6695961-1963_07_08.jpg
Digital In Arbeit

Eine veränderte Perspektive

Werbung
Werbung
Werbung

Von diesen Forderungen war der größere Teil der Vorlagen so weit entfernt, daß nicht einmal an teilweise Abänderungen zu denken war. Eine radikale Umarbeitung war notwendig. Zu dem Schema „Uber die Quellen der Offenbarung“ hat ein belgischer Bischof gesagt: „Wenn dieses Schema vom Konzil approbiert werden sollte, würde man der Einheit der Christen nicht mit. einem einzigen Schritt nähergekommen, sie würde vielmehr endgültig kompromittiert sein.“ Papst Johannes hat, wie bekannt, die Zurückziehung des Schemas angeordnet, obwohl der Wunsch der großen Majorität des Weltepiskopats nicht die vom Reglement vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit erreicht hatte. Er hat außerdem bestimmt, daß die Kardinäle Ottaviani und Bea, die in gewissem Sinn als Gegenpole oder Exponenten der beiden Richtungen auf dem Konzil, der mehr konservativen und der mehr neuzeitlich-fortschrittlichen, gelten, gemeinsam das neue, verkürzte Schema „Über die Offenbarung“ ausarbeiten sollen. Die Titeländerung deutet bereits eine veränderte Perspektive an: Für die Offenbarung kann es nur eine einzig« Quelle geben, nämlich Gott selbst, während die Schrift und die Traditior nur die Flüsse sind, durch die uns die Offenbarung zufließt. Die Abänderung ist aus Rücksicht auf den Protestantismus erfolgt, also aus jenem ökumenischen Geist heraus, der das Konzi zur großen Überraschung aller, dei Väter wie der Beobachter aus anderer Kirchen, charakterisiert und beseel hat. Die Kardinäle Ottaviani und Bei haben in den vergangenen Wochei unverzüglich die Neubearbeitung des Schemas in Angriff genommen und sind sich über seine Grundzüge einig geworden.

Was die neuzeitlichen Mittel der Meinungsverbreitung, Rundfunk, Fernsehen, Film und Presse, anbelangt, so ist eine aus Laien zusammengesetzte Kommission beauftragt worden, mehr noch als die Nützlichkeit dieser Mittel für die Evangelisierung, die allgemeinen Prinzipien für die Lösung der damit zusammenhängenden Probleme im pastoralen Sinn zu diskutieren und dem Konzil geeignete Vorschläge zu unterbreiten. Die Diskussion ist in vollem Gange und betrifft den Einfluß, den die Mittel auf den heutigen Menschen haben, und die Verantwortung, die dadurch jenen zufällt, welche sie gebrauchen. Ein afrikanischer Bischof hat auf dem Konzil erklärt; „Die Weise, wie die Frage des Einflusses des Fernsehens gelöst wird, wird die Formung des afrikanischen Menschen nicht in den nächsten Jahren, nein, schon in den nächsten Monaten bestimmen.“

Drei Schemata — ein Thema

Den Konzilsvätern waren drei Schemata übergeben worden, die mehr oder weniger das gleiche Thema behandelten: die Einheit der Christen. Mit ihr beschäftigte sich die Kommission für die Ostkirche, aber auch das vom Sekretariat für die Einheit der Christen vorbereitete Dokument über die Ökumene und schließlich auch ein Kapitel des theologischen Schemas. An diesem Beispiel wird sichtbar, welches die Aufgabe der koordinierenden Kardinalskommission ist. Sie wird mit den Sekretären der zuständigen drei Kommissionen ständig Fühlung halten, damit die Verschmelzung der Schemata in organischer Weise geschehen kann. Die erste Sitzungsperiode hat gewisse Schwächen der Vorbereitimg des Konzils aufgedeckt, aber sie war dennoch nicht unfruchtbar gewesen, denn sie hat den Vätern die richtige Methode gewiesen. Man braucht sich nur daran zu erinnern, daß auch während des Ersten Vatikanischen Konzils unter Pius IX. die Vorlagen von den Bischöfen nicht weniger hart behandelt worden sind. Es ist zu erwarten, daß die zweite Session flüssiger und präziser diskutiert, denn während die Väter bei der ersten die Schemata sofort zu beurteilen hatten, ist ihnen in diesen Wochen und Monaten Gelegenheit zu einem gründlicheren Vorstudium gegeben. Sie werden ihre Abänderungsvorschläge auch mit der Post einschicken können, was manche veranlaßt ha&#171;, : von meinem „Konzil per Post“ zu spreche&#187; <'ra kurzer Zeit wird allen Bischöfen in der Welt ein Brief des Papstes zugesandt werden.

Eine entscheidende Frage für den Fortgang und das Ergebnis des Konzils ist die der Gesundheit des Papstes. Beunruhigende und sogar dramatische Berichte sind durch die Presse gegangen. Vielleicht war die große Besorgnis zu einem gewissen Augenblick auch berechtigt, die Römer aber, die Papst Roncalli als „seine nächstwohnenden Söhne und Töchter“ bezeichnet hat, um sofort humorvoll hinzuzufügen, daß die Anrede eben von einem Papst erwartet wird, sehen Johannes XXIII. wieder so häufig wie früher in der Öffentlichkeit, vielleicht ein wenig gebrechlicher, aber frisch und gut gelaunt, wie er ihnen lieb geworden ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung