Es gibt viele Zeugnisse

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"Diakoninnen gab es von Anfang an", davon zeigt sich Evangelos Theodorou überzeugt. Seit 60 Jahren beschäftigt sich der griechisch-orthodoxe Theologe intensiv mit diesem Thema. Das Gespräch führte Stefan Janits

Seit Jahren wird in der römisch-katholischen Kirche die Forderung laut, Frauen zu Diakoninnen zu weihen - bisher vergeblich. Dabei gab es Frauen in diesem Amt schon zur Zeit der Apostel, sagt der emeritierte Theologieprofessor Evangelos Theodorou, der auf Einladung von "Pro Oriente" nach Wien kam.

Die Furche: Herr Professor Theodorou, wie lange schon beschäftigen Sie sich mit dem Thema "Diakonat der Frauen"?

Evangelos Theodorou: Ich beschäftige mich seit über 60 Jahren mit diesem Thema. Im Jahr 1948 veröffentlichte ich dazu in Griechenland mein erstes großes Buch. Es trug den Titel: "Heldinnen der christlichen Liebe - Die Diakoninnen durch die Jahrhunderte". 1954 habe ich dann meine Dissertation an der Universität Athen zu diesem Thema geschrieben: "Die Ordination der Diakoninnen".

Die Furche: Heißt das, es gab in der Geschichte des Christentums schon einmal Frauen, die zu Diakoninnen geweiht wurden?

Theodorou: Ja, es gab Diakoninnen, und zwar von der apostolischen Zeit an. Das erste Zeugnis dafür findet sich bei Paulus im Römerbrief. Im 16. Kapitel erwähnt er die Diakonin Phöbe, die im Dienst der Gemeinde von Kenchreä war. Paulus schreibt dort, dass sie ihm oft beigestanden ist. Vermutlich war es auch Phöbe, die den Brief zur Gemeinde nach Rom brachte.

Die Furche: Gibt es auch noch andere Belege für weibliche Diakone, abgesehen von dieser Bibelstelle?

Theodorou: Es gibt viele weitere Zeugnisse für Diakoninnen. So schreibt um 111 Plinius der Jüngere an Kaiser Trajan, dass er zwei junge Frauen gefunden hat, die Diakoninnen in der Kirche sind. Am Ende des zweiten Jahrhunderts schreibt auch Origenes davon, sowie Clemens von Alexandrien. Er sagt, es gibt Diakoninnen, die apostolischer Herkunft sind. Und bis zum Ende der byzantinischen Zeit gab es viele Diakoninnen in Byzanz, zum Beispiel die heilige Olympia, eine Weggefährtin von Johannes Chrysostomos. Auch in den Novellen des Justinians wird von Diakoninnen gesprochen. Eine Novelle erzählt, dass es in der Hagia Sophia in Konstantinopel 60 Priester gab, 100 Diakone und 40 Diakoninnen. Es zeigt sich also, bis zum Ende von Byzanz gab es Diakoninnen.

Die Furche: Bedeutet dies, dass es in der westlichen Kirche auch Diakoninnen gab?

Theodorou: Es gibt viele Zeugnisse, die davon berichten, dass es vom 5. bis zum 11. Jahrhundert viele Diakoninnen auch im Westen gab. Zwar tagten dort Synoden in Nîmes und Orange im 4. und 5. Jahrhundert, die eine Ordination von Diakoninnen verboten haben. Das zeigt jedoch nur, dass es einen Grund für dieses Verbot gegeben haben muss. Ein Beispiel aus dem 6. Jahrhundert ist die heilige Radegundis, deren Grab sich in Noyon befindet. Sie war Ehefrau des Frankenkönigs Chlothar I. und wurde von Bischof Medardus zur Diakonin geweiht. In der Geschichte gab es auch drei Päpste, die den Bischöfen erlaubten, Frauen zu Diakoninnen zu ordinieren. Vor allem in Klöstern gab es viele Diakoninnen. Selbst heute finden sich noch Überreste der alten Praxis, zum Beispiel bei den Kartäuserinnen.

Die Furche: Welche Aufgaben hatten Diakoninnen und gab es Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Diakonen?

Theodorou: Diakoninnen und Diakone hatten nicht das Recht, Sakramente zu spenden. Diese waren in den Händen von Presbytern, sprich Priestern und Bischöfen. Aber sie assistierten ihnen. Vor allem bei der Taufe von Frauen waren sie beteiligt. Diese wurden meistens als Erwachsene getauft. Eine Frau war dann dabei, um ihnen beim Aus- und Anziehen zu helfen, da sie bei der Taufe selbst nackt waren. Sie salbten auch den Körper der neu Getauften. Presbyter und Bischöfe salbten bei Frauen nur die Stirn. Bei Begräbnissen begleiteten die Diakoninnen den Sarg mit Gesängen zum Grab. In den Novellen des Justinian wird auch davon berichtet, dass die Diakoninnen die Kommunion zu kranken Frauen in ihre Häuser brachten. Nebenbei leisteten sie katechetische Arbeit, unterrichteten taufwillige Frauen und erzogen Kinder.

