"Es geht um das Hinhören"

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Die Bankerin Claudia Schmied war eine der großen Überraschungen im Regierungsteam von Alfred Gusenbauer. Gegenüber der Furche lässt die neue Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur die letzten Tage Revue passieren und skizziert ihre Vorstellungen von der Schule der Zukunft - in der sie sich vor allem freudige Schüler und motivierte Lehrer wünscht.

Die Furche: Sie haben Alfred Gusenbauer auf die Frage, ob Sie Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur werden wollen, sofort zugesagt. Es scheint, als hätten Sie mit diesem Anruf gerechnet ...

Claudia Schmied: So große Entscheidungen kann man rational gar nicht beurteilen. Da ist nur eine Herzensentscheidung möglich: Habe ich Leidenschaft für diese Gebiete? Will ich mich dafür engagieren? Ich interpretiere es eher so, dass diese große Aufgabe zu mir gekommen ist. Dazu muss man auch sagen, dass sich Alfred Gusenbauer und ich schon seit zehn Jahren kennen. Wir haben uns immer wieder getroffen und Gedanken ausgetauscht. Insofern war die Überraschung wieder nicht so groß.

Die Furche: Sie sind eine erfolgreiche Bankerin mit hoher Affinität zu Kunst und Kultur. Aber wann waren Sie zuletzt in einer Schule?

Schmied: Die Kernfrage ist: Muss jemand, der Bildungspolitik macht, ein Lehrer sein? In der Kommunalkredit habe ich jedenfalls Bildungs-und Weiterbildungsprogramme entwickelt und dadurch die Ergebnisse von Bildungsprozessen wahrnehmen können - auch hinsichtlich sozialer Kompetenz. Ich denke, man muss nicht unbedingt im System drinnenstecken, um einen Funken zur Weiterentwicklung zu zünden. Umso wichtiger ist es aber, dass man rasch Experten findet, um die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Ich möchte mir auch mit Schülerinnen und Schülern, Lehrern und Elternvereinen neue Formen des Dialogs überlegen.

Die Furche: Sie haben angekündigt, die Stellung der Pädagogen verbessern zu wollen. Wie soll das gehen?

Schmied: Hier geht es in erster Linie um die Achtung der Leistung, um das Hinhören, das Hinfahren, das Ernstnehmen. Dann wird etwas in Gang kommen. Das dauert natürlich etwas länger, weil kulturelle Veränderungen nie von heute auf morgen passieren.

Die Furche: Auch die Gesamtschule wird laut Regierungsprogramm nicht von heute auf morgen kommen. Sie sollen nur "den Einstieg zum Umstieg" vorbereiten. Reicht Ihnen das, wo es doch längst Modelle wie die "kooperative Mittelschule" gibt?

Schmied: Natürlich gibt es diese Modelle schon lange, aber mich gibt es noch nicht so lange. Es wird also eines der Themen sein, wo ich mich zügig einarbeiten werde. Die Gesamtschule ist jedenfalls ein sozialdemokratisches Ziel. Dass das ein eher längerfristiger Prozess ist, ist aber klar.

Die Furche: Ein Reizwort in der Schulpolitik ist PISA. Der Österreich-Koordinator Günter Haider hat sich zuletzt mit Elisabeth Gehrer überworfen, während diese die Aussagekraft von PISA relativiert hat. Für wie aussagekräftig halten Sie die PISA-Studie?

Schmied: Professor Haider war einer der ersten, die ich angerufen habe, nachdem ich hier am Minoritenplatz angekommen bin. Ich werde ihn auch bald treffen. Was mir nur auffällt, ist, dass unsere Gesellschaft offenbar einen starken Hang dazu hat, alles in Rankings zu bewerten. Natürlich geht es auch in der Bildung um Qualitätskriterien. Auf der anderen Seite sollte man nicht außer Acht lassen, dass die Schule auch Lebensqualität und Freude vermitteln soll.

Die Furche: Eine der wesentlichsten PISA-Ergebnisse war, dass in Österreich die soziale Herkunft den Bildungsweg wesentlich beeinflusst ...

Schmied: Dass es die soziale Segregation gibt, ist ein Faktum. Die Frage ist: Wie können wir mehr Menschen eine Chance geben? Hier spielen Ressourcen eine große Rolle. Was aber nie zu ersetzen ist, ist die Leidenschaft der Lehrer und Eltern. Ich selber habe das Glück gehabt, in das Gymnasium Bernoullistraße im 22. Wiener Bezirk zu gehen, wo die Klassenschülerhöchstzahl 24 war und sehr engagierte Professorinnen und Professoren unterrichtet haben. Hilde Hawlicek war übrigens Direktorin. Es geht eben um soziale Kompetenz und Motivation.

