Empathische, aber unkonkrete Rede

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Letzte Woche, am Fest Maria Verkündigung, unterzeichnete Franziskus sein jüngstes Apostolisches Schreiben. Am 2. April wurde das Dokument, das sich auf die Bischofssynode zum Thema Jugend bezieht, die im Oktober in Rom stattgefunden hatte, veröffentlicht. Eine Standortbestimmung des kirchlichen Lehramts in Bezug auf junge Menschen, die Bischöfe hatten sich mit den Fragen und Lebenswelten von jungen Erwachsenen auseinandergesetzt, stellt "Christus vivit -Christus lebt" dar.

Vieles wird in dem Schreiben angerissen, die Kirche solle auf die jungen Menschen hören, meint der Papst. Aber konkrete Ergebnisse, was das bedeutet, vermissen erste Analysen des Dokuments. So titelt die liberale US-Wochenzeitschrift National Catholic Reporter, Franziskus sage, die katholische Weltkirche müsse mehr auf die Kritik der Jüngeren hören und anerkennen, dass sich "einige Dinge in der Kirche" zu ändern hätten. Welche Veränderungen aber angegangen werden sollten, darüber gebe das Dokument aber wenig Auskunft.

Keine klare Option für die Frauen

Für Eva Wimmer, die Vorsitzende der Katholischen Jugend Österreich, ist "Christus vivit" ein "Dokument, das die während der Jugendsynode entstandenen Diskussionen gut weiterverfolgt". Wimmer vermisst aber doch Wesentliches: Papst Franziskus mache viele Themen auf. Den weiteren Weg beschreibe er dabei aber kaum. Besonders enttäuschend ist für Wimmer, dass in "Christus vivit" Frauen nicht deutlicher thematisiert und nicht direkt angesprochen werden: "Das war eines der zentralen Themen in der Vorsynode, bei dem man gemerkt hat, dass es unabhängig von der Herkunft der jungen Menschen unter den Nägeln brennt."

Bei der Vorstellung des Papstschreibens in Rom wurde Kardinal Lorenzo Baldisseri, der Generalsekretär der Bischofssynode, gefragt, warum die Anregung der Synode, Frauen verstärkt in Entscheidungspositionen der Kirche zu berufen, nicht ins Papstschreiben Eingang gefunden hatte. Baldisseri replizierte, berichtet der National Catholic Reporter, der Papst konnte nicht alles, was sich im Schlussdokument der Synode findet, aufnehmen. Dennoch "verbleibe es im Apostolischen Schreiben", weil es ja im Schlussdokument der Synode zu finden sei.

Das hier Geschilderte mag die Schwierigkeiten mit dem neuen Papst-Wort andeuten: Franziskus hält sich zum einen an die im Schlussdokument der Synode vorgegebenen Linien und füllt sie mit dem Leben seiner eigenen, die Jugendlichen in den Blick und ernst nehmenden Sprache. Gleichzeitig monieren schon viele der ersten Reaktionen, dass es einen Bruch in der Konkretion gebe: Was nun für die Kirche zu tun ist, bleibt weitgehend unausgesprochen.

So vermisst Franziskus bei den Erwachsenen die Haltung Jesu: "Anstatt den jungen Menschen bereitwillig und wirklich zuzuhören, ist man manchmal 'lieber mit vorgefertigten Antworten und Patentrezepten zur Stelle, ohne die Fragen der Jugendlichen in all ihrer Neuheit zuzulassen und die in ihnen liegende Provokation zu begreifen' (Zitat aus dem Schlussdokument der Synode; Anm.) Wenn die Kirche jedoch starre Schemen aufgibt und sich öffnet, um den jungen Menschen bereitwillig und aufmerksam zuzuhören, ist diese Empathie für sie bereichernd, denn es 'ermöglicht jungen Menschen, einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten und ihr zu helfen, neue Befindlichkeiten aufzugreifen und ganz neue Fragen zu stellen'".

Das ist eine durchaus empathische Sprache über Fragen und Probleme, die aber auch Konsequenzen für den Alltag und die Struktur der Kirche verlangen würde. In Bezug auf diese bleibt "Christus vivit" aber vage. Bei seinen Leibthemen -etwa der Migration -wird Franziskus wie so oft unmissverständlich: Er bezeichnet die Migranten als "Paradigma unserer Zeit" und warnt vor populistischer Agitation: "Ich bitte vor allem die Jugendlichen, nicht auf diejenigen hereinzufallen, die versuchen, gegen junge Migranten zu hetzen, indem sie so beschrieben werden, als seien sie gefährlich und als hätten sie nicht die gleiche unveräußerliche Würde wie jeder Mensch."

Nichts Neues beim Thema Missbrauch

Auch beim Thema Missbrauch bietet "Christus vivit" nicht wirklich Neues gegenüber früheren Papst-Worten. Franziskus schreibt, es gehe darum "den Schrei der Opfer der verschiedenen Arten von Missbrauch durch einige Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien zu hören. Diese Sünden verursachen in ihren Opfern ein Leid, das ein Leben lang andauern und durch keine Reue geheilt werden kann. Dieses Phänomen ist in der Gesellschaft verbreitet, es betrifft auch die Kirche und stellt ein ernsthaftes Hindernis für ihre Sendung dar". Auch in "Christus vivit" erscheint der Missbrauch in der Kirche somit im Kontext allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklungen und könnte (und wird mit Sicherheit von Opfervertretern) als Relativierung der kirchlichenVerantwortungverstandenwerden: "Gott sei Dank sind die Priester, die in diese schrecklichen Verbrechen verstrickt sind, nicht die Mehrheit. Die meisten leisten einen treuen und großherzigen Dienst."

Es bleibt also weiter ein Nachgeschmack. Natürlich redet Franziskus Prävention und Strafverfolgung der Täter das Wort. Und er will Jugendliche dabei als Verbündete gewinnen. Der Befreiungsschlag in der Missbrauchskrise verlangt aber nach mehr als diese sicher ehrlich gemeinten Worte, denen konkrete Taten erneut nicht folgen.

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