Einstieg in den Neubeginn

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Vor einem Dreivierteljahr wurde Frank-Peter Tebartz-van Elst als Bischof von Limburg abberufen. Ein Lokalaugenschein, wie es nach dem Abgang des umstrittenen Hirten im Bistum weitergeht.

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Vor einem Dreivierteljahr wurde Frank-Peter Tebartz-van Elst als Bischof von Limburg abberufen. Ein Lokalaugenschein, wie es nach dem Abgang des umstrittenen Hirten im Bistum weitergeht.

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Seit einem Dreivierteljahr ist er nicht mehr im Amt, seit einem halben Jahr weggezogen. Aber in den letzten Tagen machte "Protz-Bischof" Frank-Peter Tebartzvan Elst wieder Schlagzeilen: Zunächst sagte er den geplanten Auftritt bei einem Stammtisch in Bregenz wieder ab, dann hieß es in einem (bis zum Redaktionsschluss unbestätigten) Bericht der deutschen Bild-Zeitung, dass er angeblich eine neue Stelle bekommt: als Sekretär des Päpstlichen Rates für die Förderung der Neuevangelisation in Rom.

Tatsache ist: Die Folgen der Amtszeit von Tebartz-van Elst, der mit seiner autoritären Amtsführung und den explodierenden Kosten seines "Luxus-Wohnsitzes" weltweit Schlagzeilen machte, sind in Limburg noch deutlich spürbar. Allerdings bemüht sich in dem verträumten Fachwerkstädtchen selbst und im ganzen Bistum die kommissarische neue Bistumsleitung um die tatkräftige Aufarbeitung des Skandals: der Paderborner Weihbischof und Apostolische Administrator Manfred Grothe sowie sein Vertreter Wolfgang Rösch. Wie erst vor wenigen Tagen bei einer Diözesanversammlung der hauptamtlichen pastoralen Mitarbeiter deutlich wurde, scheinen der lebens-und verwaltungserfahrene Grothe und Rösch es vor allem durch intensives Zuhören zu verstehen, mit ihrem Auftreten und ihren Entscheidungen die Atmosphäre der Angst zu beenden und neues Vertrauen sowie eine Kultur des Miteinander zu schaffen. Andererseits wurde bei der jüngsten Diözesanversammlung auch klar, dass viele Hauptamtliche von Entscheidungen, Äußerungen und Handlungen in der Ära Tebartz nach wie vor tief verletzt und enttäuscht sind.

Ein "Crash", nicht nur ein Betriebsunfall

Manfred Grothe selbst macht kein Hehl daraus, dass das Bistum Limburg einen "Crash" und nicht nur einen Betriebsunfall erlebt hat und "auf bewegende und herausfordernde Monate" zurückblickt. Nun sei es ruhiger geworden um das Bistum, schrieb er kürzlich in einem Brief an die Gläubigen, und es bestimme nicht mehr die Schlagzeilen der Medien. "Der Heilige Vater möchte, dass ich als Ihr Apostolischer Administrator noch eine Weile im Bistum Limburg bleibe und die Sedisvakanz mit Ihnen für einen dann folgenden Neuanfang gestalte."

Bereits im vorigen Sommer hatte die neue Leitung ein Zeichen gesetzt und erstmals das Vermögen des Bistums Limburg und seine finanziellen Verpflichtungen veröffentlicht. Im Herbst dann wurde für alle, denen "auf unterschiedliche Weise persönliche Verletzungen und Kränkungen zugeführt wurden"(Grothe) ein Sorgen-Telefon eingerichtet, damit die hauptamtlichen Mitarbeiter und ehrenamtlich Aktiven zur Sprache bringen konnten "was ihnen widerfuhr beziehungsweise was sie bei sich erlebten". Im Zusammenhang mit dem Fehlverhalten eines einzelnen Bischofs stellt das ein Novum in der deutschen Bistumslandschaft dar. Bis Ende Dezember meldeten sich mehr als 100 Anrufer, bei denen Administrator Grothe sich ausdrücklich bedankte, weil sie ihm "durch Ihre Rückmeldungen die Möglichkeit gegeben haben, Einblick in Ihr Denken und Fühlen zu nehmen und besser zu verstehen, wie Sie die vergangenen Jahre erlebt haben". In den kommenden Monaten sollen die Anrufe ausgewertet werden.