Die Furche: Gab es sonst Unterschiede, streng theologisch gesehen?

Theodorou: Nein, Diakoninnen hatten die selben Aufgaben wie Diakone. Das zeigt auch die Ordination der Diakoninnen. Dazu ist es wichtig zu verstehen, dass es zwei Stände im Klerus gibt: den niederen und den höheren Stand. Zum niederen Klerus gehören zum Beispiel Vorleser und Subdiakone. Sie werden nicht ordiniert, sie erhalten nur einen Segen, der außerhalb des Altarraums und nicht im Rahmen einer eucharistischen Messe gespendet wird. Die höheren Ordinationen hingegen finden im Altarraum statt, während der eucharistischen Messe. Dabei spricht der Bischof zwei Gebete und bittet um die Herabkunft des Heiligen Geistes auf den Ordinierten. Genau diese Form der Weihe wurde auch bei Diakoninnen durchgeführt.

Die Furche: Gibt es in der orthodoxen Kirche von heute Diakoninnen?

Theodorou: Es gibt nur selten Diakoninnen, meistens in Klöstern. Es gibt aber Bestrebungen für die Erneuerung und Wiederbelebung des Diakoninnenamtes. Heute haben alle Kirchen des Ostens den Wunsch, das Diakoninnenamt wiederzubeleben. Der vormalige Erzbischof von Athen, Christodoulos I., und die ganze Hierarchie der Bischöfe der Kirche von Griechenland haben um 2000 beschlossen, dass jeder Bischof das Recht hat, Diakoninnen zu ordinieren, denn es gab ja nie eine offizielle Abschaffung des Diakoninnenamtes.

Die Furche: Gab es einen Skandal, als in den 1950er Jahren Ihre Dissertation erstmals erschienen ist?

Theodorou: Es gab natürlich Diskussionen über meine Dissertation an der Fakultät. Ein liberaler Theologe, ein Ökumenist, sagte damals: Das können wir nicht akzeptieren, dass Frauen zu Diakoninnen ordiniert werden. Mein Doktorvater hingegen, ein sehr konservativer Theologe in Griechenland, sagte in der Sitzung der Fakultät: "Der Kandidat hat recht, alle historischen Quellen sagen, dass es Diakoninnen gab!"

Die Furche: Wurden Ihre Erkenntnisse, Ihre Bücher auch in der römisch-katholischen Kirche rezipiert?

Theodorou: Meine Dissertation wurde vor vielen Jahren als Hilfsmittel in einem Seminar an der theologischen Fakultät in Tübingen verwendet, welches von dem berühmten Professor Hans Küng geleitet wurde. In diesem Seminar gab es ein Forschungsprogramm unter dem Titel: "Die Frau und das Christentum". Assistentin von Professor Küng war zu jener Zeit Anne Jensen, die später Professorin in Graz wurde. Sie hatte mein Buch ins Deutsche übersetzt. Damals schrieb Professor Küng einen Brief an mich und bat um Erlaubnis, meine Arbeit veröffentlichen zu dürfen, leider kam es aber nicht dazu. Erst 2008 wurde mein Buch auf Deutsch veröffentlicht. Im Jahrbuch der "Grazer theologische Studien", herausgegeben von Anne Jensen und Grigorios Larentzakis, kann man jetzt meine Dissertation nachlesen.

Die Furche: Wie sehen die aktuellen Entwicklungen aus?

Theodorou: In letzter Zeit gab es viele Konferenzen zu diesem Thema. Selbst der ökumenische Patriarch Bartholomäus I. befürwortet die Wiederbelebung. Und auch im Westen gibt es viele neue Bewegungen. Es finden Tagungen statt, Bücher und Dissertationen zu diesem Thema erscheinen. Ein aktuelles Beispiel ist Dorothea Reiningers Buch "Diakonat der Frau in der einen Kirche" von 2002. Diese umfangreiche Dissertation ist ein Plädoyer für die Erneuerung des Diakonats in der römisch-katholischen Kirche. Besonders interessant ist, dass das Geleitwort von Kardinal Karl Lehmann geschrieben wurde, dem ehemaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Gemeinsam mit vielen anderen prominenten Theologen bejaht auch er die Erneuerung des Diakoninnenamtes. Es gibt mittlerweile viele Menschen und Vereine, wie das "Netzwerk Diakonat der Frauen", die Bitten zum Papst schicken, er möge kraft seines Amtes die Ordination von Diakoninnen erlauben. Doch bisher sagt er weder Ja noch Nein zu diesem Thema. In den bekannten Texten gegen die Ordination von Frauen steht zwar, dass das Diakonat den Frauen nicht verweigert wird. Es wird aber betont, dass das Thema erst ausführlich untersucht werden muss, bevor es zu einer Entscheidung kommen kann.

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