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Erneuernde Kräfte der Laienbewegung

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Wir stimmen voll und ganz der Würdigung der Katholischen Hochschulgemeinde mit ihrem neuen Konzept der Hochschulseelsorge bei und nicht weniger einer ausführlichen Würdigung der Katholischen Aktion und ihrer Entwicklung seit den Anfängen. Der Aufbau der Katholischen Hochschulgemeinde sowie der Katholischen Aktion ist tatsächlich in der Entwicklung des österreichischen Katholizismus nach dem Jahre 1918 von charakteristischer Bedeutung. Allerdings muß bezweifelt werden, daß darin die einzige erneuernde Kraft der Laienbewegung gelegen ist, wie aus der mangelhaften Darstellung der übrigen Laieninitiativen geschlossen werden muß.

Der vorausgehende Abschnitt über die Jugendbewegung scheint uns hingegen im Zusammenhang dieses Werkes, in dem es ja vor allem um den Beitrag der Laien zur religiösen Erneuerung geht, im Verhältnis zu den übrigen Organisationen zu breit zu sein.

Deshalb können wir in einer Darstellung des österreichischen Katholizismus der mehr als mangelhaften Würdigung der übrigen Kräfte in der katholischen Laienbewegung Österreichs nicht zustimmen, sondern müssen diese um so tiefer bedauern, als dieses Werk das Bild des österreichischen Katholizismus auch in das Ausland trägt.

Die gestaltenden Kräfte des österreichischen Katholizismus werden in diesem Band nicht nur unvollständig erfaßt, sondern noch mehr, sie werden einseitig und unrichtig bewertet, da einzelne Organisationen mit großer Ausführlichkeit behandelt, andere hingegen nur aufgezählt werden.

Auf 50 Seiten dieses 200 Seiten umfassenden Werkes werden die katholischen Organisationen der Gegenwart aufgezählt. Davon sind allein mehr als 20 Seiten der Katholischen Aktion und Werken, die unmittelbar der Hierarchie unterstehen, gewidmet, die vorhin schon eine ausführliche Darstellung erhalten haben. Die vielen anderen religiösen Organisationen und Werke sind im letzten Teil aufgezählt und kurz beschrieben. Ihre Tätigkeit erfährt aber keinerlei Würdigung und Bewertung.

Schon die Reihenfolge der Aufzählung beweist das. Sie geschieht einfach in alphabetischer Reihenfolge. Dies kann sicher nicht beanstandet werden, wenn man nur die Aufzählung als solche betrachtet. Der aufmerksame Leser stellt sich aber die Frage: Was bedeuten diese Organisationen im österreichischen Katholizismus? Und darauf erhält er keine Antwort.

Es wird nichts darüber gesagt, welche Verdienste diese Organisationen, die größtenteils schon vor 1918 bestanden haben, wie die Dritten Orden, die Marianischen Kongregationen, die Katholische Lehrerschaft Österreichs, die Kolpings-familie und viele andere, auf den österreichischen Katholizismus zwischen 1918 und 1965 haben, und doch handelt es sich hier um spirituelle und soziale Kraftquellen der Kirche in Österreich, die man nicht hätte übersehen dürfen. Man denke etwa bloß an die vielen Priester- und Ordensberufe, die aus den Marianischen Kongregationen hervorgegangen sind, und auch an die vielen und echten . Laienapostel aus diesen Reihen, die sich im Leben der Pfarre und der Diözese verdient gemacht haben. Die Kolpingsfamilie hat ihre religiös-sozial formende Kraft gerade dadurch unter Beweis gestellt, daß nach 1945 zahlreiche Kolpinghäuser neu gegründet wurden, die Heimstätten religiös-sittlicher Kultur in der Arbeiterschaft sind

Auch neuere Bewegungen mit ihrem apostolischen Einsatz, wie die Legio Mariae, die Cursillos, die ebenso einen stark apostolischen Idealismus wecken, werden rein numerisch erwähnt.

Es gibt also Kräfte im Österreichischen Katholizismus, die bereits vor 1918 und auch nachher nicht wenig dazu beigetragen haben, daß der Aufbau der Katholischen Aktion überhaupt möglich war. Ist nicht ein Großteil der aktiven Laien aus den Kongregationen zur Katholischen Aktion gestoßen? Und gibt es nicht Kräfte des österreichischen Katholizismus, die nach 1945 wie eine neue Saat aufgegangen sind und auch wieder zur Stärkung des apostolischen Geistes beigetragen haben?

