Einzelzeitfahren im Team des Heilands

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Ach, so geht das!“ Im Hof des Wiener St. Josef Spitals stehen drei Ordensfrauen um ein Rennrad versammelt. "Bis heute wusste ich nicht, dass man die Schuhe in die Pedale einhakt“, gesteht eine von ihnen. "Gut, dass du einen Helm trägst“, lobt die zweite, eine gelernte Krankenschwester und ehemaliges Vorstandsmitglied im angrenzenden Spital. Die Dritte in der zusammengewürfelten Sonntagnachmittagsrunde kennt sich als ehemalige Profi-Radfahrerin hingegen aus. Und trotz Ordenseintritts bei den Wiener Salvatorianerinnen vor knapp einem Jahr nimmt Sport noch immer wichtige Rolle für sie ein.

Vom Radsattel in die Klosterzelle - ganz so war es bei der 40-jährigen Ingrid Dullnig dann doch nicht. Nach Beendigung ihrer Radfahrkarriere kümmerte sie sich vorerst als Betriebswirtin um die finanziellen Geschicke der evangelischen und der katholischen Kirche. Die Frage, ob eine sportliche Einzelkämpferin wie sie in der geschlossenen Gemeinschaft hinter Klostermauern denn überleben kann, widerstrebt Schwester Ingrid gleich doppelt: Weder sei Radfahren ein Einzelsport, noch der Orden als hermetisches Ganzes zu denken. "Wenn die Gruppe bei einem internationalen Rennen sieht, dass eine im Team sprintstark ist, wird man alles daran setzen, sie kurz vor dem Ziel in eine gute Position zu bringen. Auch, wenn am Schluss nur eine als Siegerin dasteht - den Sieg hat immer das ganze Team eingefahren.“

Zeitfahren ist wie Beten

Als Team die beste Platzierung herausfahren, das gibt es auch bei den Salvatorianerinnen. Mit den Mitschwestern im Team wolle sie, ganz gemäß dem Grundsatz der "Sorores Divini Salvatoris“, Menschen "das Heil erfahrbar werden lassen“. Wichtiger Nebensatz: Auch auf sich selbst soll dabei nicht ganz vergessen werden.

Töne, die man nicht immer in Verbindung bringt mit dem Klosterleben, hinter dem oft reine Selbstaufgabe vermutet wird. Doch das Ziel der Mitglieder des 1881 gegründeten Ordens der Schwestern des Göttlichen Heilandes - kurz: Salvatorianerinnen - ist es, Menschen zu ihrer Berufung zu führen, wie auch immer diese aussehen mag. Im Gemeinschaftsleben selbst wechseln sich Zeiten im Stillen ab mit Gemeinschaftlichem. Heute, im Rückblick, falle Ingrid auf, dass sie beides in gewisser Weise schon im Rahmen ihrer sportlichen Laufbahn erlebt hatte. Einzelzeitfahren etwa hatte für sie immer schon ein starkes spirituelles Moment: "Wie wenn man mit dem Atem beten würde.“ Dass der Radsport auch in ihrem Ordensleben einen wichtigen Platz einnehmen würde, stellt Ingrid Dullnig gleich zu Beginn ihres Klosterlebens klar. Für ihren Noviziatsantritt hat sich die dreifache österreichische Staatsmeisterin im Paarzeitfahren deshalb einen ganz besonderen Start überlegt. "Wie die Heiligen drei Königinnen“ sind sie und ihre beiden Noviziatskolleginnen am 6. Jänner dieses Jahres mit besonderen Gaben zur Weihnachtskrippe im Altarraum der Pfarrkirche Pitten im Bezirk Neunkirchen geschritten. Dem in Windeln gewickelten Heiland wurde von Schwester Ingrid eine Fahrradlampe dargebracht. "Gesehen zu werden und auch andere zum Leuchten bringen“ - das ist es, was die einstige Spitzensportlerin nicht nur alleine auf dem Radweg will, sondern auch in der Gemeinschaft der Salvatorianerinnen. (A. M. Steiner)

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