Eine Position wie ein Sandwich

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Er soll die Anliegen Roms vertreten, aber gleichermaßen für die Basis, an der es brodelt, da sein. Paul Iby hat in seinen 18 Jahren als Bischof von Eisenstadt auch diese Schwierigkeiten des Amtes erfahren. Am 14. August verabschiedet sich der populäre Hirte von seiner Diözese: Er übergibt ein geordnetes Haus.

Umzugsstimmung im Eisenstädter Bischofshof: Bis zur Weihe des Nachfolgers sind es wohl noch gut sechs Wochen. Doch Bischof Paul Iby ist bereits voll mit seiner Übersiedlung beschäftigt, als er die FURCHE zum Interview empfängt.

Die Furche: Fast 18 Jahre sind Sie an der Spitze die Diözese Eisenstadt gestanden: Übergeben Sie ein wohlbestalltes Haus?

Bischof Paul Iby: Ich übergebe, meine ich, ein geordnetes Haus mit keinen schwierigen Belastungen, aber doch mit einigen Projekten, die nicht mehr durchgeführt werden konnten – vor allem mit einem Programm, dass in diesem Jahr abgeschlossen werden sollte, nämlich, Perspektiven nach 50 Jahren Diözese Eisenstadt festzulegen. Dies sollte beim Diözesantag am 23. Oktober geschehen. Der ist jetzt verschoben worden.

Die Furche: Wenn Sie selber aber eine Perspektive formulieren, wie lautet diese?

Iby: Ich sehe als Perspektive, eine missionarische, eine einladende Kirche zu sein.

Die Furche: Vor bereits zwölf Jahren gab es den „Dialog für Österreich“, und der wurde – einmalig in Österreich – im „Dialog für Burgenland“ weitergeführt. Unterscheidet sich das, was da vor fünf, sechs Jahren entwickelt wurde, mit den Perspektiven von heute?

Iby: Ich glaube schon. Vor fünf Jahren ging es überhaupt ums Ingangsetzen eines Dialogs – dass etwa in einer Gemeinde zwischen Pfarrgemeinderat und politischem Gemeinderat Gespräche stattfinden oder von Vertretern der Diözese mit der Regierung oder mit den Parteien. Das war zunächst ein Abtasten ohne konkret sichtbare Erfolge. Aber mit der Zeit hat sich das entwickelt. Ich glaube, jetzt sind wir soweit, dass diese Gespräche auch zu konkreten Maßnahmen führen.

Die Furche: Sie beschreiben hier das Gespräch zwischen Kirche und Gesellschaft. Doch der „Dialog für Burgenland“ und das Nachdenken über Perspektiven heute betreffen auch den Dialog innerhalb der Kirche.

Iby: In den letzten Jahren haben hier Auseinandersetzungen begonnen, denen wir uns nicht verschließen können. Wenn ich die einzelnen Plattformen nehme, die sich etabliert haben und wo auch Vertreter aus unserer Diözese dabei sind: Hier werden Wünsche an die Zukunft der Weltkirche gestellt. Ich glaube, dass hier das Gespräch notwendig ist, und dass von der Basis auch an die Spitzen in Rom Anliegen vorgetragen werden, die einer Behandlung bedürfen. Freilich sind das Reformvorschläge, die nicht von einer Kongregation oder von einer einzelnen Person entschieden werden können, das ist in größerem Rahmen zu diskutieren, ich denke hier an eine Bischofssynode und vielleicht auch an ein weiteres Konzil.

Die Furche: Vor zwei Wochen hat die FURCHE hat zum 50-jährigen Bischofsjubiläum den brasilianischen Bischof Dom Clemente Isnard gewürdigt, der als 91-Jähriger seine Reformideen zu Papier gebracht hat …

Iby: … ich kenne sein Buch …

Die Furche: … und dieser Bischof hat im Wesentlichen drei Reformpunkte eingemahnt: Der erste ist der Modus der Bischofsbestellungen und die Notwendigkeit, auch die Laien daran zu beteiligen, der zweite betrifft die Lebensform der Priester – darunter den Pflichtzölibat – und die dritte ist die Stellung der Frau in der Kirche.

