Eine heidnische Heils-Politik

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„Jörg Haider hat mit seinem Leben Tribut gezahlt. Das ist der höchste Preis, den man zahlen kann.“ Solches sprach einer der drei BZÖ-Politiker, die letzten Sonntag in der TV-Runde „Im Zentrum“ zugegen waren. Einen Kulturanthropologen auf der Suche nach Anschauungsmaterial muss ob solchem Sinnspruch das Wasser im Mund zusammenlaufen: Wer studieren will, wo ein archaischer Opfermythos heute noch fröhliche Urständ feiert, wird unter den politischen Haider-Hinterbliebenen schnell fündig.

Auch Religionspsychologen können sich die Hände reiben: Die Unterwerfungssehnsucht der Epigonen unter das überhöhte Bild eines Jörg Haider, das von den allzu banalen Umständen seines „Opfertodes“ gereinigt ist, bietet eine Fülle Stoff für entsprechende Forschung. Ebenso die kollektive Neurose, die zum Todestag der Sonne, die in Kärnten vor Jahresfrist vom Himmel gefallen ist (© Gerhard Dörfler), erneut zu Tage trat.

Instrumentalisierte Religion

Die Österreich-Ausgabe der Zeit titelte zuletzt „Der heilige Haider“ und brachte gemeinsam mit einem Devotionalienbild, auf dem „St. Jörg Haider“ abgebildet war, die religiöse Dimension der Vorgänge auf den Punkt. Dieser Dimension wird in der öffentlichen Auseinandersetzung viel zu wenig Augenmerk geschenkt. Von den Vertretern der Religion ist dazu nichts zu hören.

Dabei gäbe es hier einiges über die Instrumentalisierung der Religion zu sagen. Um nicht missverstanden zu werden: Religion hat immer auch eine Trostfunktion, sie bietet Antwort auf Sinnfragen und gibt den Menschen, gerade in Situationen, wo menschliche Erklärung scheitert, eine Perspektive. Und sie ist aufgefordert, Trauernde zu trösten und den Zurückgebliebenen zu sagen: Du bist nicht allein.

Das alles hat die Religion auch im Gefolge von Jörg Haiders Tod zu leisten. Doch Religion – das zeigen die Vorgänge in Kärnten allemal – ist eben keine Privatsache, und jeder Gedenkgottesdienst erweist sich in diesem Zusammenhang nicht nur als das Gebet für einen Verstorbenen, sondern wird auch Teil der politischen Inszenierung.

Es handelt sich um eine Gratwanderung: Man kann (und soll) Gedenkmessen auch für Jörg Haider nicht verbieten. Aber die christliche Verbrämung eines ganz und gar nicht christlichen Phänomens gehört auf die Tagesordnung des öffentlichen Diskurses.

Dass in der politischen Auseinandersetzung das christliche Abendland beschworen wird, hat ja erst vor Kurzem zu Kontroversen geführt. Doch wer für die Pflege von jüdisch-christlichen Wurzeln Europas eintritt, sollte gegen die atavistische Opfer-Religiosität, der Haiders Nachfahren verfallen sind, auftreten. Das Judentum weiß seit der Geschichte von Abraham und Isaak, dass sein Gott keine Opfer braucht und will („Liebe und Gerechtigkeit will ich, nicht Opfer“, so lässt ein biblischer Prophet Gott sprechen). Und das Christentum identifiziert dazu Jesus als das „Opferlamm“, das alle Menschheitsschuld auf sich geladen hat.

Die Propheten sind verschwunden

Nein, Jörg Haider war weder der Heiland noch die Mutter Teresa von Kärnten. Wer das – wir unterstellen einmal: unbewusst – glauben machen will, dem ist deutlich zu widersprechen und zu zeigen, dass er sich wohl religiöser Versatzstücke bedient, die aber keinesfalls auf einem jüdischen-christlichen, sondern auf einem neu-heidnischen Hintergrund fußen.

Warum aber wird das alles von den Sprechern der Religion im Land nicht thematisiert? Die Bibel erzählt ja wiederholt vom Fall des Volkes Gottes in den Götzendienst. Dagegen traten die Propheten auf – und legten sich lautstark mit den politischen und religiösen Autoritäten ihrer Zeit an. Es mag ein für sich sprechendes Zeichen der Zeit sein, dass im angeblich (jüdisch-) christlichen Abendland die Propheten und sogar die prophetische Rede verschwunden sind.

Anders ist nicht zu erklären, dass die orangen Berserker ihre heidnische (Heils-)Politik rund um Jörg Haider treiben können. Und das christliche Österreich schaut befremdet, aber schweigend zu.

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