Erdöl kontra Regenwald

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Wieder einmal beginnen im Regenwald von Ecuador Vorarbeiten für die Erdölförderung - diesmal in einem Naturschutzgebiet mit enormer Artenvielfalt. Ein Lokalaugenschein. von

Plötzlich ist es still rundherum. Vogelgezwitscher und andere freudige Tiergeräusche, die uns bislang auf unserem Fußmarsch durch den amazonischen Regenwald begleitet haben, verstummen. Wir - eine Gruppe von Journalisten, Aktivisten und Politikern - befinden uns im Tierschutzgebiet Cuyabeno im Nordosten Ecuadors. Nach einigen Stunden Wanderns quer durch den unberührten Regenwald sind wir mit Hilfe eines einheimischen Guides endlich an jenem Ort angelangt, an dem erste Spuren einer geplanten Erdölförderung auszumachen sind.

Der amazonische Regenwald umfasst insgesamt eine Fläche von 5.400.000 km2. Er bedeckt etwa 130.000 km2 Ecuadors, was 48,4 Prozent der Landesfläche entspricht. Die kennzeichnende Vegetation besteht aus tropischem feuchtem Regenwald, der die Existenz unterschiedlicher Mikroklimas fördert. Bekanntlich liefert die "grüne Lunge" Amazonas einen Großteil des Sauerstoffs der Erde und ist daher enorm wichtig für das Weltklima.

Eigentlich unantastbar

Das Gebiet Cuyabeno im Nordosten Ecuadors wurde bereits im Jahr 1979 zum Tierschutzgebiet erklärt. Es umfasst 603.380 Hektar, wovon 435.500 Hektar im Jahr 1999 aufgrund der hohen Biodiversität unter dem damaligen Präsidenten Jamil Mahuad zur so genannten unberührten Zone ("zona intangible") erklärt wurden. Dies bedeutet, dass jede Art von kommerzieller Ausbeutung des Regenwalds verboten und die territorialen und kollektiven Rechte der dort ansässigen indigenen Gemeinschaften besonders geschützt sind. Nichtsdestotrotz hat die Regierung von Ecuador schon in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Genehmigung zur Erdölförderung für ein 60.000 Hektar großes Gebiet erteilt, das sich zum Teil mit dem Naturschutzgebiet überschneidet. Die kanadische Erdölfirma "EnCana", ehemals "Alberta Energy Company", hat bereits mit den ersten seismografischen Tests begonnen.

100.000 Explosionen

Wir blicken auf nackte Erdhügel an hellen Lichtungen im ansonsten düsteren Regenwald. Im 50-Meter-Abstand hat "EnCana" eine Linie an seismografischen Tests quer durch das Tierschutzgebiet gezogen. Alles legal. Denn der Konflikt zwischen der erteilten Erlaubnis, in diesem Gebiet nach Erdöl zu bohren, und der Tatsache, dass es sich dabei um eine geschützte Zone handelt, wurde bis heute nicht gelöst.

"Wir rechnen mit etwa fünf Explosionen pro Hektar, das würden etwa 100.000 Explosionen bedeuten," schätzt Julio Gonzalez, Abgeordneter der Pachakutik-Partei, die seit den Neuwahlen im Dezember nun erstmals aufgrund einer Koalition mit der MPD-Partei (Movimiento Popular Democrático) in der Regierung vertreten ist. "Für uns bedeutet die bisherige Erdölpolitik Abholzung und Verschmutzung der Umwelt. Es bedeutet, die Natur umzubringen," beklagt der Abgeordnete die erdölorientierte Politik der ecuadorianischen Regierung. Ein Besuch des neuen Präsidenten Ecuadors, Lucio Gutierrez, beim US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush im Februar zeigte, dass die bisherige Politik beibehalten werden soll: Ausländische Investitionen ins Erdöl sollen weiterhin das Problem der hohen Auslandsschulden lösen.

"Immer hieß es, Erdöl bringe Fortschritt und Reichtum. Doch das ist eine Lüge. Vor dem Beginn der Erdölförderung in Ecuador betrugen die Auslandsschulden 344 Millionen Dollar. Im Jahr 2000 sind sie auf 16.400 Millionen Dollar angestiegen. Dies bedeutet, dass wir uns in der Zeit des so genannten Reichtums um vieles mehr verschuldet haben."

