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Erinnerungen sind ein Kapital, von dem man lange zehren kann. Unsere unglückliche Kaiserin Sissi ist ein gutes und derzeit aktuelles Beispiel dafür. Die Konkurrenz durch die ebenso unglückliche britische Prinzessin Diana wirkt dabei - falls der wirtschaftliche Terminus nicht allzu pietätlos ist - als Synergieeffekt. Hoheitliche Tränen erstarren da wie dort zum Souvenir in klingender Münze. Und wer in einer der letzten Versteigerungen gar ein mit originalem Augensekret benetztes Tüchlein erwerben konnte hat damit ein besseres Spekulationsobjekt als mit mancher fernöstlichen Aktie.

Doch Österreich, noch immer zitternd und zweifelnd und Verluste befürchtend vor der europäischen Währungsumstellung, sollte sich auch da des hohen Wertes der Erinnerung bewußt sein. Die Münze Österreich, Tochter unserer tüchtigen Nationalbank, hat soeben den Erinnerungsgewinn in Zahlen geschätzt und dürfte dabei in der Größenordnung richtig liegen. Von den gegenwärtigen gültigen Schillingmünzen sind wertmäßig etwa acht Milliarden Schilling im Umlauf. Münzen-Chef Dietmar Spranz erwartet jedoch, daß nur wertmäßig fünf bis sechs Milliarden zum Umtausch in Euros kommen. Was geschieht mit den restlichen zwei bis drei Milliarden Schilling? So viele Numismatiker, die wie alle leidenschaftlichen Sammler auf jedes Prägedetail versessen sind, kann es doch hierzulande nicht geben. Im Durchschnitt aller Österreicher, vom Baby bis zum Großpapa, werden da also rund 300 bis 400 Schilling pro Nase als Erinnerung gehortet. Oder sind etwa auch Ausländer an dieser monetären Erinnerungsaktion beteiligt? Immerhin ist ja bekannt, daß unsere Maria-Theresien-Taler bis heute in exotischen Weltgegenden noch immer ein begehrtes Zahlungsmittel sind. Hoffen da etwa Abenteurer mit den abgelaufenen Schillingen dereinst einen illegalen Elefantenzahn erstehen zu können? Der Phantasie und Spekulation sind keine Grenzen gesetzt. Unser Münzen-Direktor weiß da auch nichts Genaueres als ihm der Tiefenblick in die Seele und Erfahrung andeutet. Wie auch immer, er reibt sich die Hände, nach denen sich die öffentlichen bald begierig ausstrecken werden. Dem flehentlichen Sucherblick des Finanzministers werden zwei bis drei Milliarden gewiß nicht entgehen, auch wenn der Erinnerungsgewinn ein längerfristiger ist. Hoffentlich kommt nach solcher Geldbeschaffung der Euro-Fiskus nicht auf die Idee, die Währungen künftig öfter zu tauschen, etwa anläßlich der Erweiterung der Währungsunion. So ein legales Körberlgeld könnte man ja öfter brauchen. Und in den Schubladen der Euro-Bürger lagern dann immer mehr Erinnerungs-Münzen, damit der Opa seinen Enkeln dereinst am Anschauungsobjekt erzählen kann, was das damals für ein schönes Geld war. Oder wird unser Schilling im 21. Jahrhundert zu Armbändern, Halsketten und Jackenknöpfen? Leider haben wir noch keine Auskunft darüber, wie das mit dem Erinnerungsgewinn in anderen Euro-Ländern ist. Den vehementen Klagen der Deutschen um ihre Mark nach zu schließen ist jedenfalls im Nachbarland die Anhänglichkeit und damit die zu erwartende Erinnerungs-Hortung vielleicht noch viel größer. Da mit der Bevölkerungszahl auch der Münzumlauf höher ist kann man sich die heimliche Freude von Theo Waigel vorstellen.

Irgendwann in künftigen Jahrtausenden, wenn die Archäologen über unseren verfallenen Städten und Gräbern den elektronisch gesteuerten Spaten ansetzen, werden sie neben großen Mengen jenes für die Ewigkeit gehärteten Materials namens Beton und einigen mürben Knochen etliche kreisrunde Messing- und Nickelstücke entdecken, über die sie staunen werden wie wir über ein paar verkrustete römische Denare. Sie werden sie blankputzen und etikettiert in Vitrinen legen.

Und darüber wird eine große Schautafel mit den Umrissen eines europäischen Hochkultur-Reiches namens Austria prangen, Rest eines einst führenden Vielvölkerreiches, nach zwei sinnlosen Kriegen zu wirtschaftlicher Blüte und politischer Stabilität gelangt, im 21. Jahrhundert in der Europäischen Union und danach im Weltstaatenbund aufgegangen. Die Währung siehe Schaukasten hieß damals Schilling und wurde nach der Umstellung zum Euro von den Österreichern in beträchtlicher Menge aufbewahrt. Es handelt sich offensichtlich um die sogenannte Erinnerung, ein Paradigma welches damals weit verbreitet war.

Selbstverständlich steht niemand vor diesen Schaukästen und Tafeln. Sie werden vielmehr im Welt-Internet virtuell verbreitet und von Altertums-Liebhabern öfter angewählt.

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