Eine Frage der Ethik

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Auch bei Ausschöpfung eines Großteils der Ineffizienzen muss einmal die Frage beantwortet werden, wie die Kosten zu verteilen sind.

Es wird viel zu hören sein in den nächsten Wochen: von Zwei-Klassen-Medizin und optimaler Gesundheitsversorgung, von Krankenkassendefiziten und Selbstbehalten. Die Reform des Gesundheitswesens ist auch in Österreich ein Thema geworden, das die Politik bewegt.

Die Brisanz erlegt der Diskussion freilich zahlreiche Tabus auf, vor denen nicht nur aus Sicht der Gesundheitsökonomen, sondern auch der Ethik gewarnt werden muss. Die Gestaltung des Gesundheitssystems ist eben nicht nur eine fachwissenschaftliche Angelegenheit der Ökonomen, Sozialmediziner und Juristen, sondern macht auch eine intensive Auseinandersetzung mit grundlegenden Werten in Staat und Gesellschaft nötig. Als solches ist sie ein Thema der Ethik.

Schon jetzt wird gespart

In den nächsten Jahren wird die Entscheidung im Vordergrund stehen, wie die begrenzten Mittel verteilt werden sollen. Es geht nämlich nicht um die Frage, ob ein Knappheitsproblem herrscht, sondern darum, wie die Gesellschaft im Gesundheitsbereich damit umgehen möchte. Schon heute werden Gesundheitsleistungen rationiert: Personal wird eingespart, obwohl sich die Fallzahlen und schweren Krankheitsverläufe erhöht haben; bei Verbrauchsmaterial wird gespart, sodass die Handhabung von Behelfen komplizierter wird; bei Medikamenten wird nicht das beste, sondern das zweitbeste und billigere genommen; Patienten werden so bald wie möglich entlassen, weil noch gefährdetere aufgenommen werden müssen.

Vor diesen Herausforderungen gilt es, einen breiten Diskussionsprozess zu starten, der sich zunächst mit dem Erfordernis der Transparenz beschäftigt: Die Kosten für medizinische Behandlungen, die Interessen der unterschiedlichen Akteure und die Entscheidungsfindung, insbesondere der behandelnden Ärzte, sind transparent zu machen. Die Angemessenheit der Behandlung im Einzelfall soll Gegenstand bewusster medizinisch-ethischer Urteilsbildung sein. Danach gilt es, entsprechende Anreize über die Honorarordnung zu setzen, so dass etwa Patientengespräche gegenüber anderen Behandlungsmaßnahmen adäquat vergütet werden.

In der Fülle medizinisch-technischer Möglichkeiten wird in Zukunft der Effektivität und Angebotsqualität eine besondere Rolle zukommen müssen: Für eine solidarisch finanzierte Maßnahme muss ein Beleg für die Wirksamkeit einer medizinischen Leistung erbracht und diese nach einheitlichen Qualitätsstandards erstellt werden.

Natürlich wird das System auch bei Ausschöpfung eines Großteils der Ineffizienzen nicht um die Frage herum kommen, wie die Kosten zu verteilen sind. Hierbei ergibt sich einerseits der Grundsatz der Solidarität, sodass die Gesamtkosten so zu verteilen sind, dass vielen ein kleines Opfer - gemessen an ihren Möglichkeiten - und nicht dass wenigen ein für ihre finanziellen Verhältnisse großes Opfer auferlegt wird. Andererseits gilt es aber auch, sich bei der Einführung von Neuerungen zu Lasten dieser Solidargemeinschaft zurückzuhalten.

Nötige Prioritätensetzung

Die Gesellschaft wird sowohl auf gesamt-staatshaushaltlicher Ebene, als auch innerhalb des Gesundheitswesens nicht auf eine Prioritätensetzung verzichten können. Auf ihrer Basis gilt es sodann zu bestimmen, welche Leistungen unbedingt solidarisch finanziert werden müssen. Die Ethik kann dazu beitragen, diese notwendigen Diskussionsschritte rational zu gehen und zu einem verträglichen Ergebnis zu kommen.

Der Autor ist verantwortlicher Entwickler von zwei Forschungsprojekten zum Thema "Ethik und Gesundheitssystem" am Institut für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien.

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