Umweltexpertin Alexandra Almeida von der NGO "Acción Ecológica" plädiert daher, auf andere Energieformen wie Sonnenenergie umzusteigen und die Erdölförderung einzustellen. Erdöl habe für Ecuador Armut und Umweltverschmutzung mit sich gebracht. Seit 30 Jahren wird in Ecuador Erdöl gefördert. Mittlerweile wird in einem Gebiet von insgesamt 3,2 Millionen Hektar das "schwarze Gold" der Erde entnommen. Darunter leidet nicht nur das Ökosystem, die Auswirkungen der Erdölförderung spüren insbesondere die Menschen, die in den Gebieten ansässig sind.

Es sterben vor allem Kinder

So ergab eine Studie der "Acción Ecológica" in insgesamt 80 von der Erdölförderung betroffenen Gemeinden, dass 96 Prozent der Befragten unter Hautallergien leiden, 75 Prozent unter Atembeschwerden, 64 Prozent beklagen Verdauungsbeschwerden und 42 Prozent Augenprobleme. Doch dem nicht genug: In 89 der 237 befragten Familien sei mindestens ein Familienmitglied im Zusammenhang mit der Verschmutzung durch die Erdölausbeutung gestorben. Fast immer treffe es die Jüngsten, denn die Hälfte der Verstorbenen sind Kinder unter 14 Jahren.

"Cuyabeno besitzt einen hohen ökologischen Wert aufgrund seiner großen Biodiversität. In dem Gebiet gibt es 14 verschiedene Ökozonen. Dort nach Erdöl zu graben ist ungeheuerlich", empört sich Almeida. Die Detonationen würden dem Regenwald großen Schaden zufügen, denn allein eine Explosion könne bis zu 300 Fische töten, weiß die Expertin. "In einer Zone nach Erdöl zu bohren, in der es in zwei Hektar mehr Tierarten gibt als im gesamten nordamerikanischen Kontinent, ist unglaublich", beklagt der Direktor des Umweltamtes in Cuyabeno, Fernando Luis Merino.

Bei der bestehenden Armut haben reiche Erdölfirmen mitunter leichtes Spiel. So kaufte "En Cana" den in Cuyabeno ansässigen indigenen Gemeinschaften der Siona mit 340.000 Dollar deren territorialen Rechte ab - obwohl die Sionas glauben, dass Eingriffe des Menschen in das Gleichgewicht der Erde zu Naturkatastrophen führen. Fernando Luis Marin erinnert das an die spanische Kolonisation: "Während die Spanier einst mit Krimskrams, Spiegeln und der Bibel in der Hand das Land eroberten, erobern die Erdölmultis heute unser Land mit Schecks."

Verträge prüfen

Die Tätigkeit der Erdölgesellschaft zu stoppen, stellt sich als schwierig heraus, insbesondere da sie offiziell als legal gilt. Es wurde bereits ein Komitee zur Bewahrung des Tierschutzgebietes Cuyabeno gegründet, doch da es sich dabei um eine nationale Angelegenheit handelt, liegt die Verantwortung ganz beim Umwelt- und Energieministerium. "Uns sind die Hände gebunden. Daher fordern wir, dass die Zuständigkeit an die betroffene Gemeinde übertragen wird," sagt Umweltdirektor Marin.

"Acción Ecológica" habe bereits vergebens beim Umweltministerium eine Beschwerde eingereicht, berichtet Alexandra Almeida enttäuscht: "Unser Vorschlag besteht in einer strengen Kontrolle der Erdölaktivitäten, das heißt, wir wollen alle Verträge mit den Erdölgesellschaften auf deren Legalität prüfen lassen und fordern, keine neuen Gebiete zur Erdölförderung freizugeben." Für den Abgeordneten José Gonzalez ist eine Ausbeutung der Erde auf Kosten der Umwelt inakzeptabel: "Wir werden sofort handeln und beim Nationalkongress die untragbare Situation der Erdölförderung in einem geschützten Gebiet anzeigen."

Bedrohte Sauerstoffreserve

Außerdem sei es wichtig, die Bevölkerung wachzurütteln und eine öffentliche Meinung zu bilden, die Druck auf die Regierung ausübt. Neben nationalem Druck sei jedoch auch internationaler Druck notwendig: "Europa könne von einem Teil der Auslandsschulden unter der Bedingung absehen, dass Cuyabeno weiterhin geschützt bleibt", plädiert er. Schließlich handle es sich um ein Weltnaturerbe, dessen Zerstörung auch die Zerstörung eines der größten Sauerstoffproduzenten darstellen würde.

Die Autorin ist freie Journalistin.

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