Keinen Zweifel lässt der Administrator in seinem jüngsten Grundsatz-Brief daran, dass er gemeinsam mit dem Bistum, mit den kurialen und synodalen Gremien den Weg der Umstrukturierung hin zu Groß-Pfarreien "neuen Typs" weitergehen will. Über diese räumliche Neuordnung des Bistums hinaus sollen aber auch Perspektiven für die Seelsorge entwickelt und vermittelt werden.

Intensiv habe man sich auch Gedanken über eine Nutzung des Gebäudeensembles auf dem Domberg in Limburg gemacht, so Grothe: "Wir wollen die kommenden Monate dafür nutzen, das Haus zu öffnen und zu entmythologisieren." Deshalb werde es Führungen für Mitarbeiter sowie für Gruppen aus dem Bistum geben; der fast 790.000 Euro teure Mariengarten hinter der bischöflichen Residenz ist bereits jetzt für jedermann zugänglich. Geplant ist auch, dass die Räumlichkeiten für Konferenzen und Sitzungen verschiedener Gremien genutzt werden. Es kann künftig auch Ausstellungen, theologische sowie andere kulturelle Veranstaltungen im Bischofshaus geben.

Und was ist aus Tebartz-van Elst persönlich geworden? Bereits im Juli hatte die Staatsanwaltschaft Limburg bekannt gegeben, dass sie keine Anklage gegen ihn erhebt. Theoretisch könnte die Diözese danach zwar versuchen, Tebartz-van Elst in Regress zu nehmen; das wäre aber im Zusammenhang mit einem katholischen Amts- oder Mandatsträger ein absoluter Präzedenzfall und erscheint als völlig unwahrscheinlich.

Erst seit September aus Limburg weggezogen

Bis September 2014 hatte Tebartz-van Elst monatelang weiter in seiner prunkvollen Residenz auf dem Domberg gewohnt, zahlte nur die Nebenkosten, aber keine Miete - trotz monatlicher Bezüge von mehr als 6600 Euro. Aufnahme fand er dann letztlich in Regensburg, dem "kleinen Rom". Doch auch die 180-Quadratmeter-Wohnung mit vier Zimmern und zwei Balkonen, die er zusammen mit seiner Familie dort in einem gerade sanierten Gründerzeit-Wohnhaus in bester Lage angemietet hat, zeugt in den Augen mancher Beobachter nicht gerade von Bescheidenheit. Sollte Tebartz-van Elst tatsächlich nach Rom wechseln, so würde er die Regensburger Bleibe laut Bild als Zweitwohnung behalten. Dass er dagegen ein öffentliches Zeichen der Reue setzen oder einen Teil seines Salärs als kleine Wiedergutmachung spenden wird, halten die meisten für unwahrscheinlich.

Nicht zuletzt steht dann noch ein heikles Thema auf der Agenda des Bistums Limburg, nämlich die Frage, wie seine Amtszeit offiziell beendet werden soll. Klar ist: Tebartz-van Elst hat sich nach den Worten Grothes eine "förmliche Verabschiedung, in welcher Form auch immer" gewünscht. Die größte Herausforderung wird darin bestehen, wie eine solche "förmliche Verabschiedung" aussehen soll. Auch die Frage, wann das Bistum wieder einen Bischof haben wird, ist nach wie vor ungewiss. Vermutet wird, dass bis dahin noch zwei Jahre ins Land gehen können. In der ersten Jahreshälfte will Grothe die beiden freien Sitze im Domkapitel neu besetzen und so das Gremium für eine Wahl zu gegebener Zeit vervollständigen. Wann die Phase der Konsolidierung abgeschlossen ist, wird dann irgendwann Rom entscheiden.

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