Endlich Klartext geredet
Auch in Bezug auf die Unbarmherzigkeit bei der Verteidigung katholischer Morallehre steht ein kirchliches Schuldbekenntnis an. Nachbemerkung zur Familiensynode.
Auch in Bezug auf die Unbarmherzigkeit bei der Verteidigung katholischer Morallehre steht ein kirchliches Schuldbekenntnis an. Nachbemerkung zur Familiensynode.
"Im falsch verstandenen Bemühen, die kirchliche Lehre hochzuhalten, kam es in der Pastoral immer wieder zu harten und unbarmherzigen Haltungen, die Leid über Menschen gebracht haben, insbesondere über ledige Mütter und außerehelich geborene Kinder, über Menschen in vorehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, über homosexuell orientierte Menschen und über Geschiedene und Wiederverheiratete. Als Bischöfe unserer Kirche bitten wir diese Menschen um Verzeihung."
Dieses Schuldbekenntnis wurde auf der Bischofssynode von der deutschsprachigen Arbeitsgruppe formuliert, die von Kardinal Christoph Schönborn moderiert wurde, in der aber auch einer der Wortführer der Konservativen, Glaubenskongregationschef Gerhard Ludwig Müller, saß. Leider schaffte es dieser Passus nicht in die Schlusserklärung der Synode, was etwa der Feldkircher Bischof Benno Elbs, der Österreich auf der Synode vertrat, bedauerte. Dennoch verdient der Vorstoß Aufmerksamkeit, der über den unmittelbaren Anlass hinausweist.
Ja, die katholische Kirche hat Leid angerichtet - beginnend bei unehelichen Kindern, denen lange genug ein "Makel" ihrer Geburt um die Ohren flog, oder bei den ledigen Müttern, die beispielsweise in Irland noch bis in die 1980er Jahre als "gefallene Mädchen" in Heime gesperrt und misshandelt wurden.
Bekenntnis, das bis vor kurzem undenkbar schien
Es ist dennoch festzuhalten, dass ein bischöfliches Bekenntnis wie oben bis vor kurzem undenkbar schien, erst recht was nichteheliche Beziehungen oder gar Homosexuelle betrifft: Was im säkularen Leben zumindest in hiesigen Breiten schon längst selbstverständlich ist, kommt auch in der katholischen Kirche an. Spät. Und noch immer unvollständig -aber der Schritt der im deutschsprachigen Kreis versammelten Bischöfe in Rom ist wohl kaum mehr rückgängig zu machen. Und das ist gut so.
Das zitierte Schuldbekenntnis ist auch deswegen wichtig, weil es an christliche Glaubensüberzeugung rührt: Ohne die Einsicht auch historischer Schuld bzw. geschichtlicher Verantwortung kann es nicht zur Umkehr kommen. Und diese ist beim Umgang der Kirche mit Menschen und den auf der Synode verhandelten "Familienthemen" erst recht nötig.
Die Vergangenheit wird so nicht ungeschehen gemacht, aber die Zukunft, um die es geht, kann nicht ohne die ehrliche Einsicht in eine "Schuldgeschichte" bewältigt werden. Das ist gut katholisch. Aber wurde lange nicht auf das Verhalten der Kirche oder ihrer Repräsentanten bezogen, sondern bloß auf jenes ihrer allzu sündigen Schäfchen.
Gesamtkirchliche Vergebungsbitte steht weiter auf der Agenda
Was die katholische Kirche in Bezug auf den Antijudaismus seit der Konzilserklärung Nostra Aetate vor 50 Jahren mühsam begonnen hat, steht längst in anderen Kapiteln der Kirchengeschichte an. Das wurde teilweise - etwa in Bezug auf Inquisition oder Glaubensverfolgung im Schuldbekenntnis Papst Johannes Pauls II. anno 2000 - schon begonnen. Was jedoch die Unbarmherzigkeit betrifft, der sich die Hüter reiner katholischer Morallehre befleißigten, steht die gesamtkirchliche Vergebungsbitte weiter an.
Diesbezüglich sind, wie auch auf der Synode deutlich wurde, ja längst nicht alle Bischöfe d'accord. Der zitierte Bericht der deutschsprachigen Arbeitsgruppe beginnt mit: "Mit großer Betroffenheit und Trauer haben wir die öffentlichen Äußerungen einzelner Synodenväter zu Personen, Inhalt und Verlauf der Synode wahrgenommen. Dies widerspricht dem Geist des Zusammengehens, dem Geist der Synode und ihren elementaren Regeln. Die gebrauchten Bilder und Vergleiche sind nicht nur undifferenziert und falsch, sondern verletzend. Wir distanzieren uns entschieden." Man kann sich ausmalen, worum es dabei ging. Es ist aber ein Fortschritt, dass auf dieser Synode endlich Klartext geredet wurde. Franziskus sei Dank.
otto.friedrich@furche.at
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