Gewiß sind jene dynamischen Kräfte, die besonders den geistigen Umbruch des österreichischen Katholizismus herbeigeführt haben, die Liturgische Bewegung und die gesellschaftskritische Einstellung der Jugendbewegung, sehr bestimmend für das neue Gesicht des österreichischen Katholizismus. Doch sollte nicht vergessen werden, daß der Großteil der österreichischen Katholiken vor 1918 und nach 1918 die religiös-innerliche Formung vor allem in den in diesem Band sehr stiefmütterlich behandelten Organisationen erhalten haben: in den Dritten Orden und Marianischen Kongregationen und ähnlichen neueren Gemeinschaften.

Ganz vergessen werden in dieser Darstellung die „Weltlichen Institute“. Unseres Erachtens müßten diese auch eine Darstellung gefunden haben. Die Entwicklung scheint doch zu zeigen, daß gerade die „Weltlichen Institute“ das Rückgrat einer stark religiösen Laienbewegung werden können, da sich ja in ihnen Menschen zusammenschließen, die ihr Leben ausschließlich in den Dienst der Kirche stellen wollen.

Die religiös-innerlichen Kräfte wurden also in diesem Band leider in sehr unzulänglicher Weise erfaßt, und so muß denn auch das Bild des österreichischen Katholizismus, das hier entworfen wurde, als einseitig und unzulänglich bezeichnet werden.

Das Werk „Kirche in Österreich 1918 bis 1965“, Band 2, ist bereits nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erschienen. Dies macht die Mängel im Buche noch schmerzlicher fühlbar. Der Geist der Einheit und der brüderlichen Zusammenarbeit ist im zweiten Band dieses Werkes wenig spürbar. (Vgl. Dekret über das Apostolat der Laien, Nr. 21, 26.) Es bleibt vielmehr bei jener Einstellung, die im Jahre 1945 mit voller Wucht eingesetzt hat. Es ist das Konzept eines zu uniformistischen Zentralismus im Aufbau der katholischen Laienbewegung. Dieses mußte im Laufe der letzten Jahrzehnte schon mehrmals korrigiert werden und müßte wohl auch nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine weitere Korrektur erfahren. Im Hinblick auf die verschiedenen Diözesansynoden muß doch gewünscht werden, daß Einseitigkeiten in der katholischen Laienbewegung in Österreich vermieden werden und daß man sich vom Geiste der Kirche ' tragen lasse.

Die eben erwähnte Entwicklung scheint uns zwei Ursachen zu entspringen. Die erste ist der bereits angedeutete dirigistische Zentralismus. Wo bleibt die Möglichkeit zur Entfaltung der Charismen der Laien und Priester, von denen die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils mehrmals sprechen? (Siehe Dekret über das Laienapostolat Nr. 12 und Dekret über Leben und Wirken der Priester Nr. 9). Es fällt auf, daß in diesem Werk wie auch anderswo, wenn vom Laienapostolat die Rede ist, überhaupt nur die neuen Formen der Katholischen Aktion genannt werden.

Uberbewertung der Institutionen?

Die zweite Ursache erblicken wir darin, daß die Laienbewegung allzu sehr, wenn nicht einzig, unter dem Aspekt des Institutionellen und der Aktion betrachtet wird. Ist sie aber nicht vielmehr eine Sache der christlichen Spiritualität und des echten christlichen Vollkommenheitsstrebens? Setzt sie nicht die spirituelle und theologische Bildung der Laien voraus?

Daß jenen Vereinigungen und Institutionen, die diese wichtige Bildungsaufgabe zu leisten sich bemühen, wie den rein kirchlichen Vereinigungen, dem „Theologischen Laienjahr“, der „Katholischen Akademie“, dem Schrifttum, wie auch der Gründung der Zeitschrift „Der große Entschluß“, so wenig Aufmerksamkeit in diesem Werke gewidmet wurde, muß sehr bedauert werden. Wird nicht in beinahe pela-gianischer Weise die Aktion gegenüber der Pflege des religiösen Lebens überbetont? Wird nicht das Neue um des Neuen willen überbewertet?

Notwendige Kritik

Darin scheint uns die Ursache dafür zu liegen, daß das Bild des österreichischen Katholizismus im zwiaiten Band dieses Werkes als nicht gelungen bezeichnet werden kann. Das muß nicht den Redaktoren zur Schuld angelastet werden, die wahrscheinlich unter Zeitdruck standen und die bereits eingangs erwähnten, fast unüberwindlichen Schwierigkeiten aus diesem Grunde nicht bewältigen konnten. Trotzdem ist eine Kritik an dem Bande notwendig, um eine falsche Einschätzung der katholischen Laienkräfte und hiermit auch eine falsche Entwicklung in der Zukunft zu vermeiden.

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