie aus dem Jahr 1054. Benedikt XVI. wird diesmal den griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem treffen, spektakulär ist das alles längst nicht mehr.

36 Jahre nach Paul VI. war Johannes Paul II. in der Stadt - das Zeichen des gebrechlichen Papstes, der einen Zettel mit der katholischen Vergebungsbitte über die jahrhundertelange Verfolgung der Juden in die Klagemauer steckte, ist ins Weltgedächtnis eingeschrieben.

All das kann der gegenwärtige Pontifex nicht mehr toppen. Er wagt sich vielmehr in eine instabile politische Situation in Israel: Die neue Rechtsregierung ist kaum im Amt und die Verhandlungen zwischen katholischer Kirche und Israel, die nach dem Grundlagenvertrag von 1993 längst unter Dach und Fach sein müssten, gestalten sich weiter zäh. Es geht da um Steuererleichterungen für katholische Einrichtungen sowie um Kirchenbesitz und -gebäude: Dieser Tage gab es etwa das Gerücht, die katholische Kirche sollte den historischen Abendmahlssaal in Jerusalem zurückerhalten. Es blieb beim Gerücht. Die vatikanisch-israelische Kommission, die sich mit diesen Fragen beschäftigt, schloss dieser Tage ihre Plenarsitzung ohne konkrete Fortschritte; sie wird erst wieder im Dezember tagen.

Doch es geht bei dieser Reise beileibe nicht nur um vatikanisch-israelische oder katholisch-jüdische Beziehungen. Der Papst will - und muss - auch den Christen Mut zusprechen, die im Nahostkonflikt zerrieben zu werden drohen und meist auf der arabischen Seite stehen. Deren Erwartungen sind bestenfalls mit "ambivalent" zu beschreiben (vgl. dazu Philipp Harnoncourt unten). In Nazareth und - erstmals - in Jerusalem wird er große Gottesdienste zelebrieren.

Ein heiliger und steiniger Boden

Am wenigsten "delikat" dürfte der Besuch des Papstes in Jordanien vom 8. bis 10. Mai verlaufen, wo er unter anderem vor muslimischen Religionsgelehrten sprechen wird. Um sein Programm in den Palästinensergebieten gab es hingegen ein heftiges Tauziehen: Nach Gaza wird Benedikt XVI. nicht kommen, er feiert am 13. Mai einen Gottesdienst in Betlehem und besucht das Flüchtlingslager Aida im Westjordanland.

Israel-Palästina-Jordanien ist für einen Christen das Heilige Land. Aber nicht nur für einen Papst auch steiniger Boden.

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