Die Furche: Die Motivation kann aber schwinden, wenn etwa die Mehrzahl der Schüler die deutsche Sprache nicht beherrscht. Ursprünglich hatte die SPÖ deshalb ein verpflichtendes letztes Kindergartenjahr vorgesehen - das jetzt doch nicht kommt ...

Schmied: Dass das vorschulische Angebot ausgebaut werden soll, steht im Regierungsprogramm. Es gibt aber auch noch andere Zugänge. Ich kenne etwa einen Schulversuch, wo man eine Klasse mit sehr vielen Ausländerkindern in Englisch geführt hat - mit dem Effekt, dass diese Außenseiter-Position durch schlechtere Sprach-und Ausdrucksmöglichkeiten von Beginn an beseitigt wurde. Da gibt es viele Ideen. Aber Detailliertes kann ich erst später sagen.

Die Furche: Zur Ära Gehrer haben Sie zumindest so viel gesagt, dass Sie sich über die Einführung der Studiengebühren geärgert haben. Wie sehr ärgert Sie jetzt unter einer SP-geführten Regierung ihre Beibehaltung?

Schmied: Man kann sich darüber ärgern oder kränken. Faktum ist, dass die Studiengebühren in Zeiten der ÖVP-Regierung eingeführt worden sind und es in den Koalitionsverhandlungen nicht gelungen ist, sie wegzubekommen. Da bin ich pragmatisch: Das sind einfach die Rahmenbedingungen, mit denen wir versuchen müssen, den bestmöglichen Kurs für die Zukunft zu gestalten.

Die Furche: Pragmatikerin sind Sie auch, was Ihre persönliche Zukunft betrifft: Sie sind aus einem gut dotierten Job ausgestiegen und in die Politik gegangen, wo Ihnen viel Leidensfähigkeit abverlangt wird. Haben Sie keine Angst, dass Sie es bereuen könnten?

Schmied: Nein, ich spüre eher eine Aufbruchsstimmung in mir. Das ist wie vor einer Atlantiküberquerung, für die ich meine engste Mannschaft zusammenstelle. Jetzt ist es möglich, dass ich viele Dinge, die ich mir überlegt und in kleinem Kreis diskutiert habe, auch einem größeren Kreis zugänglich mache. Und wenn es mir gelingt, möglichst viele Verbündete zu finden und Netzwerke zu knüpfen - wofür ich ja bekannt bin -, dann wird das Projekt erfolgreich sein.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

Mit Elan und Räucherstäbchen

Wer Claudia Schmied in ihrem neuen Ministerbüro besucht, wird von aromatischem Rauch eingehüllt. "Ich dachte mir, wenn schon jemand Neuer hier arbeitet, dann soll auch ein neuer Duft einziehen", erzählt die unkomplizierte Frau im Hosenanzug und zeigt auf drei Räucherstäbchen im Hintergrund. Dass es sie hierher auf den Minoritenplatz verschlagen könnte, hat die 47-jährige Betriebswirtin erst Dienstag vergangener Woche erfahren: Gegen 23 Uhr läutete bei Schmied das Telefon. Am Apparat war Alfred Gusenbauer, den die in Wien geborene Tochter einer Schneiderin und eines sozialdemokratisch engagierten OMV-Bereichsleiters für Finanzen schon seit 1997 kennt: Ob sie Unterrichts-und Kunstministerin werden wolle, fragte der designierte Kanzler - und erhielt binnen Minuten ein Ja. Die wichtigsten Ministertugenden bringt die kinderlose Managerin zweifellos mit: Leidenschaft und Durchsetzungkraft. Bereits einen Tag nach ihrer Promotion trat die damals 24-Jährige in die Investkredit Bank AG ein. Nach einem steten Aufstieg in der Bank wurde sie 1997 wirtschaftspolitische Beraterin von Finanzminister Rudolf Edlinger. 1999 kehrte sie als Abteilungsleiterin für Unternehmensfinanzierung in die Investkredit zurück und wurde 2004 in den Vorstand der Kommunalkredit Austria AG berufen. Der Horizont der leidenschaftlichen Reiterin reicht freilich über die Finanzen weit hinaus: Schmied arbeitete als Lektorin am Institut für Betriebswirtschaftslehre der WU Wien (Forschungsschwerpunkt "Die Rolle der Wirtschaft in der Literatur"), saß im Kuratorium der Salzburger Festspiele und im Vorstand der Wiener Symphoniker. Ihre Kunstsinnigkeit hat ihr seitens der heimischen Kulturschaffenden jede Menge Vorschusslorbeeren eingebracht. Schmied wird sie brauchen.

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