Iby: Man kann die Anliegen sicher auf diese drei Punkte fokussieren. Ich habe dieses Büchlein gelesen. Dom Clementes Vorschläge sind mutig; ich glaube, dass dieser Bischof in seiner Weisheit des Alters nicht persönliche Probleme, sondern Probleme der Kirche, die ihn bewegen, formuliert hat.

Die Furche: Sie haben sich vor Kurzem ja auch selber zu Wort gemeldet und für die Lockerung des Pflichtzölibats plädiert.

Iby: Ich habe meine persönliche Meinung zum Ausdruck gebracht. Die Reaktionen darauf werte ich nicht als Beifall zu einer modernen Äußerung, sondern als Bestätigung: Ja, das sind Anliegen, die uns bewegen und wo wir von der Kirche Lösungen erwarten.

Die Furche: Sie müssen als Bischof auch ein Anwalt Roms sein. Andererseits sind Sie auch Bischof der Menschen im Burgenland.

Iby: Es ist eine Sandwich-Position. Vor allem, wenn ich das Beharren auf Tradition von Rom, das sehr stark ist, hernehme, und auf der anderen Seite brodelt es an der Basis, wegen dieser Fragen. Es wäre aber schade, wenn es hier zu Spaltungen käme. Diese Fragen müssen bearbeitet, diskutiert und entschieden werden.

Die Furche: Soll dieser Dialog auch in Ihrer Diözese ein Thema sein?

Iby: Er sollte auf Österreich-Ebene stattfinden, dass nicht eine Diözese vorprescht, sondern dass die österreichischen Bischöfe sich mit diesen Fragen befassen – so wie sie sich intensiv mit den Missbrauchsfällen befasst haben. Denn die Anfragen etwa der Laieninitiative oder der Pfarrerinitiative bedürfen ja einer Antwort! Es wäre gut, offen miteinander zu sprechen.

Die Furche: Die Missbrauchsdebatten haben auch Ihre Diözese überschattet, dieser Tage kolportierte Kirchenaustrittszahlen sind dramatisch. Glauben Sie, dass die Kirche mit den mittlerweile beschlossenen Maßnahmen wieder glaubwürdig werden kann?

Iby: Das Vertrauen in die Kirche ist wirklich gemindert worden. Das wiederzugewinnen bedarf vieler Arbeit. Hier beobachten die Menschen sehr kritisch: Wie werden die konkreten Fälle behandelt und ist hier ein anderer Umgang von der Kirche zu erwarten?

Die Furche: Was war Ihnen als Bischof von Eisenstadt besonders wichtig?

Iby: Ich habe in den letzten Tagen viel über diese fast 18 Jahre meiner Verantwortung für diese Diözese nachgedacht, und da kann ich drei Punkte herausheben: Das Erste war, überhaupt ein Zugehen auf die Menschen ohne Barrieren zu ermöglichen. Das war am Anfang nicht leicht. Zum Zweiten bin ich mit der Jugend wirklich in Kontakt gekommen …

Die Furche: … Sie waren von 1995 bis 2003 österreichischer „Jugendbischof“ …

Iby: … etwa durch meine Jugendbriefe, auch ein Brief an die Kinder war dabei, die Jugend-Sozialaktion „72 Stunden ohne Kompromiss“ ist da entstanden: Das war ein Erfolgserlebnis. Und das Dritte betrifft den Bildungsauftrag der Kirche. Ich war stark involviert in den Umbau der Pädagogischen Akademie Burgenland zur Pädagogischen Hochschule. Da ist es auf mühsamem Weg gelungen, einen Teil der Lehrerausbildung im Lande zu halten. Wir haben auch zeichenhaft vorbildliche konfessionelle Schulen in der Diözese – ich glaube, auch das ist ein wichtiger Aspekt der Präsenz der Kirche in der heutigen Zeit.

* Das Gespräch führte Otto Friedrich

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