Jan Assmann: "Ich sehe den interreligiösen Dialog kritisch"
Nicht der Monotheismus an sich sei gefährlich, meint Kulturwissenschafter Jan Assmann im Interview. Erst wenn Andersgläubige als "Feinde Gottes“ betrachtet werden, zeige sich das Problem.
Nicht der Monotheismus an sich sei gefährlich, meint Kulturwissenschafter Jan Assmann im Interview. Erst wenn Andersgläubige als "Feinde Gottes“ betrachtet werden, zeige sich das Problem.
Mit seiner Monotheismus-Gewalt-These hat Jan Assmann vor Jahren für Aufsehen gesorgt. Heute sieht der Ägyptologe in einem nicht entpolitisierten Islam das größte Gefahrenpotenzial religiöser Gewalt.
DIE FURCHE: Worauf gründet Ihre These, dass der mosaische Monotheismus die Gewalt in die Religion gebracht hat?
Jan Assmann: So plakativ würde ich das nicht ausdrücken. Mit der allgemeinen Idee des Monotheismus, also dem Gebot "Kein Gott außer Gott“, ist eine gewisse Form der Intoleranz verbunden - was an sich noch nichts Schlechtes ist. Im Gegenteil: Es ist gut, wenn man weiß, was nicht der eigenen Überzeugung entspricht. Anders ist es mit dem gewalttätigen Vorgehen gegen das, was sich mit der eigenen Glaubenswahrheit nicht vereinbaren lässt. Diese religiöse Gewalt unterscheidet sich von anderen Gewaltformen, weil sie nicht in eigener Sache, sondern stellvertretend im Namen Gottes ausgeübt wird.
DIE FURCHE: Ist diese religiöse Gewalt dem Eingottglauben vorangelegt?
Assmann: Wenn man vorangelegt nicht als eine unausweichliche Konsequenz versteht – dann ja. Wer sagt, es gibt keine anderen Götter, muss nicht zwingend gewalttätig werden. Die religiöse Gewalt im Monotheismus ist nur eine Möglichkeit gegen Menschen, die andere Wahrheiten vertreten, vorzugehen – vor allem, wenn sie als Feinde Gottes betrachtet werden.
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