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Enttäuschungen sind abzusehen

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Obwohl ich mit manchen Anliegen des „Kirchenvolks-Begehrens” sympathisiere, noch mehr mit vielen Menschen, die dieses Volksbegehren tragen und initiiert haben, sehe ich mich doch außerstande, mich damit zu identifizieren und es zu unterschreiben.

Meine Vorbehalte beziehen sich zunächst einmal auf die formale Art des Vorgehens, die sich aber vom Inhalt des Begehrens nicht ganz trennen läßt. So sehr es auf der einen Seite zu begrüßen ist, wenn sich mündige Christen ihrer Verantwortung bewußt zeigen und Farbe bekennen, so sehr ist auf der anderen Seite zu bedenken, daß ein innerkirchliches Volksbegehren der Natur der Kirche als hierarchischer Stiftung und Ordnung nicht gerecht wird und falsche Hoffnungen erweckt, die nur zu Enttäuschungen führen können. Obwohl es sich bei den erhobenen Forderungen nicht um die Dekretierung oder Änderung von Glaubenswahrheiten handelt, die naturgemäß keiner demokratischen Mehrheit oder Initiative unterliegen, handelt es sich doch um grundlegende Struktur-und Orientierungsfragen, die einem Konzil vorbehalten bleiben müßten.

Versteht man das Volksbegehren als Anstoß zu einem solchen neuen Konzil, so gewinnt es eine gewisse Funktionalität, bleibt aber auch dann noch durch die Übertragung politischer Kategorien auf dem reli; giösen Bereich mißverständlich und problematisch.

Inhaltlich kann man sich mit einigen Punkten des Begehrens durchaus anfreunden, wenn auch nicht mit allen. So erscheint die Forderung nach Aufbau einer geschwisterlichen Kirche durchaus sinnvoll und zeitgemäß, und auch dem Postulat der Mitentscheidung der Ortskirche bei Bischofsernennungen wird man gerade nach den Erfahrungen, die wir in Österreich mit einsamen Entscheidungen von oben gemacht haben, eine Berechtigung nicht absprechen können. Allerdings muß auch hier das Recht des Papstes, im Einzelfall den lokalen Bedürfnissen übergeordnete Gesichtspunkte wahrzunehmen, gewahrt bleiben.

Doch einige Forderungen schießen eben übers Ziel und tun damit den berechtigten und durchsetz-baren Anliegen, die das Begehren enthält, Abbruch. So stellt das Postulat des „Zuganges der Frauen zum Priesteramt” einen zu radikalen Bruch mit der Tradition dar und wird im übrigen weder von der Mehrheit der Männer noch der Frauen des Kirchenvolkes gewünscht.

Außerdem würde eine solche Maßnahme die mühsam in Gang gekommene Verständigung mit der Orthodoxie, die den Frauen noch viel weniger Rechte einräumt als die römisch-katholische Kirche, erschweren, ja unmöglich machen.

Die katholische Kirche käme in Beziehung zur Orthodoxie, aber

auch intern in eine ähnliche Krisensituation wie die anglikanische Kirche. Dagegen wäre es durchaus zu erwägen, angesichts des herrschenden Priestermangels viri probati und verheiratete Diakone zum Priesteramt zuzulassen und den Zölibat solcherart zwar nicht aufzuheben, aber partiell zu durchbrechen, zumal ja auch schon das geltende Kirchen-recht in den Gelübden zwischen Weltpriestern und Ordensleuten differenziert. Es sollte versucht werden, einen vernünftigen Ausgleich, eine haltbare Balance zwischen Beharren und Fortschreiten herzustellen und aufrechtzuerhalten.

Die jetzige Diskussion zeigt jedenfalls, daß das gegenwärtige Pontifi-kat, das sich physisch und wohl auch geistig-innerlich dem Ende zuneigt, von einem tiefen Widerspruch erfüllt ist, der dem Heiligen Vater wohl selbst nicht ausreichend zum Bewußtsein kommt, denn der Beistand des Heiligen Geistes ist zwar der Gesamtkirche und ihrer Gesamtentwicklung verheißen, nicht aber jeder historisch bedingten Perspektive eines Inhabers des Stuhles Petri. Dieser Widerspruch besteht darin, daß der gegenwärtige Papst wie kein anderer vor ihm die Begegnung mit den Menschen gesucht und die Welt bereist hat. Er ist in alle Welt gegangen, um das Evangelium zu verkünden und mit Hilfe der modernen Medien den Massen nahezubringen.

Doch auf der anderen Seite hat er die Kirche durch das Beharren und Verbindlichmachen von theologisch umstrittenen Positionen der Moral verengt und personalpolitisch versucht, diesen Kurs durch Ernennung konservativer Theologen und Kirchenmänner durchzusetzen. Was dabei herausgekommen ist, kann man, wenn schon nicht als Blamage, so doch als Oktroy bezeichnen, das den Widerstand des Kirchenvolkes, aber auch von großen Teilen des Klerus herausgefordert hat. Man kann nicht, wie es das II. Vaticanum getan hat, vom mündigen Christen und vom Laienapostolat sprechen und die Laien de facto zu bloßen Statisten 1 und passiven Zuschauern des kirchlichen Lebens machen, die aber dann als von Fehlentscheidungen Betroffene die Rechnung, die der Kirche allenthalben präsentiert wird, zu begleichen haben.

Wenn Kardinal König immer wieder die alte Weisheit zum besten gibt, daß der beste Beweis für den übernatürlichen Ursprung der Kirche die Tatsache sei, daß es den Priestern nicht gelungen sei, sie zugrundezurichten, so sollte diese Wahrheit doch kein Freibrief für den Papst und die Kirchenführung sein, an offenkundig gewordenen Torheiten festzuhalten und sie, von den Tatsachen unbeeindruckt, zu wiederholen, sondern im Gegenteil ein Ansporn, sich nicht allein auf die letzte Beistandsgarantie des heiligen Geistes zu verlassen, sondern ihn auch im Einzelfall zu Rate zu ziehen.

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