Englands Monarchie auf Abruf vorüber"

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Die englische Monarchie verstößt gegen die Menschenrechtskonvention. Ein Referendum soll über ihre Zukunft entscheiden.

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Die englische Monarchie verstößt gegen die Menschenrechtskonvention. Ein Referendum soll über ihre Zukunft entscheiden.

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Die Queen soll Queen bleiben, solange sie lebt, dies wünscht oder dazu in der Lage ist", schrieb die linksliberale britische Tageszeitung Guardian und fuhr fort: "Schon jetzt soll freilich eine lange, lebhafte und erwachsene Debatte sowohl innerhalb als außerhalb des Parlaments darüber stattfinden, wer oder was ihr nachfolgen soll."

Auslöser der jüngsten Diskussion um die Zukunft der Monarchie war das neue britische Menschenrechtsgesetz, das im Oktober 2000 in Kraft trat. Damit wurde die Europäische Menschenrechtskonvention auch in das Rechtssystem von England, Wales und Nordirland aufgenommen, nachdem Schottland dies bereits zuvor getan hatte. Der britischen Justiz obliegt es nun, Gesetze und Statuten auf ihre Vereinbarkeit mit dieser Konvention hin abzutasten. Es dauerte nicht lange, bis Menschenrechtsanwälte zwei grundlegende Regelungen der Monarchie - den Act of Settlement von 1701 und den Treason Felony Act von 1848 - als klare Verletzung der Menschenrechte interpretierten.

Der Act of Settlement lässt nur die protestantischen Erben von Prinzessin Sophia, der Enkelin von König Jakob I., als legitime Thronerben zu. Nicht-Protestanten, Personen, die mit Nicht-Protestanten verheiratet sind, sowie Adoptiv- und uneheliche Kinder sind explizit ausgeschlossen.

Queen gehört allen Der Treason Felony Act sieht die Deportation von Personen vor, die eine republikanische Staatsform befürworten. Generell oder nur wenn sie dabei Gewalt anwenden, erkundigte sich der Chefredakteur des Guardian, Alan Rusbridger, beim Generalstaatsanwalt, um gleich seine eigene Zukunft besser einschätzen zu können. Der Generalstaatsanwalt wich aus, er wollte Rusbridger nicht zur Übertretung eines Gesetzes ermutigen, was letzteren freilich nicht von der Veröffentlichung einer einschlägigen Artikelserie abhalten konnte. Darin erklärte der Guardian seine Absicht, beide Gesetze vor Gericht anzufechten, da das eine Nicht-Protestanten und zumal Katholiken diskriminiere, das andere hingegen eine Verletzung der Redefreiheit darstelle.

Das Blatt geht aber noch einen Schritt weiter, stellt die Monarchie insgesamt in Frage und befürwortet ein Referendum über deren Zukunft. 60 Prozent der Wähler wollen sich laut einer Guardian-Umfrage als Bürger sehen, nur 32 Prozent als "königliche Untertanen". Zugleich wollen landesweit nur 25 Prozent die Monarchie abschaffen. Während Boulevardblätter eher mit Wertungen über den (mangelnden) Nutzen der Royals aufwarten, geht es dem Guardian um juristische Fragen und um die Schaffung einer Republik als eine dem 21. Jahrhundert angemessene Staatsform. Bei allem Zynismus, dessen sich das Blatt gegenüber der Monarchie als "Zuckerkirsche auf einer von Würmern zerfressenen Verfassung" nicht erwehren kann, räumt es auch Platz für gegenteilige Meinungen ein. Die Monarchie, argumentiert ein Verfassungsexperte im Guardian, sei mit der Dezentralisierung und damit der Schaffung eines multinationalen Britanniens wichtiger als je zuvor: Jeder Präsident einer Republik wäre Engländer, Schotte, Waliser oder Ire. "Nur die Queen allein kann allen Nationalitäten des Vereinigten Königreiches zugleich gehören."

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