Entscheidet sich die Zukunft der EU in Afrika?

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Flüchtlingsströme und Zuwanderungswellen werden die europäische Politik auch in den kommenden Jahren dominieren und größte Anstrengungen aller Staaten erfordern.

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Flüchtlingsströme und Zuwanderungswellen werden die europäische Politik auch in den kommenden Jahren dominieren und größte Anstrengungen aller Staaten erfordern.

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Prinz Asfa-Wossen Asserate, äthiopisch-deutscher Handelskonsulent und Bestsellerautor, forderte ein Ende der "desaströsen Wirtschafts-und Handelspolitik" Europas. Afrika brauche eine nachhaltige Hilfe zur Entwicklung seiner Infrastruktur, vor allem im Agrarbereich und am Bildungssektor. Das größte Augenmerk müsse dabei den Frauen gelten. Ihr Bildungsniveau sei der Schlüssel zur Zukunft Afrikas, so Asserate.

Zweiter Hauptbestandteil eines "Marshall-Planes für Afrika" sollte der Kampf gegen den Hunger sein, der im wesentlichen als Kampf um Arbeitsplätze zu verstehen sei. "In einigen Ländern südlich der Sahara beträgt die Jugendarbeitslosigkeit mehr als 60 Prozent. Daher braucht es in den kommenden Jahren in Afrika pro Jahr 20 Millionen neue Arbeitsplätze. Nur wenn es gelingt, die perspektivlose Jugend Afrikas in Arbeit zu bringen, kann die Massenauswanderung gestoppt werden."

Kein Appeasement gegenüber Despoten

Genc Pollo, Vorsitzender des Europa-Ausschusses im Parlament Albaniens, verwies auf das durchaus vorhandene Potenzial guter und verantwortungsvoller Politiker in Afrika. Vermehrte internationale Vernetzung und die Schaffung einer engen Union im Stile der EU könnte diese Kräfte massiv stärken und gleichzeitig der EU Zugang zu seriösen Ansprechpartnern in Afrika geben. Denn, darin waren sich die Experten einig, die Appeasement-Politik gegenüber afrikanischen Diktatoren und Despoten dürfe nicht fortgesetzt werden. Menschenwürdige, seriöse Politik müsse Grundvoraussetzung für Entwicklungshilfe sein.

Auch Ivan Vejvoda vom Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien befürwortete eine Art Marshall-Plan für Afrika im Sinn einer gemeinsamen Aktion Europas. Das Geld müsse primär in Bildung und Infrastruktur investiert werden. Darüber hinaus brauche es in einigen Staaten Afrikas massive politische Veränderungen.

Österreichs ehemaliger Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter erklärte, nur erhöhte Entwicklungshilfeanstrengungen Europas könnten das Problem der Auswanderung aus Afrika an der Wurzel bekämpfen. Prinz Asserate verwies dazu neuerlich auf die Notwendigkeit vertrauenswürdiger Regierungen in Afrika. Jeder Versuch Europas Partner in Afrika zu finden (Stichwort: Aufnehmezentren) werde mit Sicherheit an den korrupten Strukturen in Afrika scheitern, glaubt Asserate. Darüber hinaus dürfe man nicht übersehen, dass manche afrikanischen Despoten wegen der Hoffnung auf Rücküberweisungen gar nicht ernstlich an einem Stopp der Massenauswanderung interessiert seien.

Lob für Österreichs EU-Präsidentschaft

Karl-Heinz Lambertz, Präsident des Ausschusses der Regionen in Brüssel, warnte hingegen davor, die Angst der Europäer vor zunehmender Migration nicht ernst zu nehmen. "Wer dies verabsäumt, liefert diese Menschen den Populisten aus", so Lambertz, der in der positiven Rezeption des Themas Migration den entscheidenden Schritt sieht. "Die Menschen müssen Zuwanderung und Pluralismus als Bereicherung ihres Lebens und ihres Landes begreifen, dann wird Migration kein Problem mehr sein." Dazu aber brauche Europa eine Strategie, die von allen EU-Staaten getragen werde.

Für Andrä Rupprechter steht der Union hier noch ein weiter Weg bevor. Solange einige Länder wie Ungarn oder Polen die Aufnahme von Flüchtlingen oder Zuwanderern kategorisch verweigern, könne man weder über fixe Quoten reden noch über die Frage, welcher Flüchtling oder Zuwanderer nach Europa dürfe und in welches Land.

Enver Hoxhaj, der stellvertretende Ministerpräsident des Kosovo, mahnte eine deutlich erweiterte Sicht auf das Thema Migration ein. Es gebe in vielen Staaten Ostund Südosteuropas eine Abwanderung Höhergebildeter, was in den Herkunftsländern für Probleme sorge. Migration sei europäische Realität seit jeher, so Hoxhaj, und sie sorge nicht nur in den aufnehmenden Ländern für gewisse Irritation.

Vejvoda, Hoxhaj, Pollo und Rupprechter würdigten die Bemühungen der österreichischen Ratspräsidentschaft, die Beitrittsbestrebungen Serbiens, Albaniens und des Kosovo nicht aus den Augen zu verlieren. Die zuletzt sehr kritischen Äußerungen des französischen Präsidenten zu diesem Thema könne er nicht verstehen, sagt der Serbe Ivan Vejvoda. "Niemand hat gesagt, dass wir morgen beitreten wollen. Wir haben frühestens 2025 im Auge, und bis dahin gehen wir den von Macron geforderten Weg der Vertiefung gerne von außen mit", schloss Vejvoda. <<>>

Prinz Asserate

Der äthiopisch-deutsche Handelskonsulent forderte ein Umdenken bezüglich Afrika. Ohne Perspektiven für den Kontinent werde die Massenauswanderung weitergehen. Der Schlüssel für die Zukunft sei das Bildungsniveau vor allem der Frauen.

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