Erst vertrieben, dann zurückgeholt

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Im Zuge der Gegenreformation vertrieben, um des wirtschaftlichen Aufschwungs willen zurückgeholt: die Evangelischen in Niederösterreich.

Doppelter Anlass für die historische Besinnung auf evangelisches Leben in Niederösterreich: Vor 375 Jahren wurden im Zuge der Gegenreformation evangelische Pfarrer und Lehrer aus dem Land vertrieben, vor 350 Jahren auch schlichte Laien, die von ihrem Glauben nicht lassen wollten. Der Adel konnte etwas länger Widerstand leisten als die Evangelischen in den Städten oder auf dem "flachen Land".

Ohne auf Unrecht und Gewalttaten der Vergangenheit zurückzukommen, lehrt die komprimierte Schau auf der Schallaburg doch einiges: Glaubte man im 17. Jahrhundert das Land von aller Ketzerei gereinigt, die Lehre Luthers getilgt zu haben, so kam doch schon im 18. Jahrhundert die Toleranz auf.

Nachhaltiger wirkten allerdings wirtschaftliche Zwänge: Die Unkatholischen aus Niederösterreich waren größtenteils nach Franken ausgewandert und dort als tüchtige Arbeitskräfte willkommen gewesen (ähnlich den Salzburgern, die in Preußen ganze unbesiedelte Landstriche erschlossen).

Evangelische Viehhändler hielten Verbindung zwischen alter und neuer Heimat und meldeten Bauernhöfe in Franken, die für Auswanderer zum Verkauf standen. Später holte man in der Gegenrichtung nach Niederösterreich Holzarbeiter aus Oberösterreich und der Steiermark - zunächst als geheime Evangelische, die ihren Glauben als Schmuggelware mitbrachten.

Als im 19. Jahrhundert die Industrie wuchs und Fachleute aller Grade brauchte, traf sich die Toleranz mit wirtschaftlichen Zwängen. Evangelische Industriellen-Familien haben vor allem in Niederösterreich und Böhmen an der Entwicklung Anteil gehabt.

Aber auch das kulturelle und wissenschaftliche Leben wurde durch protestantische Einwanderer bereichert. Heute gibt es kaum noch Toleranz-Probleme. Die 45 000 evangelischen Niederösterreicher machen zwar nur drei Prozent der Bevölkerung aus, aber sie sind gut organisiert und nehmen an der Vielfalt des gesellschaftlichen Lebens Anteil.

Für die Schallaburg und den benachbarten Ort Loosdorf gibt es viele Belege evangelischen Lebens im 16. und 17. Jahrhundert. Das Schulwesen war damals gut entwickelt, nicht zuletzt, weil die evangelischen Pfarrer auch in kleinen Dörfern den Unterricht erteilten. Ihre Vertreibung war also auch ein Verlust für die Volksbildung.

Da die Menschen selten aus der Geschichte lernen, hat die Tschechoslowakei sich selbst mit der Vertreibung der Deutschen wieder großen wirtschaftlichen Schaden zugefügt. Ob sie nach Niederösterreich flüchteten (und vielfach in evangelischen Gemeinden aufgenommen wurden) oder nach Deutschland: überall haben sie zu Wiederaufbau und wirtschaftlicher Blüte beigetragen.

In der Ausstellung von dem evangelischen Kirchenhistoriker Univ.-Prof. Gustav Reingrabner kann man an etlichen aussagekräftigen Objekten vielerlei ablesen: Bilder, Porträts, Kultgerät, Grabsteine lassen ahnen, wie es zur Reformationszeit hier zuging.

Umfassender informiert der umfangreiche Katalog, der in seiner ganzen Struktur offenbar darauf angelegt ist, den Ausstellungs-Anlass zu überleben.

Evangelisch! Gestern und Heute einer Kirche,

Ausstellung bis 27.Oktober 2002

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